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Mittwoch, 17. Februar 2016

"Hail, Caesar!" [GB, USA 2016]


Die menschliche Größe in den Augen nichtiger und gar unaussprechlicher Provinzlinge, sie fehlt ein wenig "Hail, Caesar!". "Arizona Junior" zum Beispiel, ein von seiner Pointendichte her vergleichbarer Film, hatte sie noch. Denn: Als George Clooney sich die Ehre gibt, über die Heiligenandacht Kino und die theologischen Wahrheiten, über die es erzählt, einen blumigen Monolog zu halten, wird dieser grundlegend herzenswahre und –nahe Befindlichkeitsbericht just zerstört – per… plattgedrücktem Gag. So nämlich ist "Hail, Caesar!", insbesondere das aus Starrascheln, Schwärmereien und Classical-Hollywood-Avancen gebaute Ausrufezeichen. Mit Ansage ohrenbetäubend, konfus und kategorisch albern. "Hail, Caesar!" gehört zu den seichte(re)n Arbeiten der Gebrüder, plündert resolut ein Coen-Chaos der Ideologien, Sprachen und Zeichen angesichts eines Entführungsfalles, durch das ein stoisch gelassener Josh Brolin stakst, in der Hoffnung, der lärmenden Kommunikation im "Saftladen" Studio Herr zu werden, während Alden Ehrenreich auch im mimisch anspruchsvollen Dramaschauspiel nicht von seinem Lasso und Pferdesitz absehen kann. Der Film pocht ungeheuerlich witzig auf Klatsch und Tratsch in den heiligen Hallen, wo Magie aufsteigt und – dank Roger Deakins' Tiefenwirkung – Menschen sich verlieren: Ralph Fiennes' Namensname, Channing Tatums ekstatische Musicalnummer in einer nachgebauten Hafenkneipe, eine Villa auf den Klippen nach "Der-unsichtbare-Dritte"- und "Zabriskie-Point"-Bauart. Die Coens wollten (sich) humorvoll ausstellen, lassen wir sie ruhig.

6 | 10

Freitag, 6. November 2015

"James Bond 007 - Spectre" [GB 2015]


[...] Die [...] Hüftsteifheit, aus absolutem Ernst, theatralischer Zusammenhangswut und zähneknirschender Kontrolle den Frohsinn an der Verschwendung auszulassen, die auch "Skyfall", den Vorgänger, einstweilen überlagerte, kulminiert in "Spectre" vollends. Freilich bewegte sich das James-Bond-Franchise stets im Wandel der Zeit, aber in keinem Beitrag überträgt sich diese These tatsächlich eingängiger als auf "Spectre". Der Film ist ein unangenehmer Streber seiner Konvention, ihm fehlt deutlich der visuelle Geist Roger Deakins', die freche Ironie Roger Moores und die gallige Technikpoesie Lewis Gilberts abseits allen Digitalmatsches, ihm fehlen Impulse der Auslassung, ihm mangelt es an kreativer Eigenleistung. An Stelle dessen wirkt Daniel Craigs charakterliche Altersmüdigkeit [...] und Sam Mendes' inszenatorische Biederkeit, gezwungenermaßen einen weiteren Bond-Film aufgedrückt bekommen zu haben, wie die Ausreden vor einer Lüge, anstatt im Strandurlaub zu entspannen, eher in einem Kurort für Rentner abzusitzen. "Spectre" liefert Emotionen in einer Sparverpackung, ist dabei aber so kreuzbrav nach Maßstab getrimmt, dass man ihm seltsamerweise weder böse noch nachtragend sein kann. [...]


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Mittwoch, 26. Februar 2014

"Grand Budapest Hotel" [GB, D 2014]


Vorerst prototypischer Wes-Anderson-Schwank, hysterisch wie zum Spießrutenlauf, in bizarr-sentimentales, teutonisches Süßigkeitenpapier gewickelt, symmetrisch, hibbelig, noch hibbeliger; schließlich hüpft "Grand Budapest Hotel" nach oben und unten, nach rechts und links, und Szenenabläufe werden von keinen Grenzen mehr behindert, sondern verschlingen und verknüpfen einander in einem Flechtwerk. Wer allerdings gedacht hätte, Anderson ruhe sich auf einem Stil aus, auf den Erfolgen künstlerischer Stagnation, der hat diesen Film nicht gesehen, diesen infantilen, beherzt in Skurrilitäten verknallten Ensemblefilm. Anarchischer war Wes Andersons eigenwilliges Kino der Überdosis vermutlich nicht. Überfallartig kreuzt der Amerikaner Gemälderaubfilm, Gefängnisausbruchsfilm und ein Tableau an Streitkultur über Hotels und Hochwohlgesinnte, die irgendwie alle in einem Boot in die jeweils andere Richtung zu paddeln versuchen. In seiner Bewegungslust, wenn Arme und Beine und Körper vorwärts preschen (aber auch dabei manchmal abgehackt werden), verzeichnet "Grand Budapest Hotel" seinen trashigsten, zugleich aber auch nostalgischsten Gestus: Charlie-Chaplin-Slapstick erweitert Anderson erstmals und montiert mit Hilfe dessen schrägste Playmobil-Verfolgungsjagden, die in einer überkünstelten James-Bond-Schneeactioneinlage zusammenfließen (Blofeld: Zuhälter Willem Dafoe). "Grand Budapest Hotel" ist hierbei dem logischen Umkehrschluss zufolge eine radikale Steigerung artifizieller Anderson-Unterhaltung, bei der unzählige wohlbekannte, (vereinzelt zu) kurz vorbeischauende Gesichter dazu anwesend sind, die richtigen Schalter (oder Typen) an den richtigen Stellen umzulegen – und loszulegen. 

6 | 10

Mittwoch, 19. Juni 2013

Spielberg-Retro #9: "Schindlers Liste" / "Schindler's List" [USA 1993]


Janusz Kaminskis Kamerabilder stechen hervor, sie verbinden Form und Inhalt auffällig plakativ. Sein erster Einsatz unter Spielberg verzeichnete der gebürtige Pole im Klassiker pädagogischer Kollektivtrauer in den hiesigen Klassenräumen der Bundesrepublik, in "Schindlers Liste". Kaminski suchte hierin eine künstlerische, sämtliche Bevölkerungsschichten ansprechende Ausdrucksform dessen, was als mahnendes Fanal an Generation zu Generation weitergereicht wird. Da zittern die Halbtotalen, die kurzen, nie linealgeraden Schwenks, während das Dokumentarische in Kaminskis Impressionen abschnittsweise einen politisch legitimierten, industriell ausgeführten Säuberungsprozess in grob geraspelte Fragmente zergliedert. Ehe er einen Oskar Schindler (Liam Neeson) filmt, der sich manieriert in die Arme "seiner" Juden fallen lässt, einen Oskar Schindler, dem das Mädchen mit dem roten Kleid nicht mehr aus dem Kopf geht. 

Dies allein zeigt, dass "Schindlers Liste" zwischen Neutralität und Gefühlsüberschuss einen der schwierigsten Filme im mannigfaltigen Schaffenswerk Steven Spielbergs darstellt, weil man ihm, dem Film, leicht Verklärung, Verharmlosung, gar Verballhornung unterstellen könnte, Geschichtsrevisionismus eines historisch singulären Verbrechens sozusagen. Die erzählerisch redundante, überdramatische Aufarbeitung der Schindler-Juden, die Auschwitz-Szenen, bei denen sich Spielberg merkwürdigerweise um das darzustellende Grauen drückt und ersatzweise einen unglücklich (ungewollt?) zynisch geratenen Suspense-Einfall wählt, die stoßweise spritzenden Kopfschüsse, eine explizite Sexszene, vor allem auch zwei an unterschiedliche Auswüchse von Macht gebundene, dualistisch aufgeladene Protagonisten (ein heroischer Schindler, ein sadistischer Amon Göth) – für Spielberg ein Mittel, um den Zuschauer die Komplexität der Täterschaft aufzuzeigen, ohne deren Nebenfiguren ambivalent zu schattieren. 

All' das besteht tatsächlich aus Widersprüchlichkeiten zur Intention des nüchternen Nachkriegschronisten, scheint vielmehr bis zu einem gewissen Grad der Mechanik des von Spielberg mitgeprägten Unterhaltungskinos heruntergebrochen zu sein, und es ist viel Stoff, ausnahmslos sehr viel Stoff, den Spielberg derart stringent wie in seinen vorherigen Werken allerdings ohnehin nicht zu erzählen, zu entschlacken in der Lage ist. Ein Holocaust-Film als Variation eines an den obligatorischen Schwachstellen krankenden, modernen Blockbusters, das wäre Grund genug, Spielbergs Film ein perfides, verlogenes Spiel zu nennen. Aber, und das ist ungelogen, funktioniert "Schindlers Liste" dann, wenn man ihm am (jüdischen) Regisseur bemisst, als an einer geradewegs kunstfeindlichen, einfühlungsresistenten (Rezeptions-)Vorstellung, die sein muss, aber weder sein will noch ist. 

Wenn Spielbergs "Schindlers Liste" die Herzensangelegenheit des Filmemachers verkörpert, dann ist das zugleich ein bemerkenswert persönlicher Bericht vom Inneren, sich seinen eigenen Gefühlsgeistern zu stellen. Als biographische Spurensuche in der Zeit, in der Vergangenheit voller austauschbarer Namen und identitätslosem Verschleißmaterial, das jedoch menschliche Nachkommen, ein menschliches, unschätzbares, individuelles Leben gebärt; als reinigende Therapie, als Akt schmerzlicher Trauerüberwindung kann "Schindlers Liste" nur subjektiv sein, kann er nur verzerren, kann er nur stereotyp betonen, kann er nicht den abwägenden Verstand inszenieren, sondern das ehrliche Gefühl. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht hantiert Kaminski aus diesem Grund mit bewegenden Gefühlsbildern, weil es etwas intuitiv zu verarbeiten, ja abzubilden gilt, anstatt analytisch zu entwirren. Die manipulative Kraft dieses ambitionierten Projektes, so wagemutig wie kontrovers, ist ungebrochen.

6 | 10

Dienstag, 16. Oktober 2012

"Roter Drache" / "Red Dragon" [USA 2002]


So unglücklich die Wahl des Brett Ratner für Thomas Harris' mehrschichtigsten Roman wirken mag, so souverän adaptiert er die Handlung ohne Risiko zum Kassenschlager. Vielleicht ist das ja sein Problem. Denn in seinem Verlangen, der Vorlage möglichst genau auf den Grund zu gehen, indem er sich Seite per Seite an sie festbeißt, lässt Ratner die Konsequenz vermissen, sich vielmehr Zeile per Zeile heranzutasten, wodurch die stärksten Motive des Romans zugleich am schwächsten in dessen Verfilmung abgekanzelt werden. So hätte es nicht geschadet, die faszinierende Francis-Dolarhyde-Figur (Ralph Fiennes) einer ambivalenteren Prägung zu unterziehen. Dolarhydes sadistische Erniedrigungen seiner Mutter aus Kindheitstagen sind essentiell für die Geschichte, ein Ärgernis, dass Ratner sie nur streift.

Auf Mainstreamkino zugeschnittene Metaebenen wie den durch Spiegelscherben allegorisch aufgeladenen Kampf zweier gleichermaßen unnachgiebigen wie angstheraufbeschwörenden Jäger werden abgeschwächt, das Leidthema Harris' mittels sowohl objektorientierter als auch seelischer Reflexionen des Sehens und Gesehen werdens über sein eigenes Dasein und dem anderer zu richten, popcorntauglich verarbeitet. Macht aber nichts. In dem, was unterhaltsam sein soll, ist der rote Drache sehr unterhaltsam – und ungeheuer spannend, forensisch schier fesselnd. 

Dabei dirigiert Ratner nicht etwa aus dem Schatten Jonathan Demmes und probiert ausschließlich von dessen Vorschusslorbeeren, sondern verquickt das Original Michael Manns (für die Bilder zeichnet sich Manns Stammkameramann Dante Spinotti verantwortlich) mit dem von Demmes Kultfilm auf augenzwinkernde Weise in teils identischen Einstellungen (etwa des Ermittlers Gang zu Dr. Hannibal Lecters Zelle) und Wiedersehensveranstaltungen zotiger Figuren aus den Vorgängern (Anthony Heald, Frankie Faison) des selben Drehbuchautors (Ted Tally), der die Allerweltsgeschichte vom gesellschaftlich zurechtgekneteten Monster als Basis für allerlei deformierte Geister zweckentfremdet.  

 
Ungeachtet des schwarzhumorigen Prologs eines besonders schmackhaften "Festmahls" gefällt hingegen das Augenscheinlichste, die Besetzung nämlich, für die Ratner große Namen mit einprägsamen Köpfen gewinnen konnte. Wenngleich in den grundlegendsten Positionen Edward Norton recht hölzern seine inneren Narben vergessen lassen will, Emily Watson im Rahmen ihrer Möglichkeiten handelt, Harvey Keitel den Autopiloten sympathisch anschmeißt, ohne Neues hinzuzuerfinden, und Philip Seymour Hoffman reichlich lückenfüllerhaft dazwischen gequetscht wird, spielt in erster Linie ein missgestalteter Ralph Fiennes zwischen Verletzlichkeit, Abgestumpftheit und Todesangst, jenseits von Fleisch und Wille, alles in Grund und Boden, was sich ihm in den Weg stellt.

Mit dieser gebrochenen Figur erlaubt sich Ratner bizarre Scherze, zum Beispiel dann, wenn er den Reporter eines Revolverblattes (Hoffman) unter Dolarhydes Aufsicht halbnackt an einen Rollstuhl kleben lässt, oder mit einer blinden Arbeitskollegin (Watson) eine kurios diametrale, dennoch in ihrem Wesen grotesk parallele Beziehung zusammenschraubt: Er, der von der Schönheit geblendet und doch der Hässlichkeit verdammt ist, sie, die weder Schönheit noch Hässlichkeit sehen kann, beide um Respektierung einander bemüht und falschem Mitleid enthoben. Daraus definiert der Film seine gesonderte Komplexität und geht mit Harris' doppelter Ebene stimmig konform.

Fiennes verkörpert derart eindringlich, dass ausgerechnet Anthony Hopkins vor Neid erblasst. Recht so – nicht zum ersten Mal hat Lecter außer den obligatorischen Stilblüten viel zu nerven, aber wenig zu melden. Dies bestätigt die Entwicklung aus Scotts "Hannibal", wonach sich der Zuschauer fragen muss, ob es einen angestrengt daher brabbelnden Kannibalen unbedingt noch ertragen muss, wenn der Mittelpunkt des Films doch ein anderer ist. Hätte Tally den Mut von kommerziellen Interessen abzuweichen, er hätte Hopkins weniger, gleichwohl punktgenauere Szenen geschrieben.  

6 | 10

Donnerstag, 6. September 2012

"Strange Days" [USA 1995]


Kathryn Bigelows lebhaft pumpende, kernige Millenniumsdystopie, deren darin vegetierende Seelen verlorene sind, die sich und ihre Erinnerung suchen, eine Erinnerung, die nur noch digital an ihr Dasein in Pixeln und Bildinformationen erinnert, in Discs vom Schwarzmarkt, umgeben von Plastik und Gebrauchsspuren. "Strange Days" ergießt sich im Tumult, in Desorganisation, im Sündenpfuhl der Farben, in überkochender Betriebsamkeit und polizeilicher Kriminalität, pulsiert im Rotlicht- und Discomilieu, bevölkert von den selbstmörderischsten Persönlichkeiten in grellem Fummel und noch grellerem Licht, jeder schreit, jeder tanzt, jeder hat seinen Spaß, auf dem Bürgersteig herrscht hingegen die höhere Gewalt einer Diktatur ohne weiße Weste, ohne weißen Ritter. Werbung, Feuer, Schüsse, Exekutionen – und mittendrin ein sentimentaler Loser, zerknautschter Fanatiker und blitzgescheiter Verkäufer (Ralph Fiennes), der jeder Schlägerei aus dem Weg geht, indem er einen Scheck als Alternative auszustellen bereit ist. Auch er sucht die Erinnerung, vor allem aber die Liebe. 

Die wichtigste und sicher interessanteste Ebene im Gesellschaftsentwurf des Drehbuchs (immerhin war ein gewisser James Cameron beteiligt), der implementierte Diskurs um Wahrnehmung und Bewusstsein, äußert sich in Gehirnstromaufzeichnungen, die reale Erlebnisse audiovisuell verarbeiten und per Apparatur an den Empfänger weiterleiten, sodass er nicht nur sehen, sondern auch fühlen kann, was die jeweilige Situation als Ausschnitt aus einem Leben eines Menschen an Emotionen evoziert. Bigelow stellt hierin zwar nicht die intellektuelle Weitsicht eines David Cronenberg unter Beweis, der den Medien in seinen Filmen "Videodrome" und "eXistenZ" mit vergleichbaren Besinnungstechnologien zwischen Körper und Geist auf den Grund ging – dafür nagt diese Facette zu oberflächlich an der Tiefe des Themas und beginnt sich fortwährend selbst aufzugeben, wenn der Film in ein althergebrachtes Thriller-Schema verfällt und sein Zentrum verliert. 

Doch sie bewirkt damit gleichzeitig auch, den Zuschauer direkt zu involvieren: In subjektiven Point-of-View-Shots (Kamera: Matthew F. Leonetti) während einer Flucht oder gar einer Vergewaltigung mutieren wir selbst zum voyeuristischen Beobachter, der nicht eingreifen kann und jene Dinge über sich ergehen lassen muss, die er in der Wirklichkeit als bloße unterschwellige Fantasie deklarieren würde. Überaus unheimlich, ungemein beweglich verdichtet "Strange Days" somit die Handlungsfreiheit mit der Hemmung aller Körperteile, obwohl es lediglich ein simpler Videofilm ist, der etwas zeigt und doch in all seiner abstoßenden Reinheit nachempfindet. 


Ein Videotape, auf dem ein Mord dokumentiert wurde, ist es dann auch, das den Auslöser für eine mal mehr, mal weniger spannende Hetzjagd innerhalb dieser leicht futurisierten Stadt verschiedener Parteien verkörpert. Offenkundig als Noir-Verweis strukturiert, manifestiert sich die Quintessenz der Handlung unter anderem darin, den Mörder zu finden, die Hintermänner auszuschalten und eine fallengelassene Frau von ihrem gegenwärtigen Zustand zu reinigen, eine den Weltschmerz hinausschmetternde Indie-Sängerin (in knappen Kleidern und knallroter Frisur: Juliette Lewis), die gefangen ist in paranoidem Beziehungshorror eines Schleimbeutels an Mann (schmierig-verpeilt: Michael Wincott), dem ein vergangenheitsbesessener Ex-Liebhaber detektivisch auflauert (ebenjener Ralph Fiennes).

"Strange" sind die Tage dank Bigelows inszenatorischem Gestaltungswillen bis zum Millennium tatsächlich, noch mehr allerdings sind es die darin festgetackerten Typen und deren verqueere Verbindungen zueinander. Dass der Protagonist mit einer taffen, gleichermaßen durchschlagskräftigen wie schützenden Afroamerikanerin (Angela Bassett) um die Häuser zieht, um einigen Arschlöchern und Vollidioten in den Arsch zu treten, entbehrt nicht einer gewissen Frische jenes Genres, bei dem der weibliche Partner entweder fragil ins Taschentuch rotzt oder permanent gerettet werden muss. Weiterhin zu entdecken: Tom Sizemore mit langen Haaren beziehungsweise Perücken sowie Vincent D'Onofrio und sein Partner William Fichtner als dem Gesetz unterstehende, psychotische Cops, die in grotesker Brutalität das am Leben erhalten, was sich Ordnung nennt.

Im zweifach aufgeteilten Showdown in unmittelbarer Nähe zur Millenniumsfeier hat indes jede Fraktion aus diesen Persönlichkeiten ihre Probleme zur gleichen Zeit auszutragen; während Lenny (Fiennes) um seine Liebe kämpft und eigentlich der "Gummibärenspur" seines langjährigen Freundes gefolgt ist (ein durchaus vorhersehbarer Mottenkisten-Twist), kämpft Mace (Bassett) gegen den rassistischen Polizeiapparat im Konfetti der gesteigerten Vorfreude auf eine neue Zeitenwende, die – und deshalb ist Kino eh nur Realitätsimitation, weniger nachgezeichnete Realität der Realität – per ausgiebigem Kuss eingeleitet wird, womit das alte, das dunkle Kapitel Anarchie höchstens zur digitalen Vergangenheit auf einem Datenträger schrumpft.

6 | 10