Freitag, 9. September 2011

"Captain America - First Avenger" [USA 2011]


Das macht oft Spaß: Wie Joe Johnston seine nerdige Adaption auf Zelluloid eines kultigen Stars-and-Stripes-Propaganda-Comics mit Retropinseln streicht (darunter die bewusst aufs Schmalzigste heruntergebrochenen Captain-America-Paraden mit zeitgenössischen Schrifteinblendungen) und sich als Resultat ebenso Jungs als Männer und Männer als Jungs fühlen dürfen, insbesondere dann, wenn ein Nazi durch den Flugzeugpropeller gehäckselt wird und eine saubere Linie Blutschwall in der Luft schwebt. Cool! "Captain America – First Avenger" ist irgendetwas von der nicht ganz ernsthaften Version des Zweiten Weltkriegs, in der die Uniform tragenden Nazis von teuflischen Nazis in industriell-mechanischen Schutzpanzern abgelöst werden, "Heil, Hydra!" bei hochgereckten Gesten schreien und mit Laserstrahlen Radau machen, angeführt von einem, natürlich: das wurde beibehalten und referenziert, geisteskranken Führer (Hugo Weaving), dem die Schamesröte ins Gesicht geschrieben steht.

Johnston macht in keiner einzigen Szene einen Hehl daraus, ein charmantes B-Movie auf den Spuren Indys, teutonischer Fantasymythen, Haudraufkloppereien und trashiger Reizüberflutung zusammengezimmert zu haben. Es gilt, sich an die alten Zeiten zurückzuerinnern, wenn die neuen vor lauter Schnickschnack nicht mehr erträglich sind. Das ungeheure (eben propagandistische) Pathos verformt Johnson zur süffisanten Steilvorlage, um es in kitschige Nostalgie zu tränken und von der überdimensional heroisch vorwärtsdrängenden Silvestri-Musik zu untermalen, während die Humorfeuerwerkskörper meist appetitlich unaufdringlich zwischen den Zeilen angezündet werden. So unaufdringlich, dass die Kritik es gar nicht mitbekommen hat (Humorlosigkeit, Frevel!). Ungeachtet aller Lorbeeren spielt Chris Evans (von der knochigen Bohnenstange zur muskelbepackten Bockwurst) in der Hauptrolle dennoch seltsam langweilig, blass; der Superheld mit dem Schild ist eine langweilige, eine blasse Figur, die selten hadert oder von der dunklen Seite bekehrt wird, sie ist geleckt und bleiern.

In der Vergangenheit erweckten jene Comiccharaktere am meisten Interesse, die vor allem mit der Ambivalenz des eigenen Ich zu kämpfen hatten, was Johnston seiner Figur verweigert. Passend dazu, dass die dramatischste Dramatik undramatisch im Sinne von möglichst schnell übergangen wird (zum Beispiel der Tod des besten Freundes), wodurch sich der Superheld keineswegs mit seinem Scheitern auseinandersetzen kann und der Film zugleich tiefere Schichten von sich abblockt (nach dem schulterzuckenden Motto: "kann ich eh nichts machen, weiter geht's"). Er hastet stellenweise wie ein 100-Meter-Läufer über den Parcours hinweg, ohne die Kameralinse auf die Mitläufer zu justieren. Gleiches Schicksal für Hugo Weaving: eine diabolische Rolle, die kaum Profil gewinnt, sondern eher für die genreimmanenten Zwecke verheizt wird. Tommy Lee Jones (zerfurcht, kauzig, toll) und Hayley Atwell (süß, schlagfertig, toll) können da nur bedingt helfen. "Captain America – First Avenger" fehlt es an dem entscheidenden Spritzer Esprit, um sich über die First-Class-Kollegen hinwegzusetzen, de facto dem, ja: Unamerikanischen.

6 | 10