Donnerstag, 14. März 2019

Ein Umzug


Liebe Leserinnen und Leser,

seit März 2008 betreibe ich diesen Blog und bin gleichermaßen erschüttert, mit welcher Standhaftigkeit diese Seite immer noch existiert. Das Schreiben (über Filme) ist längst zu einem elementaren Bestandteil meines Lebens geworden, weswegen ich nie davon losgekommen bin. Einzelne Kategorien wie die wöchentlichen TV-Tipps mögen ihren Rückzug angetreten haben, aber dennoch versuchte ich stets, den Blog - soweit es mir möglich war - am Leben zu halten.

Allerdings habe ich Blogger seit nunmehr 11 Jahren über. Verschleißerscheinungen kündigten sich an. Die Maske, in ich der meine Texte formatierte, gefiel mir zwar in ihrer Einfachheit. Trotzdem lernte ich die (vor allem gestalterisch unkomplizierteren) Vorzüge von Wordpress kennen - und lieben. Spätestens mit dem Beginn eines Gemeinschaftsprojekts mit Freunden wollte ich von Wordpress nicht mehr los und wurde gar leicht melancholisch, wenn ich zurückkehren "musste" zu Blogger. 

Erste Gegenmaßnahmen, die ich daraufhin einleitete (neuer Blogname nebst Zitat, neuer Header, neues Profilfoto), bescherten dem Blog anfänglich ein frischeres Erscheinungsbild. Aber dennoch erschien mir der letzte ultimative Schritt, ein anderes Template aufzuspielen, zu mühselig, um jeden einzelnen Post einzeln durchzugehen - in der Hoffnung, dass die Bilder nicht an Kraft verlieren und die Absatzstruktur eingehalten wurde. Deshalb tut mir gerade eine radikalere Luftveränderung gut.

Der Gedanke, der daraus erwuchs, war, es anderswo zu versuchen. Ein Neuanfang. Wo ich meine Texte vielleicht noch eine Spur ansprechender und ästhetischer präsentieren kann, wo ich mehr Funktionen habe, nach meinen Wünschen eine, sagen wir, "modernere" Oberfläche anzubieten. Wo ich noch einmal von neu auf Texte einspeisen kann, ohne mir Sorgen über die "Leichen" zu machen, die immer noch irgendwo auf diesem Blog vegetieren.

Nichtsdestotrotz bleibt Zehntelsekunden (früher: Blockbuster-Entertainment) als mein erstes filmisches Erinnerungstagebuch bestehen. Viel zu viel Arbeit habe ich darin reingesteckt, als dass ich die Beiträge behalte, aber die Seite lösche. Sie wird, im Gegenteil, einen prominenten Platz in meinem neuen Zuhause zugewiesen bekommen. Damit ich mich an sie erinnere, und sei es auch bloß an die aufsprengende Leidenschaft während einer Schreibblockade.    

Mach's gut! Schlaf' schön. Träum' süß.

Wir sehen uns wieder. Durch einen Klick, durch einen Blick.

Und: Bitte gehen Sie weiter, einfach weiter!

Gehen Sie in Ihren Kopf, kommen Sie zu Kopfkino.

Mittwoch, 13. März 2019

Sehtagebuch | Februar 2019


"Matrjoschka" //5
(USA 2019 | Season 1; Netflix)

"Game of Thrones" //7
(USA 2017 | Season 7; Verleih-Blu-ray)

TV-Folge: "True Detective" - 3x04 | "Der Tag und die Stunde"
(USA 2019 | Nic Pizzolatto; Sky)

TV-Folge: "True Detective" - 3x05 | "Wenn du Geister hast"
(USA 2019 | Nic Pizzolatto; Sky)

TV-Folge: "True Detective" - 3x06 | "Jäger in der Dunkelheit"
(USA 2019 | Daniel Sackheim; Sky)

TV-Folge: "True Detective" - 3x07 | "Das letzte Land"
(USA 2019 | Daniel Sackheim; Sky)

TV-Folge: "Star Trek: Discovery" - 2x03 | "Lichtpunkt"
(USA 2019 | Olatunde Osunsanmi; Netflix)

TV-Folge: "Star Trek: Discovery" - 2x04 | "Der Charonspfennig"
(USA 2019 | Lee Rose; Netflix)

TV-Folge: "Star Trek: Discovery" - 2x05 | "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
(USA 2019 | David M. Barrett; Netflix)

TV-Folge: "Star Trek: Discovery" - 2x06 | "Donnergrollen"
(USA 2019 | Douglas Aarniokoski; Netflix)

Kurzfilm: "Mord" //6
(PL 1957 | Roman Polanski; Blu-ray)

Kurzfilm: "Abbruch des Tanzes" //6
(PL 1957 | Roman Polanski; Blu-ray)

Kurzfilm: "Zahnpastalächeln" //6
(PL 1957 | Roman Polanski; Blu-ray)

Kurzfilm: "Zwei Männer und ein Schrank" //6.5
(PL 1958 | Roman Polanski; Blu-ray)

Kurzfilm: "Die Lampe" //6
(PL 1959 | Roman Polanski; Blu-ray)

Kurzfilm: "Wenn Engel fallen" //7.5
(PL 1959 | Roman Polanski; Blu-ray)

Kurzfilm: "Säugetiere" //5
(PL 1962 | Roman Polanski; Blu-ray)

"Das Messer im Wasser" //7
(PL 1962 | Roman Polanski; Blu-ray)

Kurzfilm: "The Cameraman's Revenge" //4
(RUS 1912 | Władysław Starewicz; YouTube)

Kurzfilm: "The Crimson Permanent Assurance" //6
(GB 1983 | Terry Gilliam; Dailymotion)

Kurzfilm: "Lick the Star" //5
(USA 1998 | Sofia Coppola; YouTube)

Kurzfilm: "Simpan" //4
(KOR 1999 | Chan-wook Park; YouTube)

Kurzfilm: "Wasp" //6.5
(GB 2003 | Andrea Arnold; YouTube)

Kurzfilm: "Six Shooter" //6
(GB, IRL 2004 | Martin McDonagh; YouTube)

Kurzfilm: "Cigarettes and Coffee" //6
(RUM 2004 | Cristi Puiu; YouTube)

Kurzfilm: "Monster" //6
(AUS 2005 | Jennifer Kent; Vimeo)

Kurzfilm: "Plastic Bag" //7
(USA 2009 | Ramin Bahrani; YouTube)

Kurzfilm: "The House That Drips Blood on Alex" //5
(USA 2012 | Brock LaBorde, Jared Richard; Vimeo)

Kurzfilm: "The Nest" //4
(CDN 2013 | David Cronenberg; Dailymotion)

Dokumentation: "Jodorowskys Dune" //7
(F, USA 2013 | Frank Pavich; Arte-Mediathek)

Dokumentation: "Christo - Walking on Water" //7
(I, USA 2018 | Andrey M. Paounov; Kino)

Dokumentation: "Tokyo-Ga" //6
(USA 1985 | Wim Wenders; MUBI)

"Unsane" //6
(USA 2018 | Steven Soderbergh; Prime Video)

"High Flying Bird" //6
(USA 2019 | Steven Soderbergh; Netflix)

"Lisbon Story" //5
(D, POR 1994 | Wim Wenders; MUBI)

"Satan in High Heels" //5
(USA 1962 | Jerald Intrator; MUBI)

"Wrong Cops" //6
(F, RUS, USA, B, ANG, POR 2013 | Quentin Dupieux; Vimeo)

"Sully" //6
(USA 2016 | Clint Eastwood; Netflix)

"So Help Me God" //5
(F, B 2017 | Yves Hinant, Jean Libon; MUBI)

"Lucky" //6.5
(USA 2017 | John Carroll Lynch; TV)

"Nach dem Urteil" //5
(F 2017 | Xavier Legrand; Prime Video)

"Hotel Artemis" //5
(USA, GB 2018 | Drew Pearce; Prime Video)

"Mid90s" //7
(USA 2018 | Jonah Hill; Kino)

"Destroyer" //5.5
(USA 2018 | Karyn Kusama; Kino)

"Border" //4
(S, DK 2018 | Ali Abbasi; Kino)

"Polar" //4
(USA, D 2019 | Jonas Åkerlund; Netflix)

"Die Kunst des toten Mannes" //3
(USA 2019 | Dan Gilroy; Netflix)

"Captive State" //3
(USA 2019 | Rupert Wyatt; Kino)

Montag, 11. März 2019

"Die Berufung - Ihr Kampf für Gerechtigkeit" / "On the Basis of Sex" [USA 2018]


Wer sich dem den Oberflächenrand überwindenden Diskurs um geschlechtliche Gleichberechtigung, juristische Gleichbehandlung und Gender nähern möchte, wird in Felicity Jones ein Gesicht finden. Zunächst leicht überfordert, später sichtlich entflammter spielt Jones die Frauenrechtlerin Ruther Bader Ginsburg. Mimi Leder sieht ihr genauestens zu, wie sie – ringend um akademische Anerkennung – von Männern Schulter an Schulter zerrieben wird. Ein archaisches Symbolbild, das seine Gegenentsprechung finden wird. "Die Berufung" verklebt ein amerikanisch-aktivistisches Hochgefühl zwischen Frau und Freiheit, dem Pathos revolutionären Umtriebs ergibt sich dieser Film wie selbstverständlich. Das konservative Biopic schlechthin vermag Leder aber nicht aufzubrechen – einige Entwicklungen geraten in ihren weihevollen Wendungen ("Gender!") hinreichend künstlich wie schlicht überzuckert. Einen großen Makel trägt "Die Berufung" allerdings nicht davon: Für zwei Stunden erneuert sich das Kino als zupackender Protest, als Systemanalyse, die mit den weniger Privilegierten mitleidet, Hals über Kopf für sie argumentiert sowie sich durchzusetzen imstande ist. Und, klammheimlich, verändern sich die Rollen, die Rolle der Frau, die Rolle des Mannes – Arnie Hammer steht am Herd, ist beiläufig ein Hausmann, der seiner Frau das Haupteinkommen anvertraut. Mimi Leder denkt weibliche wie männliche Stereotypisierungen zusammen. Es führt kein Weg daran vorbei, sich in der (geschlechtsunabhängigen) Anerkennung des anderen als Subjekt seiner Selbstwerdung begreifen zu lernen.

Sonntag, 10. März 2019

"Captain Marvel" [USA 2019]


Sie stürzt ab, landet unsanft in einer Videothek, verwüstet Video Buster. Doch Captain Marvel (ungezwungen und freiheraus: Brie Larson) rappelt sich wieder auf – und betrachtet ungläubig eine analoge Vergangenheit. Videokassetten und Actionfilme, Arnie neben Sean Connery. Ist diese Szene gewollt sinnbildlich oder ein unbedarfter Gag? Sie berührt immerhin das Gegenwartsklima: Die Zeiten des Helden aus Fleisch, Blut und Greifbarkeit sind vorbei, zerschossen. Die Ikone hat sich überlebt. Die Zeiten des Memes brachen an. Ihre Zeiten (schneller Downloads). Aber ein bisschen Hals-über-Kopf-Abenteuer ist geblieben. Die inszenatorische Ausgewogenheit von Anna Boden und Ryan Fleck verwandelt "Captain Marvel" zu einem lockeren Dinner, am Tisch: Samuel L. Jackson (in jung), Ben Mendelsohn (süffisant) und eine Katze (süß). Eine Katze! Das flotte, aber keineswegs zu gehetzte Tempo löst in "Captain Marvel" langgehegte Wünsche ein – die gewöhnlichen Kinderkrankheiten des Franchise (Wertetheatralik, hypochondrische Schnitte, blasse Bösewichte) kompensieren Boden und Fleck (größtenteils) mit einem rustikalen Retrocharme, der nicht abgeklärt wirkt, sondern sich zwischen den anstrengend dramatisierten Eventhappenings der Avengers postiert. Ein Appetitanreger. Als solcher dreht "Captain Marvel" das Marvel-Karussell weiter – ausgerechnet im Rahmen eines weiblichen Blockbuster-Experimentierfeldes, das seine emanzipatorische Prämisse allerdings nicht zum antiemanzipatorischen Abschuss freigibt. Den Männern geht es ohne ihr Einschreiten tatsächlich (ironisch) an den Kragen.

Mittwoch, 6. März 2019

"Mid90s" [USA 2018]


Kein Vergangenheitskitsch, keine Nostalgie, keine Rührseligkeit. Die 90er vibrieren, schreiben sich in das Holzstück ein, das zur Schau gestellt wird. Aber sie erzittern, wuchern, wummern nicht. Turtles-Bettwäsche, Wu-Tang-Clan-Poster, Discman, Skateboards. Viele Schuhe, No-Name-Shirts. Wasserbehälter. Nichts in "Mid90s" will sich aufdrängen, vieles bereichert schlicht den sozialen Identitätsraum hinter den Figuren, in dem sie sich bewegen und interagieren. Die Verklärung gegenüber den bestenfalls kultigen, schlimmstenfalls egozentrischen Zeiten der Adoleszenz, wie sie sich gegen die Ordnung und Ordnungen auflehnt, findet der Zuschauer in anderen Filmen vor. "Mid90s" handelt nicht über Kultur, Kunst, über eine Epoche im Allgemeinen, über ihre Auswirkungen im Gefüge, sondern über eine Generation, die nie aufhörte, überhaupt eine zu sein. Fans von "Kids" (1995), "Boyhood" (2014), "American Honey" (2016) und "The Florida Project" (2017) werden die Signale zu deuten wissen, die, ausgehend von diesen Filmen, zugleich auf das Regiedebüt Jonah Hills überschwappen: Signale durchfließender Findung.

Dieser einladenden, leichtfüßigen Unbeständigkeit wird nicht der geringste Einhalt geboten. "Mid90s" kommt ohne ein Ziel aus. Hill erzählt elliptisch ein Teilstück verweilenden Lebens, indem er das Ende als Anfang begreift. Fest zusammengehalten wird der Film von fünf Kindern, die sich als "Homies" verstehen lernen. Die überschaubare Lauflänge gebietet es, dass alle fünf höchstens mit ein, zwei Sätzen direkt verstehbar werden, wohingegen sie meistens indirekt über ihre Leidenschaften und Obsessionen sich mitteilen – über ihr Tun, über ihre Großspurigkeit, über ihre Nähe zueinander. Ray (Na-kel Smith), angehender Profi-Skater und emphatischer Letztbegründer, stellt sie uns vor: Fuckshit (Olan Prenatt), blonde Mähne, schlecht im Bett, unnachahmlich im Dauerpartymodus, hinzu kommen Fourth Grade (Ryder McLaughlin), bauernschlau und arm, aber mit bewundernswürdigem Auge, sowie Ruben (Gio Galicia), der, statt die Wohnungstür zu öffnen, an ihr lieber abbiegt. Die Konflikte – Eifersüchteleien und Enttäuschungen sowie häusliches Missbehagen – banalisiert Hill zugunsten von Stimmungsbildern.


Dialoge um Hautfarben leiten daher keine Agenda ein, sie sind Material für Albernheiten. Selbst als der "Neue" (Sunny Suljic) eine Möglichkeit findet, die Gruppe zu erweitern, wurzelt der Zusammenhalt dieser Gemeinschaft auf entpolitisierten Werten, die nicht einmal aufgeschrieben, kodifiziert, diskutiert zu werden brauchen: Ein "Danke" ist angemessen, nicht schwul. Jonah Hill filmt den Zirkus dieser Jungs, ohne normative Setzungen vorzunehmen, ohne ihr Verhalten weder zu entschuldigen noch zu verurteilen. Damit ist er Fourth Grade nahe (McLaughlin). Später als Regisseur tätig zu sein, ist der Traum dieses schüchternen, pickeligen Künstlers, der nicht nur in seinem eingekapselten Habitus interessant(er) wirkt, als auch in dem Paradoxon, eines Tages zu dirigieren, obgleich dafür vor allem überzeugende Worte notwendig sein werden. An Stelle der Selbstvermarktung, etwas darzustellen, nimmt Fourth Grade im Hintergrund die Unwichtigkeiten im Vordergrund auf, schwenkt die Kamera neugierig und hält sie wissbegierig – egal, was vor seine Linse gerät. "Mid90s" dokumentiert mithin die Gehversuche von Bildern bewusster Herstellung von Verantwortung.

Körnige Texturen, ausgewaschene Farben und Bilder im 4:3-Format sind geeigneterweise die formalästhetischen Insignien Jonah Hills, dem, wenn man will, erwachsen gewordenen Fourth Grade, der mit "Mid90s" trotzdem keinen verwackelten Amateurfilm abliefert – zu professionell kontrolliert er sein Handwerk. Eine Sensation für sich ist ohnehin der Clou, Sunny Suljic entdeckt zu haben. Von seinem großen Bruder Ian (Lucas Hedges) tyrannisiert, der literweise O-Saft in sich reinwürgt, muss "Sunburn" Stevie (Suljic) ungemein ausdauernd einstecken, ehe er unersetzlicher für jenen Kreis wird, dem er durch einen passiven Initiationsritus angehört. Auch wenn das Drehbuch, zum Schluss hin, einige Verrenkungen in Kauf nimmt, "Entwicklungen" auszukosten, die das Drama gezielt befeuern, öffnet sich der Bedeutungsschatz rund um die Skaterszene (einer popkulturell erst im Anmarsch sich befindlichen Gegenwartsgesellschaft) schlussendlich einer klirrenden, aufrüttelnd emotionalen Schönheit, für die jedes Wort viel zu viel wäre und die am liebsten im Schlaf, im Traum, im Warten, im Wartezimmer vollständig wird. Die Zeit ist unumkehrbar, aber nie tot.

Montag, 25. Februar 2019

Sehtagebuch | Januar 2019


"Sharp Objects" //8
(USA 2018 | Jean-Marc Vallée; Prime Video)

"The Romanoffs" //5
(USA 2018 | Matthew Weiner; Prime Video)

"Murder Mountain" //5
(USA 2019 | Joshua Zeman; Netflix)

"Ted Bundy: Selbstporträt eines Serienmörders" //6
(USA 2019 | Joe Berlinger; Netflix)

TV-Folge: "True Detective" - 3x01 | "Der große Krieg und die moderne Erinnerung"
(USA 2019 | Jeremy Saulnier; Sky)

TV-Folge: "True Detective" - 3x02 | "Den Morgen wirst du nicht erleben"
(USA 2019 | Jeremy Saulnier; Sky)

TV-Folge: "True Detective" - 3x03 | "Das große Nie"
(USA 2019 | Daniel Sackheim; Sky)

TV-Folge: "Star Trek: Discovery" - 2x01 | "Bruder"
(USA 2019 | Alex Kurtzman; Netflix)

TV-Folge: "Star Trek: Discovery" - 2x02 | "New Eden"
(USA 2019 | Jonathan Frakes; Netflix)

Kurzfilm: "Brutalität in Stein" //6
(BRD 1961 | Alexander Kluge, Peter Schamoni; YouTube)

Kurzfilm: "C'était un rendez-vous" //6
(F 1976 | Claude Lelouch; YouTube)

Kurzfilm: "True" //7
(F, D, LIE 2004 | Tom Tykwer; YouTube)

Dokumentation: "Kubrick, Nixon und der Mann im Mond" //5
(F 2002 | William Karel; Arte-Mediathek)

"Vorname Carmen" //6
(F 1983 | Jean-Luc Godard; Prime Video)

"Detektive" //5
(F, CH 1985 | Jean-Luc Godard; Prime Video)

"Adieu au langage" //6
(CH, F 2014 | Jean-Luc Godard; Prime Video)

"Unbreakable" //6
(USA 2000 | M. Night Shyamalan; Prime Video)

"Split" //4
(USA 2016 | M. Night Shyamalan; Prime Video)

"Glass" //4
(USA 2019 | M. Night Shyamalan; Kino)

"Sie küssten und sie schlugen ihn" //7
(F 1959 | François Truffaut; Prime Video)

"Jules und Jim" //7
(F 1962 | François Truffaut)

"Wir sind keine Engel" //7
(USA 1955 | Michael Curtiz; Dailymotion)

"Chained Girls" //6
(USA 1965 | Joseph P. Mawra; MUBI)

"Klauen wir gleich die ganze Bank" //5
(USA 1983 | Gower Champion; Prime Video)

"Komm und sieh" //7
(UdSSR 1985 | Elem Germanowitsch Klimow; DVD)

"Manchmal kommen sie wieder" //4
(USA 1991 | Tom McLoughlin; Prime Video)

"Shoplifters" //6.5
(J 2018 | Hirokazu Koreeda; Kino)

"In den Gängen" //6
(D 2018 | Thomas Stuber; Prime Video)

"The Night Comes for Us" //6
(IND, USA 2018 | Timo Tjahjanto; Netflix)

"Die Berufung" //6.5
(USA 2018 | Mimi Leder; Kino)

"Keep an Eye Out" //6
(F 2018 | Quentin Dupieux; MUBI)

"Pity" //4
(GR, PL 2018 | Babis Makridis; MUBI)

"High Life" //6
(D, F, GB 2018 | Claire Denis; Presse-Screener)

"Vice" //4
(USA 2018 | Adam McKay; Kino)

"The Favourite" //6
(GB, IRL, USA 2018 | Giorgos Lanthimo; Kino)

Donnerstag, 21. Februar 2019

"Vice - Der zweite Mann" / "Vice" [USA 2018]


Adam McKay dürfte die Glaubwürdigkeit einer ehrlichen Socke haben. Rundheraus gibt er zu, dass sein Biopic "Vice" anerkannten Begebenheiten aus der biografischen Mediensammlung Dick Cheneys entspreche, um gleichzeitig die (verräterisch sarkastische) Fußnote anzufügen, dass nach bestem Wissen und Gewissen die Begebenheit auf der Freischöpfung kohärenter Dichtung gründe. Wie auch sonst? Denn McKay wählte einen verschwiegenen Politiker, der seine Rolle im Hintergrund hinreichend effektiv zu bespielen wusste, damit er sich nicht in die erste Reihe setzen musste. Aber Christian Bale zwingt keinen verschwiegenen Politiker zu seiner Auferstehung, so wie Christian Bale überhaupt keinen (körperlich) verschwiegenen Menschen jemals zu seiner Auferstehung zwang. Tatsächlich ist "Dick" Opfer seiner eigenen (ungewollten) Attitüde: ein Mann, über den der Schulhof lachte – und nicht nur wegen seines albernen Namens. 

Machte McKay einst die Finanzbranche transparent ("The Big Short", 2015), indem er sich auf ihr Karussellvokabular einließ, karikiert McKay in "Vice" die Körperlichkeit Cheneys. Eine Riesenplauze hat er sich durch süßes Gebäck angefressen, er telefoniert, während er (s)ein Messer kampfbereit hält, und soff sich in jungen Jahren die Kotze aus dem Magen. Von halbgöttlicher Dummheit gesegnet scheint jener Dick Cheney. Und Christian Bale leiht ihm ein aufgeweichtes Marshmallow-Antlitz aus Diskretion und Morbidität. Wie hat es dieser Mann bloß zum Vizepräsidenten geschafft? "Vice" erhellt die Verständnislücken kaum. Das kann als Stärke gesehen werden – immer, wenn uns Dick Cheney, zum Beispiel beim familiären Angeln, die Hand reicht, entzieht er sie uns sogleich. Aber vor allem geriert sich Adam McKay als vermeintlich aufgeklärter Liberaler, der sich dem Angler Dick Cheney nicht nähern will, sondern einem Dämon, der mit dem Teufel im Bunde ist.

Wenn eine Satire lediglich Verkaufsargumente und Vorverurteilungen bestätigt, dann hat McKay nicht verstanden, dass "Vice" höchstens ansatzweise eine (kluge) Satire ist. Im Biergarten wäre dieser Film besser aufgehoben – die permanenten anekdotischen Erzählspurwechsel, ein vorzeitiges Happy End sowie die performative Rückversicherung, als Regisseur selbst dem Vorwurf einseitiger Berichterstattung den Wind aus den Segeln zu nehmen, lancieren ein sich als politisch affin erklärendes Publikum, das der großen Schlagzeile unhinterfragt vertraut. Und die große Schlagzeile poppt in "Vice" omnipräsent auf: Cheney, der Verantwortliche. Das McKay-Archiv unter Verschluss gehaltener Operationen ist schier unüberschaubar. Auf Dick Cheney geht Irak, Afghanistan, Folter, Guantanamo und Abu Ghraib zurück, Dick Cheney war es, der auf Beutezug ging, Cheney war es, der die Administration der Macht in autonomer Eigenregie missbrauchte.


Dass jede Macht einen Charakter und einen Raum braucht, in dessen strukturellem Nährboden sie heranwächst, übergeht Adam McKay geflissentlich. Vielmehr simplifiziert er einen Entscheidungsträger auf jene Entscheidungen, die im letzten Akt des Handlungsvollzugs längst feststehen. Entlarvend will "Vice" sein, spult jedoch durchweg moralinsaure Ressentiments ab. Dazu passt, dass Cheneys Umfeld mit karikaturesker Stimme platte Wahlkampfsounds echot: Donald Rumsfeld (Steve Carell) will es, das frenetische "Ja!", das seine Laufbahn legitimiert, wohingegen Cheneys Ehefrau Lynne (Amy Adams) ihren eigenen apodiktischen Krieg führt, für den zunehmend kein Platz mehr bereitgestellt wird. Der Blickwinkel ist eng, auf den sich McKay konzentriert – allein, ihm sind die Menschen fremd. Der Vorschlaghammer, dessen sich der Regisseur bedient, zerbröselt die Charakteristik einer reflektierten Satire, dort anzusetzen, wo wenig Gegenliebe herrscht.

Ansätze dafür existieren durchaus. Die originellste Idee des Films ist es, dass die Speisekarte beim Dinner republikanisch konsequent eine Umformulierung erfährt. Für einen kurzen Augenblick überholt McKays Zynismus die Wirklichkeit – und deutet eine Wirklichkeit an, in der die Welt insoweit ideologisch verwaltet ist, dass sie in die kleinsten Ritzen alltäglicher Gebräuche eindringt. Mag auch Colin Powell (Tyler Perry) in seiner Rolle zu eindimensional geschrieben sein, liefert er sich mit Rumsfeld (Carell) einen weiteren hochinteressanten Schlagabtausch: Gegen die Einwände Powells, in den Irak einzumarschieren, hat Rumsfeld müde, gellende Kinderlaute übrig. Auf den Punkt hin inszeniert, ist die Vernunft gegen postfaktische Abschottungsdeklamationen wirkungslos. Zu Dick Cheney fällt Adam McKay dagegen gar nichts ein. Er verharrt regungslos, als ihm seine Tochter (Alison Pill) gesteht, sie sei lesbisch. Er ist kein Shakespeare. Aber sein Lehrer ein Michael Moore.

Samstag, 16. Februar 2019

Die imposanten 7: Bücher und Geschichten 2018


Platz 7

ALTE MEISTER
(1985, Thomas Bernhard)

Platz 6

DER ZAUBERBERG
(1924, Thomas Mann)

Platz 5

KINDERGESCHICHTE
(1981, Peter Handke)

Platz 4

WARTEN AUF GODOT
("En attendant Godot"/1952, Samuel Beckett)

Platz 3

SCHÖNE NEUE WELT
("Brave New World"/1932, Aldous Huxley)

Platz 2

DIE VERSIEGELTE ZEIT
("Sapetschatljonnoje Wremja"/1984, Andrej Tarkowskij)

Platz 1

DOSSIER K.
("K. dosszié"/2006, Imre Kertész)

Donnerstag, 14. Februar 2019

Ein Abend mit Steven Soderbergh


UNSANE - AUSGELIEFERT
(USA 2018)

Sawyer Valentini (Claire Foy) hat alles unter Kontrolle und geht in ihrer Arbeit auf. So sehr, dass sie ihr Mittagessen – einen Salat – in den Mülleimer schleudert, ehe sie es verzehrt hat. Doch jemand beobachtet sie, spürt ihr unentwegt nach, zwischen den Blättern. Auf Gedeih und Verderb misstraut ihr der Kamerasucher des iPhones, konzentriert gehalten von Peter Andrews (aka Steven Soderbergh). Es sollte eine bloße therapeutische Anfrage sein – aber Claire wird für eine Woche in eine Klinik für Verhaltenstherapie eingewiesen. Die Artifizialität digital überreinigter Bilder, die Soderbergh über den Einsatz des iPhones herstellt, ist daraufhin paradigmatisch für ein irrrealistisches Sozialexperiment, in dem die Wände noch ein bisschen kahler, noch ein bisschen abweisender sterben. Getreu dem, was "Unsane" in der Vita des Filmemachers darstellt, inszeniert Soderbergh geduldig eine Fingerübung zwischen dem spätmodernen, pharmaindustriell verwalteten Selbst ("Side Effects", 2013) und rotzigem Genrekino ("Haywire", 2011). Der Stalker (Joshua Leonard) währenddessen, um den Soderbergh einen Besessenheitsfetisch bastelt, der sich unaufhörlich verdichtet, ist ein für das sonst fassadengeschniegelte Kino Steven Soderberghs geradewegs untypisch präsenter, betastbarer Charakter, der das Gefühlsinventar des Zuschauers wechselseitig herausfordert. Und mit ihm das System, das er zu nutzen weiß. Der Film lässt nirgends Zweifel an seiner kritischen, antiprofitbringenden Überzeugungsarbeit. "Fortsetzung folgt."


HIGH FLYING BIRD
(USA 2019)

Wieder das System, die Zusammenhänge, die niemand durchschaut. Business Englisch, NBA-Fachsprache: "Lockout", "Rookies". Nur mit Hilfe eines erfahrenen Spielerberaters (André Holland) findet sich der "Neue" (Melvin Gregg) unter Hyänen zurecht. Steven Soderberghs Sportlerfilm "High Flying Bird", abermals mit einem iPhone gedreht, untermauert, dass dieser Hollywood-Kauz im Leben kein Meisterwerk mehr schaffen wird – denn selbst seine größten Filme sind von einer fremdartig nebulösen Kleinteiligkeit. So auch dieser, in dem die geräumigsten Büros das ausschweifendste Panorama gewähren, nah an den Wolken, an der Macht Gottes. Dieser blickt herunter. Menschen versklaven Menschen nach wie vor, weiße Menschen schwarze Menschen, der Hass erblüht auf Twitter, das Showmatch erzielt Klickrekorde, in der Sauna wird verhandelt. Aber: Wer spricht eigentlich für wen aus welchem Grund? Soderbergh hingegen macht nicht den Fehler, uns die sich verselbstständigenden Geschäftsströme zu erklären, die abseits der Halle, des Trainings, ja aufgedunsener Kerleromantik (Bill Duke) wabern. Unerklärlich ist "High Flying Bird", bleibt "High Flying Bird". Ein Genuss ist es vielmehr, wenn Soderbergh das Fließen nicht behindert – dann sehen wir André Holland beim Gehen. Er passiert Straßenkreuzungen, trifft sich, setzt sich und geht. Die einstige anarchische Körperlichkeit aus "An jedem verdammten Sonntag" (1999) hat sich überlebt. Das "Spiel im Spiel" ist entkörperlicht, miniaturisiert, entpersonalisiert.

Freitag, 8. Februar 2019

"Die Kunst des toten Mannes" / "Velvet Buzzsaw" [USA 2019]


In den Stephen-King-Tümpel springen, Schlick rausschaufeln, etwas finden – vielleicht "Das Bild" (1995)? Oder "Der Straßenvirus zieht nach Norden" (aus der 2002 veröffentlichten Kurzgeschichtensammlung "Im Kabinett des Todes")? King hatte sichtbaren Spaß an Bildern, die sich zum Guten wie zum Bösen bekennen, lebendig werden und ihre Opfer heimsuchen. Flohmarktstoff eben. Doch der Großmeister erodierender Bindungen, die inmitten des familiären Alltagstrotts grassieren, wusste um die Spannung der Auflösung von Normalität. Er schrieb keine selbstherrliche Kunst, sondern ließ seine Leser eine Erfahrung durchleiden. Selbstherrliche Kunst ist dafür zuhauf zu finden in "Die Kunst des toten Mannes". Und jede Menge Bilder, auf denen ein Fluch lastet. Dan Gilroy ist kein Stephen King – sein Film proklamiert die Verständnislosigkeit gegenüber einer Geschichte, die bei King in der Schublade (wohl für immer unvollendet) gelegen hätte. 

Der genialische, zeitlebens unentdeckte Künstler, um den Gilroy seichte Horrorvignetten verklammert, weist eine psychotische Vergangenheit auf, entstammt einem Elternhaus, in dem er vernachlässigt wurde, und taucht für mehrere Jahrzehnte ab, um seine Depressionen zu Stillleben des Wahnsinns zu vermalen. Welches altbackene Seemannsgarn der Regisseur Dan Gilroy spinnt, spottet jeder Beschreibung. Das von seinem Kunstkritiker Morf Vandewalt (Jake Gyllenhaal) geforderte Originalitätsparadigma löst "Die Kunst des toten Mannes" jedenfalls zu keiner Zeit ein. Im Gegenteil: Erschreckend gestrig, für ein Publikum verbaut, aus dessen Mund das Popcorn bei angetragener Lautstärke wasserfallartig rieselt, verfolgen die Bilder ihre Opfer bis zu einer stillgelegten, irrationalen Tankstelle und tröpfeln aus Spiegeln, vergelten Maschinenmenschen ungerechte Kritik und schwitzen Leinwände Blut. Nichts davon will satirisch zünden oder gruseln.


Die Entwürdigungen echten Horrors sind es nicht allein, die einen entwürdigenden Film hinterlassen. Gilroy inszeniert einen Film über Kunst. In der Hochburg der postmodern unverstandenen Kunst Miami beleuchtet er die Kunstszene ausnahmslos zynisch – hier ein Gespräch, das mit Champagner brüsk abgewehrt wird, dort eine Verkettung sterilen Smalltalks. Was Gilroy darüber zu sagen hat, ist genauso einfallslos wie kunstfeindlich. Kunst ist Kommerz ist ein Geschäft ist Oberfläche. Kunst ist gefährlich. Und irgendwie sind Künstler entweder versoffene, desillusionierte Arschlöcher, die sich ihren Denkraum in einem Basketball-Atelier eingerichtet haben (John Malkovich), oder sozialvernetzte, auf dem Belag der Straße beheimatete Randexistenzen (Daveed Diggs). Manch' einer mag das als ironischen Gegenwartskommentar zu einer marktkonformen Kunstindustrie auffassen, die sich in Hochmut verkleidet und in Würdelosigkeit gefällt. 

Ideenreich ist das trotzdem nicht. Überall die Persiflage: Jake Gyllenhaal persifliert den Kunstkritiker, von dem die Welt abhängt. Er spielt ihn latent bisexuell, erregend, fahrig, mit modischer Hornbrille. Rene Russo persifliert die Branchenkennerin, biestig, steinig. Und Natalia Dyer die junge Aushilfskraft, schüchtern, schreiend. Entvölkert ist dieser Film, hohl und von der Beflissenheit eines schief hängenden Bilderrahmens. In wenigstens zwei Szenen gelingt es Gilroy, seine Munition abzufeuern: Eine blutige, einarmige Leiche wird Teil einer Installation, die von roten Schuhabdrücken orchestriert wird, und schließlich verlaufen die Farben über das Kunstwerk hinaus, erfassen die Beine, die Arme, die Hände, die Finger, den Kopf und die Augen. "Wir müssen uns selbst als ein Kunstwerk schaffen", etikettierte Michel Foucault den anbrechenden Zeitaltern ausfransender ästhetischer Urteile. Ästhetisch geschmacklose Filme wie "Die Kunst des toten Mannes" hat er damit nicht gemeint.