Donnerstag, 14. Februar 2019

Ein Abend mit Steven Soderbergh


UNSANE - AUSGELIEFERT
(USA 2018)

Sawyer Valentini (Claire Foy) hat alles unter Kontrolle und geht in ihrer Arbeit auf. So sehr, dass sie ihr Mittagessen – einen Salat – in den Mülleimer schleudert, ehe sie es verzehrt hat. Doch jemand beobachtet sie, spürt ihr unentwegt nach, zwischen den Blättern. Auf Gedeih und Verderb misstraut ihr der Kamerasucher des iPhones, konzentriert gehalten von Peter Andrews (aka Steven Soderbergh). Es sollte eine bloße therapeutische Anfrage sein – aber Claire wird für eine Woche in eine Klinik für Verhaltenstherapie eingewiesen. Die Artifizialität digital überreinigter Bilder, die Soderbergh über den Einsatz des iPhones herstellt, ist daraufhin paradigmatisch für ein irrrealistisches Sozialexperiment, in dem die Wände noch ein bisschen kahler, noch ein bisschen abweisender sterben. Getreu dem, was "Unsane" in der Vita des Filmemachers darstellt, inszeniert Soderbergh geduldig eine Fingerübung zwischen dem spätmodernen, pharmaindustriell verwalteten Selbst ("Side Effects", 2013) und rotzigem Genrekino ("Haywire", 2011). Der Stalker (Joshua Leonard) währenddessen, um den Soderbergh einen Besessenheitsfetisch bastelt, der sich unaufhörlich verdichtet, ist ein für das sonst fassadengeschniegelte Kino Steven Soderberghs geradewegs untypisch präsenter, betastbarer Charakter, der das Gefühlsinventar des Zuschauers wechselseitig herausfordert. Und mit ihm das System, das er zu nutzen weiß. Der Film lässt nirgends Zweifel an seiner kritischen, antiprofitbringenden Überzeugungsarbeit. "Fortsetzung folgt."


HIGH FLYING BIRD
(USA 2019)

Wieder das System, die Zusammenhänge, die niemand durchschaut. Business Englisch, NBA-Fachsprache: "Lockout", "Rookies". Nur mit Hilfe eines erfahrenen Spielerberaters (André Holland) findet sich der "Neue" (Melvin Gregg) unter Hyänen zurecht. Steven Soderberghs Sportlerfilm "High Flying Bird", abermals mit einem iPhone gedreht, untermauert, dass dieser Hollywood-Kauz im Leben kein Meisterwerk mehr schaffen wird – denn selbst seine größten Filme sind von einer fremdartig nebulösen Kleinteiligkeit. So auch dieser, in dem die geräumigsten Büros das ausschweifendste Panorama gewähren, nah an den Wolken, an der Macht Gottes. Dieser blickt herunter. Menschen versklaven Menschen nach wie vor, weiße Menschen schwarze Menschen, der Hass erblüht auf Twitter, das Showmatch erzielt Klickrekorde, in der Sauna wird verhandelt. Aber: Wer spricht eigentlich für wen aus welchem Grund? Soderbergh hingegen macht nicht den Fehler, uns die sich verselbstständigenden Geschäftsströme zu erklären, die abseits der Halle, des Trainings, ja aufgedunsener Kerleromantik (Bill Duke) wabern. Unerklärlich ist "High Flying Bird", bleibt "High Flying Bird". Ein Genuss ist es vielmehr, wenn Soderbergh das Fließen nicht behindert – dann sehen wir André Holland beim Gehen. Er passiert Straßenkreuzungen, trifft sich, setzt sich und geht. Die einstige anarchische Körperlichkeit aus "An jedem verdammten Sonntag" (1999) hat sich überlebt. Das "Spiel im Spiel" ist entkörperlicht, miniaturisiert, entpersonalisiert.