Freitag, 14. Mai 2010

"True Romance" [USA 1993]


Story

Wie jedes Jahr verbringt Clarence seinen Geburtstag im Kino. Als er ausgerechnet dort die wunderschöne Alabama kennenlernt, scheint sein Glück perfekt. Er verliebt sich in Alabama. Doch die Traumfrau entpuppt sich als Callgirl, die ihm gegen Bezahlung den Ehrentag versüßen soll. Das hindert die beiden Liebenden aber nicht daran, nach einer stürmischen Nacht die Hochzeitsglocken läuten zu lassen. Als Clarence den früheren Zuhälter seiner Anvertrauten im Affekt tötet und mit einem Koffer voller Kokain im Wert von 500.000 Dollar zu Alabama zurückkehrt, machen sich die beiden aus Detroit auf den Weg nach Los Angeles. Dort will Clarence das Rauschgift mithilfe eines Freundes verkaufen. Doch die eigentlichen "Eigentümer" des Kokains sind ihnen schon auf den Fersen. Die Cops ebenso...

Kritik

Ohne ihn hätte es "Pulp Fiction" wahrscheinlich nie gegeben: "True Romance". Zwischen "Reservoir Dogs - Wilde Hunde" und eben jenem "Pulp Fiction" entstanden, setzte Tony Scott Anfang der 90er eine in ihrem Tenor durchweg schräge Figurenkonstellation um, welche das Fundament für eine überaus skurrile Romanze bildet, die sich nahtlos zwischen denen von "Bonnie und Clyde", "Natural Born Killers" und "Wild at Heart" einreiht. Doch "True Romance" wäre nicht der heutige, ohne Zweifel – um das inflationäre Wort mal wieder zu gebrauchen – kultige "True Romance", wenn nicht der große Quentin Tarantino höchstpersönlich das Drehbuch verfasst hätte, ein persönliches, ein sehr persönliches Script. Das äußert sich dahingehend, dass man meint, Tarantinos Handschrift überall wiederzuerkennen, in jeder zweiten Szene ist irgendwie irgendwas irgendwo tarantinoesque – die popkulturellen Referenzen (wenn sich Alabama und Clarence in einem Kino bei einem "Street Fighter"-Triple Feature zum ersten Mal begegnen, ist es quasi Tarantino selbst, der dort sitzt; oder wenn sich die beiden John Woos "A Better Tomorrow II" ansehen), die Burger von einer imaginären Fast Food-Kette, der Crime-Plot um Geld sowie Drogen eintreibende Gangster und natürlich: die hohe Dialogdichte.

"True Romance" macht keinen Hehl daraus, sich als ruhiges postmodernes Märchen zu präsentieren - fast zu ruhig, denn im Mittelteil erschöpft sich der Film streckenweise und es kristallisieren sich Längen heraus, ehe er gegen Ende nochmal zum blutigen Rundumschlag ausholt -, in dem exemplarisch für den späteren Kultregisseur über völlig belanglose und bisweilen geschmacklose Dinge in gewohnt cooler, aber immer legerer Manier gequasselt wird, sodass dem poetischen Sinnieren über die vermeintlich kleinen Nebensächlichkeiten des Lebens eine große Rolle zuteil wird. Dabei spielt "True Romace" zwar nicht in einer Liga mit "Pulp Fiction" oder dem späteren "Jackie Brown", bei denen nicht selten der Verdacht aufkommt, Tarantino sei so etwas wie ein begnadeter Bühnenautor, ein paar knallige Dialogzeilen sind jedoch auch hier inhärent. Selbst das klassischste Element des Films, die Lovestory, bleibt in ihrer Prämisse grotesk, pendelt konsequent zwischen gepflegter Fröhlichkeit und deprimierender Melancholie hin und her - und verschließt sich stets der Realität, respektive der klischeehaften Konventionen, was insofern logisch erscheint, da Romantik ja auch nicht in konventioneller Weise zu konkretisieren ist. Selbst die Tatsache, dass Tarantino den Film narrativ ursprünglich in nichtchronologischer Reihenfolge realisieren wollte, fällt nicht sonderlich schwer ins Gewicht und verleiht dem Film stattdessen die nötige Stringenz.


Das Tarantino-Konzept wird von Tony Scott routiniert, ohne optischen Schnickschnack und stilsicher in Szene gesetzt (obschon es die kitschige Schlussszene trotzdem nicht gebraucht hätte), ohne, dass Scott auf sein Faible für exzessive Gewalteinlagen (besonders die rohe Folterung Alabamas) und ohrenbetäubende shoot outs verzichten muss. Letztere kulminieren in einem meisterlich inszenierten Showdown, in welchem sich Cops, Filmproduzenten, unsere "Helden" und adrette Gangster im mexikanischen Schusswechsel gegenüberstehen, was als weitere veritable Hommage an John Woo gelesen werden kann. Auch Hans Zimmers abwechslungsreicher Score weiß zu gefallen; ganz der verrückten Story und deren Visualisierung passt er sich an, auch wenn man der Musik eine gewisse Deplaziertheit in so mancher Szene nicht absprechen kann.

Diese Magie und nicht zuletzt der Reiz des Drehbuchs war womöglich ausschlaggebend für einen Cast, gespickt mit Stars und Sternchen, die sich die Klinke in die Hand geben dürfen, mit Spaß und ordentlich Laune. Neben den beiden Hauptakteuren Christian Slater, der Clarence mit Bravour als das verkörpert, was er ist: ein entschlossener Junge, der sich endlich seine Träume erfüllen kann, und Patricia Arquette als nonchalante, naive und extrovertierte Alabama – ein unzertrennliches Paar, das bereit ist, alle Hindernisse zu überwinden -, sind es gerade die illustren Randfiguren, aus denen "True Romance" seinen Reiz bezieht. Da gibt es beispielsweise in diesem Schmelztiegel jeglicher Stereotypen den ekligen Zuhälter (grandios abgefuckt in einer Paraderolle: Gary Oldman), den faulen Kumpel (gespielt vom bis dato noch unverbrauchten Brad Pitt), den obligatorischen Kleinganoven und Handlanger (Samuel L. Jackson), den kritischen Vater (überzeugend: Dennis Hopper) und den standardisierten Mafiagehilfen (deutlich zu kurz: Christopher Walken), dem in der legendären, da in der Tat besten Szene erklärt wird, dass Sizilianer (natürlich in historisch korrekter Weise) eigentlich von "Niggern" abstammen. Den Filmproduzenten samt Crew und zugehörigen Klischee-Polizisten (inklusive Tom Sizemore) nicht zu vergessen, ebenso wie einen schier nicht zu erkennenden Val Kilmer sowie James Gandolfini, Michael Rapaport und "Reservoir Dogs - Wilde Hunde"-Star Chris Penn.


Fazit

Was bleibt, ist "True Romance", ein ambivalentes, sarkastisches, kontrastreiches Roadmovie, das sich zu keiner Zeit ernst nimmt. "True Romance", Scotts blutgetränkte, durchgeknallte Version einer (Loser-)Romanze, bei der jegliche Vorstellungen ad absurdum geführt werden, bei dem offen in Frage gestellt wird, was normal ist, durchgestylt, bisweilen großartig geschrieben, glänzend besetzt, ein Film über gut und böse, über Reichtum sowie über grenzenlose Liebe und Stärke, wie ihn nur Quentin Tarantino niederschreiben kann. In gewisser Hinsicht repräsentiert "True Romance" somit die beinah perfekte Symbiose von Regisseur und Drehbuchautor.

7,5/10