Sonntag, 11. Dezember 2011

"Die Insel" / "The Island" [USA 2005]


Eine blitzblank gewaschene Sportartikelwerbung. Verzichten wir nichtsdestotrotz auf die Floskel zu Beginn einer Filmbesprechung eines Films aus der Feder Michael Bays, dem – manche würden jetzt schreien – v-ö-l-l-i-g n-a-c-h-v-o-l-l-z-i-e-h-b-a-r-e-n Bay-Bashing, auch wenn man sich – polemisch überspitzt – doch so richtig schämen sollte ob dieser Verschwendung von Buchstaben für einen Regisseur mit einem Hirn aus Blech. Denn wie sollte sein Baustofffetisch sonst zu erklären sein? Ups, wir wollten verzichten. Also dann weiter. "Die Insel" kam direkt nach Bays sadomasochistisch unterhaltsamem "Bad Boys II" (es hieß, der Film sei menschenverachtend), und heute, nach Bays übergeschnappten Spielzeuggrotesken, scheint "Die Insel" irgendwie nicht ins Schema zu passen, Fremdkörper, Ausreißer; ein Film, der sich heimlich ins Œuvre Michael Bays hinein geschlichen hat, um den Beweis zu liefern, dass der Mann auch einmal einen dezent klugen Film gemacht habe, anstatt mehrere für eine materialistisch affine Generation an Matchbox-Konsumenten. Bay zückt die frisch gekaufte Schrotflinte aus dem Waffenladen, will gleich schwermütige Philosophie treffen. Das kann ganz schnell Platzpatrone sein, ist es aber nur teilweise, weil der Film zumindest am Anfang einen rundum souveränen Eindruck einer pseudoapokalyptischen Kontaminationslüge schindet, einen geschmeidigen Weg über den fetten Krawall zu gehen, die Kamera still zu halten, die Kamera ein paar Sekunden lang auf ein Gesicht blicken zu lassen, ihre Emotionen einzurahmen, man kann hier sogar einem Dialog ohne Unterbrechung und ohne Funken lauschen, Michael Bay, wirklich du? Dass Bay reihenweise Nebendarsteller verheizt (Michael Clarke Duncan, Steve Buscemi) oder lustige Sachen sagen lässt (Scarlett Johansson wirkt auch sonst reichlich blass), wo's nachdenklich sein sollte, stört nicht weiter angesichts anderer charismatischer Schauspieler einerseits (Sean Bean, Djimon Hounsou), und des ungezügelten Unterhaltungswertes des Drehbuchs andererseits, das in später umso mehr an Konzentrationslager gemahnende Bilder von Gaskammern ethischen Fragen nach der Instrumentalisierung des menschlichen Lebens in Konservendosen nachstöbert, den Wert der Freiheit und Individualität in Gefangenschaft bemisst und das Klonen als eine Art makabre Supermarktlagerbestellung reißbrettsachlich schildert.

Bay klaut hierbei und nebenbei sehr viel aus Genreklassikern – Obi-Wan Kenobi wird gegen Ende auf dem Höhepunkt des Rezitierens versuchen, ganz "Star Wars"-mäßig ein Kraftfeld außer Betrieb zu setzen –, wenngleich jene Idee, die dahinter steckt, in ironischen bis schwer packenden Einzelszenen gewillt ist, sich darin einzuschnüren. Dazu zählt die Begegnung mit dem stets sympathischen Ewan McGregor mit seiner "Lebensversicherung" (Ewan McGregor²), während sich ihr Gespräch in parallelen Entgegnungen humoristisch entlädt. Oder überhaupt die zaghaften und ganz, ganz oft sehr, sehr witzigen Annäherungsversuche derjenigen, die sich in einer für sie fremdartigen, neuen Welt beisammen finden müssen, denen das Leben als solches Zutritt verschafft hatte. Dementsprechend verkleidet sich Michael Bay als ein anderer Regisseur eine Stunde lang, ehe dann endlich die wüste Zerstörungsorgie bis zum Schluss alles wegbombt, was als Alibi dessen herhalten durfte, womit Bay spannend begonnen hatte. Dann scheppert's und raucht's und knallt's in aberwitzigen Breitbildaction-Pieces sinnbetäubend (Logo), Kinetik und Kameradrehung pur, da ist er zuhause, in der Technik, der Michael Bay, als ob dem Script in beständiger Regelmäßigkeit die Ideen ausgehen würden. Das sieht zwar spitze aus und hört sich auch prima an, treibt aber die dramaturgische Unentschlossenheit Bays auf die Spitze, sich nicht zwischen der Grundidee und dem Explosiven entschieden, sondern beides ebenso unbefriedigend durcheinander gemischt wie unbefriedigend auserzählt zu haben (McGregors Alpträume sowie neurologische Gedächtnisfortschritte scheinen uninteressant). Doch wie bereits in "The Rock" und "Armageddon" verfehlt Bays exorbitant geschmierter Pathos von des Sonnenuntergangs warmen Strahlen für seitwärts angeleuchtete Figuren und melodramatisch aufgetragenen Theatralikgesten von zeitlupenartigen Blicken der Protagonisten, die der Kamera überlebensgroß begegnen (sie werden meist allesamt von unten gefilmt), durchaus nicht ihre intendierte Wirkung, emotional zu manipulieren, hinsichtlich des Showdowns, der mit der Ethno-Musik Steve Jablonskys ergreifend verschmilzt, gar mitzureißen.

6/10