Donnerstag, 8. März 2012

"Rocky III - Das Auge des Tigers" [USA 1982]


Runde #3. In Tempo und Filmgeschwindigkeit ein halsbrecherisch-kühner Fortsetzungskrawallmacher. Mit aller Energie drescht "Rocky III" ("Das Auge des Tigers") wie selten zuvor auf rohe Materie ein, deren ungezügelte Bearbeitung die Menge johlen, die Augen zuschwellen und die Visagen bluten lässt. Erinnert sich etwa jemand an den halbdokumentarischen "Rocky" von einst? Pah! Prügelte dieser noch bekanntermaßen die Zahnspitzen aus dem Mund, so reißt "Rocky III" die Zähne samt ihrer Wurzeln aus der Fresse. Frei nach der Devise: "Totes Fleisch ist gutes Fleisch". Auf den Schmerz, auf den kommt es an. Härter als jemals zuvor. Was diesem dritten Teil aber damit unweigerlich nicht bekommt, manifestiert sich in der Abweichung gegenüber den vorherigen erzählerischen Mitteln. Indem Stallone die Balance zwischen Sport und Drama aufbricht, konzipiert er "Rocky III" weder als Sportfilm noch als Drama. "Rocky III" ist ein astreiner Actionfillm, so genussfreudig überzeichnet, dass er nicht mehr aus dem Leben gegriffen, sondern dem Comic unterstellend wirkt.

Förderlich für die Reihe insgesamt war das sicher nicht, ist es doch so, dass sie meist anhand dieser cholerischen Nachzügler identifiziert und zwecks darauf unnötigerweise in ein schlechtes Licht gerückt wird. Die Vorteile verschwimmen, die Defizite gewinnen an Form: Kämpferisch wird blind ohne Konzept und Schlagkombination geprügelt, ins Innenleben der Figuren kaum noch geblickt, die Tragik zur Demoversion verkürzter Zwischentöne erklärt. Sowohl Adrian (Talia Shire) als auch Pauly (Burt Young) haben ein, zwei Momente, bevor sie sich wieder an den Seitenrand stellen. Denn das behindert ganz manifest den Film in seinem unwiderruflichen Vorwärtsdrang zu mehr. Mehr Reiberei, mehr Kraftmeierei, mehr Ausschlachterei. Gegen Hauptgegner, Großmaul und denjenigen Penner, bei dem wir es nicht erwarten können, ihn endlich auf den Brettern zu sehen, James "Clubber" Lang (unerträglich satzzeichenlos brabbelnd: Mr. T), darf Rocky zweimal antreten, nachdem er einen Wolltätigkeitskampf bestritten hatte, durch den er in den seltsamen "Genuss" kam, einen Wrestler herauszufordern (befremdlich, aber sehr amüsant: Hulk Hogan).

Die bis dahin noch nicht verbauten Handlungsbausteine ändern sich außer der emotionalen Sterbeszene Mickeys (Burgess Meredith) marginal – Adrian rüttelt Rockys Selbstvertrauen wach, Rocky trainiert fleißig, übt sich in einem neuen Stil, gewinnt beim zweiten Anlauf. Währenddessen übernimmt der Film Rockys Zwang, sich seinem Gegner körperlich und konditionell im Training auszurichten. In "Rocky II" musste er vom Rechts- zum Linksausleger mutieren, in "Rocky III" wiederum erlernt er die tänzelnde Beinarbeit. Quasi funktioniert der Film ungeachtet der merklich angekurbelten Flachheit durchaus, sofern die Rezeption auf der Unterhaltungsniederung liegt. Dort sorgt Stallone dank spendabler Vertrashung sowie einer Unmenge an chauvinistischen Kopfnüssen für vergnügliche Augenblicke – die Anfangsmontage gribbelt angesichts des kultigen Survivor-Soundtracks unterhalb jedweden Haaransatzes, Paulys Sprüche sind vor allem in Gegenwart Appolos lustig, obgleich nicht minder latent rassistisch, der Hogan-Kampf spektakulär, Langs Rammelei mit Rocky zu dessen Verewigung auf einer Statue erheiternd ("Ich schlage dich tot!").

Die Hauptrolle verlangt Stallone nicht sonderlich viel an Mehrdeutigkeit ab – anders als noch vor ein paar Jahren davor –, und er ist leider längst in dem Alter angekommen, wo man nicht mehr naiv sein sollte. Rockys herzlich-ungezwungene Art ist einer kalt-berechnenden gewichen, auch das erweist sich als Nachteil für die Identifikation ebenso wie zur Aufforderung, den Helden zu begleiten. Seine stärkste Szene hat Stallone am Strand von Los Angeles, als er schuldbeladen zweifelt, weil er Angst hat, nach einer zweiten Niederlage alles zu verlieren. Das verstopft ihm (wieder einmal) den Kopf, ehe seine Frau den seelischen Rettungsanker wirft. Und Apollo (grandios: Carl Weathers), sein ehemaliger Opportunist, zum wahrhaftigen Freund wird. "Rocky III" erzählt also auch etwas. Über alternde Recken, die Vergänglichkeit des Erfolgs, eine Männerfreundschaft und die Deformation einer Ikone.

5/10