William Wylers mutige Skandalnudel und kühner Arschtritt gegen konservatives Hollywoodkino beginnt schleppend, aber nicht gänzlich unsympathisch. Das vielleicht schlimmste Kind Amerikas wird einer Analyse unterzogen. Zwischen gespielter Unschuld und kalkulierter Hinterhältigkeit ist dieses Kind, besser gesagt Mädchen, in einem Mädcheninternat für allerlei individuelle Spannungen seiner Erziehungsbevollmächtigten verantwortlich. Wyler hievt das Thema von der zwischenmenschlichen Mikro- zur gesellschaftlichen Makroebene, wenn es dank eines einzigen Gerüchts zur vielschichtigen Studie engstirniger Vorurteile gegenüber Homosexuellen eines großen bigotten Mysteriums namens Bevölkerung avanciert, ohne wiederum ein einziges Mal "lesbisch" zu sagen. Das Interpretieren obliegt ohnehin dem Zuschauer, das sexuell gesprochene Wort bleibt häufig ein Flüstern für die Großmutter. Audrey Hepburn (gefühlsecht) und Shirley MacLaine (gegen Ende im weinerlichen Overacting gefangen) sind hin- und hergerissen zwischen Scham und Verzweiflung und prägen das Hitchcock-Motiv der unschuldig Gejagten, gejagt von Presse, Vermutungen und Verleumdungen, verlassen von Freunden, Geliebten, einer glücklichen Hochzeit, einer angestrebten Zukunft. Nullpunkt, totaler Nullpunkt. Die Tragödie nimmt ihren Lauf, zerfetzt ein glückseliges Happy End förmlich in der Luft. Franz Planer filmt den dunklen Schlussakkord einer perfiden Oper in morbiden Kameramontagen. Fazit: Das alte Sprichwort "Kindermund tut Wahrheit kund" ist eigentlich purer Zynismus.
6 | 10