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Dienstag, 9. August 2016

"Fight Club" [USA 1999]


[...] Interessanter erscheint es, wenn das Entstehungsjahr eine Zeitgeistmotivik herleitet: 1999. Die objektive Erzählung hat ausgedient, das Leben eine "Karte" (splitternder Bezugspunkte). Jean Baudrillard schrieb gar vom Verschwinden der Wirklichkeit, gekoppelt ist der daher entkörperlichte Mensch an digitale Entwicklungsstufen. "The Big Lebowski" erschien ein Jahr früher. Beide verhandeln ironischerweise ähnliche Seinsfragen angesichts einer latent zivilisatorischen Unordnung, der eine auf eine lockere, der andere auf eine zynische Weise: Es geht um den postmodernen Menschen kurz vor der Jahrtausendwende. Fincher abstrahiert dies zum Extrem, wenn er den Erzähler, gefangen in einer für Fincher klassisch patriarchalischen Ordnung, in die Zeichenhaftigkeit zwingt. Anonym, willig, funktionierend. Leben als Werbefläche und -bande. Dass dabei zwangsläufig eine Entfremdung des Selbst und die Sehnsucht nach Aufgaben entsteht, die den Erzähler vom Zeichen zurückverwandeln in ein denkendes und erkennendes Subjekt, setzt den Schwerpunkt für Fincher, diesen Ausbruchsversuch (Tylers Ideologie) als Ideologie über die postmoderne Erzählung an sich zu tarnen. [...]


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Freitag, 11. Dezember 2015

Dokumentation: "Hitchcock/Truffaut" [F, USA 2015]


Truffaut konnte nicht ohne Hitchcock – und Hitchcock nicht ohne Truffaut. Sie entstiegen zwei künstlerisch gegensätzlichen Welten, trafen sich aber am gemeinsamen Berührungspunkt kreativer Arbeit, mit dem Publikum intim zu werden. Genau wie Hitchcock und Truffaut kommen aber auch Martin Scorsese und Peter Bogdanovich aus einer anderen, vielleicht lustvolleren Generation an heißblütigen Filmemachern, die ihre Zuschauer einfallsreich erziehen wollten. Dies schlägt sich in "Hitchcock/Truffaut" nieder – sich eloquent mit Scorsese und Bogdanovich zu erinnern, Filmgeschichte romantisch anzuhauchen und ihr manchmal gar ansteckend nachzutrauern, ist etwas anderes, als ihr lediglich mit den einfallsarmen, papiernen Worten David Finchers und Wes Andersons zu huldigen, unserer Generation. Getreu des Titels "Hitchcock/Truffaut" springt Kent Jones' reflexiv-gewissenhafte sowie liebreizend-charmante Dokumentation – die visuelle Präsentationsform mäandert zwischen den Splittern von "Psycho" und den Farben von "Vertigo" – über die legendäre Interviewstrecke und die noch legendärere Filmbibel François Truffauts, um die (Kino-)Architektur Hitchcocks analytisch zu umreißen.  Gerät Jones' Anliegen partiell aus der Spur des Hauptschwerpunktes (im Grunde ist für Truffaut schlicht überhaupt kein zusammenhängender Erzählplatz), so dürften sich all' jene im Recht fühlen, die in Hitchcock mehr als einen begnadeten Spannungshandwerker sehen, ein "Auge des Jahrhunderts", das immer besser wusste, wie transzendente Bildermächte wirken, wenn eine Leinwand damit bemalt, ja stranguliert wird.

6 | 10

Freitag, 13. Februar 2015

"Gone Girl - Das perfekte Opfer" [USA 2014]


Muss dieser David Fincher entkräftet gewesen sein, um sich neun Filme lang hinter einer Täuschungsmasche zu verhüllen – jetzt, definitiv, bekennt er sich zur IKEA-Exploitation, gekonnt ausgeschmückt, reißerisch feminisiert und nie überanstrengt, Charaktere an bekannten Twist-Ampeln anzustupsen, als sie sein zu lassen. Dies ist der Drehbuchseiten raschelnde Metakniff in "Gone Girl": Dieser Film ist die manipulatorische Vorderseite von etwas Wechselwütigem, das wir nicht sehen sollen, teilnahmsvoll und vulgär, reglementiert und entrüstet vor ablenkenden Überraschungen, deren gruselige Plausibilität den sprungbereiten Medienzirkus karikiert. Die übelkitschigen Eheszenen, die übelschrägen Verwicklungen, die übelschlechten Rotationstricks – das muss System sein, um den Betrug grotesk zu verfielfachen. Hätte ein weniger versierter Arrangeur wie David Fincher den hartnäckig selbstdemontierenden (hartnäckig stupiden) Stoff Gillian Flynns dramatisiert, hätte ein Fiasko entstehen können. Aber Fincher schlittert bisweilen exzentrisch in die Vorlage und muntert sie mit seinen ziseliert gesteuerten Schauspielern auf, der Puddingtropferei Rosamund Pikes, dem heimtückischen Augenkontakt Ben Afflecks. Oder den gestanzten Credits. Im Film allerdings fällt ein wichtiger Satz. Amys (Pike) abgeschmackte Story sei zu perfekt. Reflektiert sich "Gone Girl" (auch) hier? Finchers Jubiläumswerk sitzt in der Tat einer erzählgestaltenden Perfektion auf, die jede Luftblase erfasst, jeden Kalkulationsfehler vernichtet und erst dadurch, ja, auf der Mattscheibe schwerlich ernst zu nehmen ist.

5 | 10

Montag, 25. Februar 2013

"Verblendung" / "The Girl with the Dragon Tattoo" [USA, S, GB, D 2011]


Ohne über den Sinn oder Unsinn filmischer Übersetzungen in die amerikanische Sprache zu schwadronieren, meldet sich der neue David Fincher zurück, und "Verblendung" verhehlt, wieder einmal, zu keiner Zeit den künstlerischen Umbruch im Bewusstsein eines ehemaligen subversiven Bildverdunklers, stellt ihn gar unumwunden aus. "Verblendung" würdigt in seinen fesselndsten Momenten obsessiver journalistischer Spurensuche "Zodiac", wo es um das zermürbende Dechiffrieren von Fragmenten ging, und um das, womit man wahnsinnig werden kann, sich aber auch in höchste Gefahr begibt.

Aber dass Finchers vorliegende, meist analytische, oft mathematisch dramatisierte Drehbücher sich seit "Panic Room" mehr und mehr dem Diktum lebloser, dafür aber schwelend bedrohlicher Abfilmerei fügen, findet in seiner kriminalistischen Stieg-Larsson-Geschichte über die Verdrängung des Erinnerns, über vertuschte Wirtschaftsverbrechen, die Reputation der Karriere, Enthüllungsgefahr, Misogynie und antisemtische Gesellschaftssysteme eine besonders indifferente Formsprache, die dem Inneren der Figuren zuwiderläuft.

Obwohl Daniel Craig (katzenängstlich; damit konterkariert er sein Bond-Image und spielt es pointiert gegen den Strich) und Rooney Mara (anorektisch, kaltherzig) robuste und doch fragile Persönlichkeiten mit einem hohen Maß an subtilem Zorn verkörpern (Mara mehr als Craig), begreift Fincher sie rein sexuell als sich selbst befriedigende Triebwesen, wodurch es ihm, wieder einmal ("Sieben", "Zodiac"), unmöglich scheint, eine existenzielle Liebesbeziehung zu vertiefen, die trotz aller sexuellen Avancen asexuell in ihrem Wesen der Bestimmung einer tristen Bühnendekoration entspricht.


Zudem strukturiert Steven Zaillian die Handlung in parallel geschnittene Einzelabschnitte, und es zeichnet sich ab, dass sein Vorgehen, der literarischen Vorlage sklavisch nachzuhängen, spätestens im unkonzentrierten Antiklimax-Finale unangenehme Streckungen entfacht, wodurch das Drehbuch einige filmische Erweiterungen vermissen lässt, einen relevanten Schwerpunkt zu setzen, der komplexer ausgedehnt wird. So aber findet sich bei Zaillian alles aus dem Roman, und zu wenig davon kann hinausweisen – über das Stichwort, es wäre da.

Wenn Fincher allerdings audiovisuell protzt und gänzlich filmisch akzentuiert, dann ist er ganz bei sich selbst, dann forciert er einen namenlosen, naturalistischen Schrecken. Formschön vermischt er die stürmische Natur mit Kälte, dem Schneetreiben, Wahnsinn und Blut, intensiviert auf der knurrenden Tonspur tranceartige Wahrnehmungsgeräusche, während er schallende (Enya-)Musik als hintergründigen Gag heranzieht, Gewalt bizarr auszuschmücken (in einer penibel gesäuberten Folterkammer!), die im friedlichen, unschuldig weißen Schweden doppelt schmerzt. 

Die einerseits wärmende, anderseits giftige Ausleuchtung, aseptische wie rustikale Innenräume sowie einige Kameraspielereien der präzisen Kadrierung lassen erahnen, wer dieser David Fincher früher einmal war, und dass er heute das bloße Handwerk des Thrills nahezu ehrfürchtig kultiviert hat. Anhand des gemorphten Titelvorspanns – Körpergewebe explodiert und saugt sich anhand von elastischen Latexfäden in das jeweils andere der Figur – ist das Leitthema Finchers explizit codiert: Die rebellische Verwandlung des Äußeren und Inneren dient dazu, sich als Zwitterwesen neu zu erschaffen. Mit einem Ausrufezeichen.

6 | 10

Dienstag, 25. Dezember 2012

"Panic Room" [USA 2002]


Eben noch der Globalisierung Existenzverdüsterung unterstellt, später dann im Meisterwerk "Zodiac" eigene mitgeformte Etiketten abgeschabt, markierte "Panic Room" wieder Urlaub für Fincher, um sich von dem einen höchstwahrscheinlich zu erholen und für den anderen vorzubereiten, eine Art experimenteller Füllfilm, beinah Avantgarde im Mainstream-Thriller, zu Unrecht verrissen. Eine stilistische Fingerübung desjenigen Propheten, der uns die existentialistische Dunkelheit der Zivilisation herbeigedichtet hatte. Bereits die futurisch an Manhattans Innenstadt festgeklebten Opening Credits zu Howard Shores verdüsterten Violinen geben eindrucksvoll Auskunft darüber, dass sich "Panic Room" keineswegs als schnöder Genrefilm verstanden wissen will, sondern als ein ästhetischer mit Handschrift.

Eine Nacht, ein Schauplatz, ein Raum, Regen, Dunkelheit, künstliches Licht – Fincher gehorcht dem reinen Minimalismus, indem er die grundlegende organische Vernetzung seines Schaffenswerkes, dem in monochromen Farbstichen genähten Hermetischen als Ausdruck einer dünnen Linie zwischen innerer und äußerer Gefahr, Freiheit und Zwang, Verletzlichkeit und Willensstärke in Klaustrophobie und Paranoia spielfilmlang verdichtet. Immer wieder wechseln die Perspektiven von Einbrechern und Opfern, wie sie sich von Tätern und Ermittlern in Finchers "Sieben" auseinandergerissen haben, spiegeln, überschneiden, widersprechen sich, und zwar genau dann, wenn  sich Rollenverteilungen ad absurdum in sich selbst auflösen; wenn der Einbrecher der Rolle des fürsorgenden Gefangenen denn übergeschnappten Eindringlings gerecht werden muss, wenn dessen Opfer mit Waffe den aktiven Part übernimmt, den des Verhandlungslenkers denn –führers, stets darauf bedacht, mit Druck die Situation ohne Leichen zu umschiffen. Das ist fesselnd, atmet Urängste und ist nicht ohne schwarzen Witz geschrieben, man könnte denken, dass Fincher etwas vorwegnimmt, dass er sich auf etwas einstimmt, bevor "Zodiac" kommen sollte.


Nicht zuletzt aufgrund der überaus präzis getimten Spannungskomplikationen (besonders das originelle Täuschungsmanöver, den Schurken als den Ex-Ehemann zu verkleiden) in ebenso brachialer Zeitlupe, kontrastreicher Lichtdramaturgie wie verwinkelter Mise-en-scène ist das ein effizient geordnetes Kammerspielprinzip über Katz' und Maus im Labyrinth der Monitore, der Kameras, kurz: der nie eindeutigen Digitalisierung des Sehens. Ohne das provokante Potenzial der Vorgängerfilme David Finchers bedacht, dafür aber mit geballter destruktiver Energie – ein Schaufelstoß beziehungsweise ein Körperstoß wird so vertont, dass die Farbe an den Wänden abblättert – und handwerklicher Verspieltheit schwereloser CGI-Kamerfahrten, die den gesamten Raum zwar überblicken (sich zum Beispiel einen minutenlangen Überblick verschaffen, sobald die Gangster an der Haustür rütteln), ihn gleichwohl nicht strecken, eher stauchen, zusammenpressen, die Enge desselben zugleich maximieren und minimieren; die erdrückende Enge demnach ausloten, ehe alles in einem tendenziell versöhnlichen Finale kulminiert, das für Fincher schlussendlich nicht unbedingt das einlöst, was von ihm gewohnt ist. 

An den Figuren hapert es. Jodie Foster spielt trotz einer unterentwickelten hysterischen Angststörung des Drehbuchs nicht schlecht, auch wenn ihre nasale Synchronstimme viel kaputt macht, um sich überhaupt mir ihr zu identifizieren. Während ihre Tochter, selbstsicher gespielt von Kristen Stewart, zur Abwechslung nicht sonderlich nervt, entspringen die Einbrecher indes der Klamottenkiste, weil ihre Absichten, ihre Motivationen entweder überhaupt nicht näher untersucht werden (Raoul) oder hoffnungslos abgegriffen wirken (Burnham; hartweich: Forest Whitaker). Da passt es ganz gut, dass Dwight Yoakam schauspielerisch dennoch heraussticht, eine jener üblen Fincher-Figuren, die mit, natürlich, destruktiver Energie gesegnet sind. Fincher-Mainstream ist meist so oder so immer noch dem Mainstream vorzuziehen, zu destruktiv ist er insgesamt. Und zu schaurig-schön.         

6.5 | 10

Dienstag, 28. August 2012

"The Social Network" [USA 2010]


Man muss nicht unbedingt Godard zitieren, um zu wissen, dass Film auch Schlachtfeld sein kann. Selbstverständlich ist es das. Fincher und Sorkin konstruieren in "The Social Network" ein ebensolches Schlachtfeld, besonders einen Kampf, einen Kampf der Ökonomien, der Lebensphilosophien, einen Kampf von Analog und Digital vor dem Hintergrund von Plastiktastatur und Like-Button mit den Waffen der Wörter um die "Digitalisierung des echten Lebens".

"Fight Club" war Finchers prägender Zeitgeistkommentar zum westlichen Konsumexzess, 11 Jahre später dann ist "The Social Network" zu Finchers prägendem Zeitgeistkommentar zur virtuellen Nerdkultur avanciert, wahrscheinlich eine Momentaufnahme in steter Gewissheit, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein kann, wann sich bald wieder ein kleiner intelligenter Kotzbrocken finden lässt, der sich anstrengt, ein Arschloch zu sein, der mit Badeschlappen und Schlafanzug dem Unternehmenssystem von gestern in den Hintern tritt; wahrscheinlich genauso prophetisch jedenfalls, dieser erste New-Economy-Film, das wird sich noch zeigen.

Genau wie in "Fight Club" und "Zodiac" beweist Fincher ein fein ausgeprägtes Gespür für (Fehl-)Entwicklungen, Tricks und Täuschungen, den gesellschaftlichen, innerfamiliären wie zwischenmenschlichen Wandel Erwachsener wie Jugendlicher damals wie heute, kurz: Fincher atmet den Zeitgeist wie kaum ein anderer zeitgenössischer Regisseur, ohne ihn direkt zu verurteilen, als ihn vor allem zu verstehen. Aus diesem Grund färbt sich der Facebook-Film in universellen Farben, wenn er zur ewigen Tragödie mutiert, somit gesteht der Facebook-Film, kein Film über Facebook zu sein.

Denn nicht Facebook steht im Vordergrund, nicht das, was dahinter steckt, womit es erfolgreich expandiert, sondern der Verrat der Freundschaft ihrer Urheber, die – und darin liegt die Ironie – weder vor noch nach der Inbetriebnahme ihres sozialen Netzwerkes entscheidende Sozialkompetenzen hinzugewinnen, sie bleiben vereinsamt und in ihren kryptischen Algorithmen gefangen, unnahbar für jeden, der sie verstehen will. Der Wert echter Freunde, das will uns Fincher sagen, ungleich jener, die man aus einer Laune heraus anklickt.


Die schier unermesslich breitgetretene Einleitungssequenz in "Pulp Fiction"-Manier nimmt einiges vorweg, mit schwindelerregenden Dialogketten spitzfindig zu charakterisieren. Sorkin schreibt viel Elaboriertes in Hochgeschwindigkeit, aber doch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sorkin gleichzeitig viel Banales drunter mischt, das es herauszufiltern gilt, was des Öfteren nicht leicht fällt (wünschenswäre wäre ohnehin der Verzicht auf rudimentäre Frauengeschichten, die kuriose Entwicklungen erfahren).

Der stakkatohaft-berauschte Wechsel beider Erzählebenen – hier der Facebook-Gründung, da der juristischen Streitfrage – hingegen gelingt nicht zuletzt aufgrund des präzisen Schnitts (Kirk Baxter, Angus Wall), wenn etwa ein gesprochenes Satzfragment in der ersten Ebene angefangen und in der zweiten beendet wird. Sehr selten verlässt Finchers mittlerweile gewohnt ebenso pragmatischer wie ökonomischer Regiestil die Narrative, um sie eigenhändig auf Pomp zu verzieren.

Die surreal vertonte Ruderregatta-Sequenz erweist sich als meisterhafte Montage, das Davonziehen der experimentierfreudigen Wilden (digital: Marc Zuckerberg, Sean Parker) den altbackenen Traditionalisten (analog: die Winklevoss-Zwillinge, Dustin Moskowitz) im Zentrum des Drehbuchs allegorisch zu verstärken. Problem: Letztendlich ist es der figurenimmanenten Klinikkälte des Films zu verdanken, dass "The Social Network" zwar gehörig interessiert, aber emotional nie richtig mitreißt, weil dessen Protagonisten einem Hauch Vielschichtigkeit unterlegen sind.

Außer egomanischen Schleimbeuteln versuchen sich Fincher und Sorkin an Klischees stereotyper Persönlichkeiten abzuarbeiten, die kein Muster aufbrechen, keine Herzenswärme ausstrahlen und keine Identifikation zulassen. Emotionslose Filme kommen nicht oft über ein teilnahmsloses Gefühl des distanzierten Zuschauens hinaus. Es fehlt auch so ein bisschen an (Fincher-)Anarchie aus früheren Dekaden, die tangierte Kritik des Internets, wo laut Sorkin mit "Tinte denn Bleistift" geschrieben wird, massiver auszuformulieren. "The Social Network" ist demnach zahmer als erwartet und angriffszurückhaltender als erwünscht. Schwamm' drüber, das ist trotzdem unser Film.        

6 | 10           

Donnerstag, 23. August 2012

"Zodiac - Die Spur des Killers" / "Zodiac" [USA 2007]


"Zodiac" taucht ab in die 60er und 70er Jahre, sieht nach 60er und 70er Jahre aus, fühlt sich auch so an, ist 60er und 70er Jahre, mit jeder Kameraeinstellung, mit jedem Pinselstrich, jeder Geste hüben wie drüben. Um eine Epoche samt ihrer politischen wie wirtschaftlichen Zerwürfnisse nachzustellen, braucht Fincher keine Hektik, er entzieht der Hektik stattdessen ihre Grundlage, wenn er geschmeidig, aber nicht minder virtuos zur langen Einstellung greift. Reißerische Effekte existieren nicht, Pessimisten sagen, Fincher wäre sanfter geworden, Optimisten, er wäre reifer.

Der Film wurde komplett in HD abgefilmt, und obwohl alle Farben einer starken Verfremdung unterliegen, wirkt die Farbgebung dennoch authentisch. Warme, erdige, orange-grüne Töne der Ungezwungenheit treffen düstere, verstörende, mausgraue der Tristesse. Nur manchmal verlässt Fincher die Ebene des verschachtelten Drehbuchs James Vanderbilts, des reinen Geschichtenerzählens also, um es künstlerisch zu verpacken. Den Bau eines Gebäudes zeigt der Regisseur im Zeitraffer, Jahre werden durch Schwarzbilder überbrückt oder etwa direkt eingeleitet, Zeitungsausschnitte schweben im Raum, perfektioniert mit David Shires punktgenauer Musikumrahmung aus zeitgenössischen Songs.

Gegenüber Finchers Regiearbeiten von einst, die zwar ebenfalls fest verankerte Genreregeln subversiv außer Kraft zu setzen versuchten, sich aber merklich diesen annahmen, demontiert Fincher mit "Zodiac" die Mechanismen des Genres vollständig, indem er sie bar jedweder audiovisuellen Überspitzung (Ausnahmen: siehe oben) im, fast könnte man sagen, antiquierten Erzählkino neu zu verhandeln weiß. Der Vergleich mit dem thematisch verbrüderten "Sieben" scheint derweil nicht weit hergeholt – beide Filme schauen den sukzessive abgewirtschafteten Ermittlern über die Schulter, wie sie einen neurotischen Killer jagen und dabei ihre Identität verlieren. 


Wo "Sieben" allerdings religiöse Gründe für des Täters Motiv in einem tristen Moloch ausbuchstabierte, verdichtet Fincher in "Zodiac" das Leitthema des namenlosen Schreckens auf die Narrative. Die Identitätslosigkeit des Serienmörders im Mikrokosmos dient als gesellschaftliches Angstsurrogat im Makrokosmos. Fast gelangweilt spult Fincher die Verbrechen in den ersten Minuten ab, es ist somit anzunehmen, dass er den Voyeurismus des von ihm in die Postmoderne herübergeschleppten Serienkillerfilms in seine Einzelteile zerlegt und ihn wieder zu seinen Ursprüngen führt, dort, wo sich alles noch im Kopf formte, im Schatten, die Grausamkeit, das Leid, natürlich auch die Angst.

Das Analysieren des eigenen Eingeständnisses, dass man genau weiß, dass man nichts weiß, obwohl man weiterzumachen gedenkt, führt bei Fincher zum Verfall der Seele, weil alle Rätsel, mit denen sich die Ermittler auseinandersetzen müssen, irgendwann in deren Kopf zu stark festbeißen, sich zu einer Besessenheit auswachsen, sie mürbe machen. Fincher transferiert die Denksportaufgaben des Phantoms mit den ominösen Zeichen in die Hirne der ihm Hinterherjagenden, in der Hoffnung, wenigstens eine davon zu lösen.

Das Verwirrspiel liefert demnach nicht nur per se Zodiac, das grundlegende Verwirrspiel rattert allein im Kopf derer vor sich hin, die Getriebene ihrer eigenen Motive geworden sind. Überhaupt hat der Film allerhöchstens Triviales mit klassischem Genrekino gemein – von Recherchen, Journalisten, der Polizei, dem Ermitteln ist da die Rede. Allerdings spielt bei Fincher Letzteres die denkbar wichtigste Rolle. Ihm geht es nicht darum, den Killer aus Rache notgedrungen zu jagen, sondern das entfesselte Nachbohren, Dechiffrieren und Eruieren als eine Art persönlichen Zwang zu verstehen, der – scheinbar – Erlösung bedeuten könnte.

Dies ist es hauptsächlich: Erwartungen infolge einer Herangehensweise zu untergraben, die für den Regisseur, aber auch sein Publikum befremdlich erscheinen mag. Fincher inszeniert Vignetten, Ereignisse, Situationen, Randnotizen, Expeditionen mit dem kühlen Blick eines Mechanikers auf ein Zahnrad aus unzähligen Einzelteilen, die niemals uneingeschränkt zusammenpassen werden. Er richtet nicht, er schaut, dokumentiert, begleitet, er begleitet Personen durch Jahrzehnte der Stadien der Angst. Sie erscheinen und verschwinden wieder, die Codebilder, die Personen, die sie nicht knacken. Der einschlagende Knall – wie in "Sieben" – wird genauso unerreichbar bleiben wie ihr omnipräsentes Gespenst, das undurchschaubare Kreuzworträtsel namens Zodiac.

10 | 10

Dienstag, 17. Juli 2012

"Alien 3" / "Alien³" [USA 1992; Special Edition]


Ein, sagen wir, alltäglich verlaufender Fortpflanzungsprozess scheint nicht das Ding von David Fincher zu sein. Damit fängt er in "Alien 3" an, wenn Sigourney Weaver das Monster nicht austragen darf. Nicht nur das: Sein erster Spielfilm verkörpert eine Geburtsstunde in mehrfacher Hinsicht, aber auch eine bleistiftfein ausschraffierte Skizze seiner mit religösen Versatzstücken, ebenso wie mit verengten Räumen operierenden defätistischen Weltsicht, wo sich gleichermaßen Gott wie Liebe abtrünnig dem "Kino des Zorns" beugen müssen, um unserem Zivilisationshaushalt den Spiegel vorzuhalten – und ihn schlussendlich mit Radikalität aufzuräumen, nicht weniger als dem Vorschlaghammer. Dass "Alien 3" seiner katastrophalen Produktionsgeschichte intervenierender Studiobosse wegen, selbst im merklich besseren Rohschnitt der inkohärenteste, da unkenntlich zerhackstückelte Teil innerhalb der Reihe bleibt, darf nicht verschleiern, dass ihm gerade der dramaturgisch aufgezwungene Vergleich mit dem Scott-Film das Genick bricht. So sehr Fincher die Mythologie mit Hilfe eigener künstlerischer Präferenzen zu erweitern gedachte, so schwer fällt es ihm, sich dem Original zu entziehen, indem er die Prämisse über das Organische, Maskuline und Psychosexuelle, das Abgeschottete unbewaffneter Hilfloser gegen ein höheres Wesen nahezu ausgiebig zitiert, Schlüsselszenen wie die "Kiddy-Szene" kopiert oder die Schlusseinstellung spiegelt. Ein Vergleich ist also weder unfair noch unpassend, sondern möglich. Und genau da versagt Fincher. Obgleich seine alptraumhafte Vision einer postapokalyptisch-versifften Industrie-, Kanal- und Ungezieferhölle rudimentär viel von dem in Worte buchstabiert, was Fincher später in ausformulierte Sätze packen wird, erreicht er nicht die Spannung des ersten Teils und nie das Drehbuch des zweiten.

Der melodramatische Höllenritt vom tragischen Schicksal zur eigens entschiedenen Selbstopferung durch ein System von rational handelnden und dem freien Willen unterstellten Menschen denn göttlicher Transzendenz (auch ein Fincher-Motiv) war ebenfalls nie zäher als in "Alien 3", einem Film ohne Leben, weil er sich für nichts so wirklich interessiert als für den Tod in christlicher Metaphorik, für keine Stringenz, keine Figuren (die wohl ambivalenteste stirbt nach wenigen vielversprechenden Dialogen), eher interessiert er sich für seinen ausgestellten Schmutz, der den Rest ins Schaufenster drängt. Und fest errichtete Gedankengebäude instabil macht: Die Idee des toten Ochsen, in dessen Körper dennoch ein Parasit heranwachsen kann und überdimensional herausschlüpft, widerspricht dem Kennengelernten, wonach mit dem Tod eines Menschen zugleich jener im Brustkorb eingenistete Organismus stirbt, der als sein Wirt fungiert. Parallelmontagen sowie subjektive Alien-Kamerasequenzen, die die finale Labyrinth-Jagd nichtsdestotrotz effektiv kontrastieren, sind nicht imstande, haarsträubendes Fremdschämen ("Drachen"), die Unlogik der Montage (zweimal kurz hintereinander wird der Vorschlag gleicher Anwesenden verbreitet, das "Biest" einzuschmelzen), dilettantisches CGI und den irritierenden Gore zu verdecken – ambitioniert zeigt Fincher die Autopsie Newts in einzelnen Kopfkinodetails, nur um wenige Szenen danach die blutigsten Shots der Reihe abzufilmen. Somit ist es der "Alien"-Film, der am schnellsten vergessen ist, der sich aber auch am holprigsten durchwurschtelt. Weavers fleischgewordene Sexualität inmitten von schwitzenden Fleischmaschinen allerdings, die fetzt, mit Glatze noch mehr.           

4 | 10

Donnerstag, 28. Juni 2012

Rob Bottin. Eine Hommage.


Achtung unterschwellige Filmkalauer: Rob Bottin ist ein außergewöhnlicher, ein auf seinem Gebiet singulärer Maskendesigner, und wenn Regisseure auf Rob Bottin vertrauen, damit er in ihren Filmen bizarr aus sich heraus wuchernden Schrecken verbreiten soll, dann kommen die Schocks zumeist aus einer anderen Welt, sehen heute aber noch frisch so aus, als wäre es erst gestern gewesen und wir könnten uns total daran erinnern. Zum Beispiel in John Carpenters dichter Ansteckungsangst "Das Ding aus einer anderen Welt", auf dessen DVD Bottin ruhigen Gewissens verkündet hätte: Hey, seht mal her, das ist Hollywood, das bin ich, seht, was wir drauf haben. Ihr könnt das nicht, ich schon. Aber Bottin könnte es sich leisten, dies so offensiv zu formulieren. Denn er ist bar jedweden Zweifels ein Spezialist in seinem Metier, ein Meister, ein vollständiger Virtuose, der auf der Klaviatur der abnormen Körperlichkeit die schleimigsten Tasten betätigt. Jeder, der Carpenters Remake zum ersten Mal sieht oder als Zeitzeuge in den frühen Achtzigern im Kino gar gesehen hat (und sich mehr über die Reaktionen des Publikums gruselte), sah etwas, was er noch nie zuvor gesehen hat. 

Man kann nicht glauben, wie die das gemacht haben, der in die Höhe schnellende Kopf mit den Spinnenbeinen etwa, die beiden Männer zu einer obszönen Spukgestalt Kopf an Kopf vereint, die Absorbierung des Hundes zu einem fleischigen Tentakelwesen. Auch in "Total Recall", "RoboCop" und "Sieben" tobt sich Bottin im freien künstlerischen Selbstbewusstsein aus, diesen Filmen ihre ungezügelte Wildheit, ihre rohe Brutalität und ihren freien biochemischen Umgang mit der dunkleren Seite der menschlichen Evolution einzudrücken. Transformationen, Assimilationen und Mutationen sind Auswüchse einer grotesken organischen Geisterbahnfahrt, so glitschig, so pervers, so ekelerregend, dass man sich danach gar nicht mehr zur Toilette traut, in der Angst, es käme etwas von unten hochgeschossen. Bottin ist auch deshalb genial, weil er die Vergänglichkeit von CGI offenlegt, während seine Modelle unsterblich bleiben. Unsterblich anders. 


Ein erfolgreicher Wiederbelebungsversuch der Kreatur im Bauch
"Das Ding aus einer anderen Welt"
"The Thing"
(USA 1982 | John Carpenter)


Nebenwirkung: Grüne Kopfkontraktionen


Neben-Nebenwirkung: Mensch-Mensch-Absorbierung


Der Sehnerv außerhalb des Sichtfeldes
"Die Reise ins Ich"
"Innerspace"
(USA 1987 | Joe Dante)


Kubrick-Poesie im menschlichen Körper


Bring' deine Magensäure zum Kochen!


Nie war ein Arzt notwendiger...
"RoboCop"
(USA 1987 | Paul Verhoeven)


Futuristisch; gleichzeitig elektronisch, menschlich und real


Der Säuremann ergibt sich seinem Schicksal


Auf dem Mars ist es ungemütlicher als auf der Erde
"Die totale Erinnerung - Total Recall"
"Total Recall"
(USA 1990 | Paul Verhoeven)


 Körper im Körper aus Körpern


Welche nehme ich?


 Trägheit
"Sieben"
"Se7en"
(USA 1995 | David Fincher)


Ja nicht dem Schmerz verschließen, hörst du!
"Fight Club"
(USA, D 1999 | David Fincher)


Blut Fight

Freitag, 25. Mai 2012

"The Game - Das Geschenk seines Lebens" [USA 1997]


Zwischen "Sieben" und "Fight Club", radikalem Kulturpessimismus und anarchistischer Systemrevolution musste ja was Entspanntes kommen, was zum Zurücklehnen, was leicht Bekömmliches ohne übermäßig auf den Magen schlagenden Fettgehalt. Fincher lässt zwar in "The Game" auch den Revoluzzer heraushängen, sobald er dem von gletscherkühlen Mensch-Maschinen abgeriegelten Kapitalismus traditionelle Werte wie Freundschaft und Liebe entgegensetzt, um sein Riesenarschloch (Michael Douglas) aus dem Zwang des Systems zur Befreiung der Seele zu läutern. Seine Kritik allerdings, die ist nicht wirklich vergleichbar, die ist sanfter, nicht so hasserfüllt, so hoffnungslos wie ein schwarzes Brett vor dem Kopf. Schon allein dadurch, weil Fincher in erster Linie wesentlich bodenständigeres Drehbuchhandwerk filmisch reformiert, ohne visuell zu protzen, weil er eine gediegene (aber nicht minder aseptische) Form Harris Savides' der Substanz unterordnet. Das versteht sich dann als Achterbahnkino mit Purzelbaumgarantie in einer Welt der getäuschten Wahrnehmung, deren Publikum nicht weiß, was es sieht, in dem es rätselt, was es hätte sehen sollen. Mehrfach wird die Rezeption von "The Game" im Hinblick auf den Schlussgag negativ(er) aufgeladen. Tatsächlich verrenkt der Film mit seinem finalen Knall die eigene Intention ins Unglaubwürdige, macht aus einem ernst gemeinten Plädoyer eine Farce, einen Reißer, den man nicht mehr ernst nehmen kann, unabhängig dessen, dass die Pointe zu einem frühen Zeitpunkt bereits unterschwellig vorweggenommen wird.

Fincher, Brancato und Ferris tüfteln also Ideen für etwas aus, was nicht mehr als Überraschung gelten müsste, obwohl ihr Film doch auf Überraschung gebürstet scheint – einer läppischen Lebenshilfe und fragwürdigen Beziehungsnachhilfestunde, wonach erst die gründliche technisierte Recherche den in seinen Handlungsweisen vorhersagbaren Menschen entschlüsselt. Kurzum: Das ist für Fincher unter der Oberfläche einfach nicht mehrdeutig genug, schon gar nicht so fesselnd, so Spektakel, als dass man die Spielregeln akzeptieren könnte. Selten eklatant störten massivste Fehler in der filminternen Logik eines sonderbaren Spiels, das von unfreiwillig komischen Zufällen statt der geforderten Kontrolle lebt, und selten waren Finten fintenloser: die nie existierende Firma, der stehen gebliebene Fahrstuhl, der Stromausfahl, der Taxifahrer außer Kontrolle. David Finchers Souveränität, mit den Meriten des Genres zu hantieren, um der Langweile von vornherein eine Abfuhr zu erteilen (sehr schön ist die Szene in Christines Wohnung, die sich, wie der Film übrigens auch, als Attrappe erweist), ebenso wie Michael Douglas' Darstellung eines einsamen Großstadtmenschen, der den Geschmack am Leben verloren hat, hieven das Spiel dennoch zum mittelmäßigen Pausenvertreib, der es schafft, durch strenge Interieurs, galligen Wortwitz und kühle Kompositionen das einzulösen, was ihm narrativ weitgehend verwehrt bleibt.       

5 | 10