Posts mit dem Label David Koepp werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label David Koepp werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, 24. Juli 2013

Spielberg-Retro #16: "Krieg der Welten" / "War of the Worlds" [USA 2005]


Den Weltuntergang, den Zusammenbruch der zivilisatorischen Ordnung einzuleiten, dafür hätten die Meister des Materialverschleißes klare, prollige Anfangsbilder. Roland Emmerich würde mit einer Rakete beginnen, Michael Bay mit der dazugehörigen Explosion. Ihre Invasionsszenarien wären so absehbar wie erwartungsbestätigend, sie würden lediglich ihren vorgefertigten Weg gehen, ohne dass sich jemand dabei entrüstet zeigen würde, weil die Gewohnheit längst salontauglich geworden ist, dass das, was wir zu sehen glauben, sich automisch bestätigt. 

Steven Spielberg dagegen beweist Geschick und Ambition, denn sein "Krieg der Welten" nach der Weltliteratur-Paranoia von H. G. Wells entlädt sich in dem Grauen, das wie beiläufig erscheinen muss: Der Himmel erbebt, die Sträucher zittern, Asche und Stofffetzen wirbeln durch die Luft. Beißender Regen und ein fleischiges, saftiges, matschiges Blutrot ergießt sich über die Weiten der Natur zu ölverschmierten Gemälden einer minutiös durchorganisierten Planetenausrottung. 

Wenn "Krieg der Welten" als eine der nihilistischsten Arbeiten Spielbergs gilt, dann erschließt der Film im Gegensatz zu jenen Krawallbrüdern wie Emmerich und Bay zugleich etwas, was die Verhältnisse, gerade nach "Catch Me If You Can" und "Terminal", umkehrt – Steven Spielberg geht einen neuen Weg. So unverblümt infernalisch, so teuflisch deprimierend verwandelte lange kein aufs postmoderne Einschlafmärchen spezialisierter Mainstream-Filmemacher mehr den Trugschluss eines verzerrten Amerikabildes in einen pochenden, dröhnenden, keifenden Alptraum, der in der Hektik zusammenbrechender moralischer Wechselbeziehungen, deren Verwirrung, was als nächstes zu tun ist, und schließlich in einem politisch gerechtfertigten, allerdings zu kurz greifenden Aktionismus den Verweis zum 11. September 2001 sucht, ja regelrecht ausstellt.

Spielbergs brodelnder Alien-Gigantismus in seinen kreiselnden Kameradrehungen, in seiner rasenden Williams-Verfolgungsmusik, in seinem weißen Gegenlicht, in seinen monochromen Farbstichen und in seinem grobkörnigen Naturalismus belebt den Genrefilm der 50er, um im modernen Blockbuster-Korsett tiefere (Spielberg-)Ideen auszudenken, Menschen mit einer unkontrollierbaren Gefahr zu konfrontieren, die wider Erwarten hereinbricht. Vielleicht ist "Krieg der Welten" nicht unbedingt intelligent genug zu wissen, wann sich dies mit bizarrstem Humor beißt.



Denn weder eine in einem Schuppenlabyrinth ausgiebig durchexerzierte "The Abyss"-Hommage noch das "E.T."-Fahrrad mitsamt einigen außerirdischen Knuddeltierchen, die Spielberg allzu häufig direkt zeigt und zuweilen parodistisch grundiert, verleugnen ein Ungleichgewicht der Dramaturgie, neben bitterstem Defätismus immer noch Zeit zu haben für einen albernen Scherz. Auch der Schmalz des ohnehin abgeschmackten, strukturell verknappten Deus ex Machina-Endes verrät die Konzeption der Dunkelheit, indem urplötzliche kathartische Erleichterung den Verdacht unterstützt, dass Spielberg den Film (auf seine Weise) schnellstmöglich zu Ende bringen wollte. 

Am eindrücklichsten ist "Krieg der Welten" eher dann, wenn er das Spektakel in einem Spektakelfilm vollständig konterkariert, wenn ein unschuldiges Kind (Dakota Fanning) einen kaum kontrastreicheren Gegenpol des Lebens in der totbringenden Katastrophe bildet, wenn sich dessen tiefe Flüsterstimme aus der Schwärze der Nacht erhebt und das Überleben maßgeblich davon abhängt, ob die Stimme versagt oder nicht. Da Spielberg seinen Weltuntergang familiär ohne weitgehenden Wissensvorsprung unterfüttert und bis zuletzt aus dieser Perspektive ungemein ökonomisch erzählt, verringert er gleichzeitig den redundanten Bombast, der einen Film dieser Größenordnung zu dominieren droht. 

Militärische Vergeltungsschläge werden im Zuge dessen durch Grashügel verdeckt, ein Mord mit einem Kinderlied begleitet, eine Brücke im Hintergrund des Bildes zerstört, während sich die Angriffe der Invasoren in verzerrten Miniaturausschnitten der Wirklichkeit abspielen, in Seitenspiegeln und Rückspiegeln von Autos, im Display der aus der Hand geschlagenen Videokamera, im Licht und im Schatten. Für den Prozess der Aktion interessiert sich Spielberg selten, alles, was übrigbleibt, sind die Resultate der Finsternis. "Krieg der Welten" als handelsüblicher Blockbuster verwehrt sich somit dem Blockbuster-Gebaren umso konsequenter, je konzentrierter Spielberg Form und Inhalt vermischt. Es ist ein seltsam schöner, ein seltsamer intimer, ein garantiert unvorhersehbarer Blockbuster kleinerer Größe. 

6 | 10

Freitag, 21. Juni 2013

Spielberg-Retro #10: "Vergessene Welt: Jurassic Park" / "The Lost World: Jurassic Park" [USA 1997]


John Williams' heldenmütiges Theme erklingt sehr selten in der Fortsetzung wissenschaftlicher Hybris und prähistorischer Schöpfungskraft. Gemeint ist der Charakter einer Fortsetzung, die dem längst ausentdeckten animalischen Abenteuer keine Sprachlosigkeit mehr zu entlocken versucht, sondern nur noch einen beklemmenden Überlebenskampf musikalisch unauffällig begleitet. Umso comichafter Spielbergs Dinosaurier Menschen jagen, desto weiter entfernt sich der Amerikaner jedoch von seiner eigenen Schöpfung, die seinerzeit in subtilen, mitreißenden Entdeckerwahn verfiel, jetzt aber in eine monotone Mechanik kommerzieller (InGen-)Unterhaltung, schlicht: der Dino-Action, wildert.

Daraus geschlüpft ist ein (deshalb teilweise unfreiwillig) selbstreflexives Kreaturentreiben, dem Spielberg eine Aura des Lustlosen verleiht, eine Aura des geschwätzigen Dialogdünnpfiffs ebenso (zwischen Nerds ihres Fachs!), wie eine des Vertrauensverlustes, Bilder wirken zu lassen, ohne sie redundant zu kommentieren. Ein Unterschied mehr zum Original. Ein künstlerisch ähnlich imposanter Nachklapp stand zunächst wohl nicht im Interesse Spielbergs.  Dabei müssen hauptsächlich die mythologischen Naturgeschichten King Kongs und Moby Dicks herhalten, die Erde vor dem markerschütternden Stampfen des T-Rex' zu beschützen, der den Antagonisten mit hypnotisierendem Augenkontakt sowie ironischem Schwank verkörpert, und mit dem sich zugleich eine Jagdobsession in Gestalt des Kapitän Ahabs herauskristallisiert (Pete Postlethwaite spielt ihn ausreichend brummig).

Wenn ein Schrei in ein Gähnen übergeht, Jeff Goldblum irrsinnig doof gegen Velociraptoren (respektive gegen Kapitalisten) kämpft, gar als T-Rex gehalten wird und fahrbare Kommunikationseinrichtungen schließlich über der Klippe hängen, dann ist Spielberg allzu selten in seinem Element, mit erinnerungswürdigen Höhepunkten zu flirten. Denn auch wenn die Form schließlich triumphiert, exzessiver, ausgestellter, direkter nämlich – irgendwann wird auch ein Vergnügungspark langweilig, sobald die Attraktionen lediglich damit beginnen, sich durch Menschenhand von Jahr zu Jahr marginal zu verändern, um eine vermehrte Anzahl an Besuchern anzulocken.

5 | 10

Dienstag, 25. Dezember 2012

"Panic Room" [USA 2002]


Eben noch der Globalisierung Existenzverdüsterung unterstellt, später dann im Meisterwerk "Zodiac" eigene mitgeformte Etiketten abgeschabt, markierte "Panic Room" wieder Urlaub für Fincher, um sich von dem einen höchstwahrscheinlich zu erholen und für den anderen vorzubereiten, eine Art experimenteller Füllfilm, beinah Avantgarde im Mainstream-Thriller, zu Unrecht verrissen. Eine stilistische Fingerübung desjenigen Propheten, der uns die existentialistische Dunkelheit der Zivilisation herbeigedichtet hatte. Bereits die futurisch an Manhattans Innenstadt festgeklebten Opening Credits zu Howard Shores verdüsterten Violinen geben eindrucksvoll Auskunft darüber, dass sich "Panic Room" keineswegs als schnöder Genrefilm verstanden wissen will, sondern als ein ästhetischer mit Handschrift.

Eine Nacht, ein Schauplatz, ein Raum, Regen, Dunkelheit, künstliches Licht – Fincher gehorcht dem reinen Minimalismus, indem er die grundlegende organische Vernetzung seines Schaffenswerkes, dem in monochromen Farbstichen genähten Hermetischen als Ausdruck einer dünnen Linie zwischen innerer und äußerer Gefahr, Freiheit und Zwang, Verletzlichkeit und Willensstärke in Klaustrophobie und Paranoia spielfilmlang verdichtet. Immer wieder wechseln die Perspektiven von Einbrechern und Opfern, wie sie sich von Tätern und Ermittlern in Finchers "Sieben" auseinandergerissen haben, spiegeln, überschneiden, widersprechen sich, und zwar genau dann, wenn  sich Rollenverteilungen ad absurdum in sich selbst auflösen; wenn der Einbrecher der Rolle des fürsorgenden Gefangenen denn übergeschnappten Eindringlings gerecht werden muss, wenn dessen Opfer mit Waffe den aktiven Part übernimmt, den des Verhandlungslenkers denn –führers, stets darauf bedacht, mit Druck die Situation ohne Leichen zu umschiffen. Das ist fesselnd, atmet Urängste und ist nicht ohne schwarzen Witz geschrieben, man könnte denken, dass Fincher etwas vorwegnimmt, dass er sich auf etwas einstimmt, bevor "Zodiac" kommen sollte.


Nicht zuletzt aufgrund der überaus präzis getimten Spannungskomplikationen (besonders das originelle Täuschungsmanöver, den Schurken als den Ex-Ehemann zu verkleiden) in ebenso brachialer Zeitlupe, kontrastreicher Lichtdramaturgie wie verwinkelter Mise-en-scène ist das ein effizient geordnetes Kammerspielprinzip über Katz' und Maus im Labyrinth der Monitore, der Kameras, kurz: der nie eindeutigen Digitalisierung des Sehens. Ohne das provokante Potenzial der Vorgängerfilme David Finchers bedacht, dafür aber mit geballter destruktiver Energie – ein Schaufelstoß beziehungsweise ein Körperstoß wird so vertont, dass die Farbe an den Wänden abblättert – und handwerklicher Verspieltheit schwereloser CGI-Kamerfahrten, die den gesamten Raum zwar überblicken (sich zum Beispiel einen minutenlangen Überblick verschaffen, sobald die Gangster an der Haustür rütteln), ihn gleichwohl nicht strecken, eher stauchen, zusammenpressen, die Enge desselben zugleich maximieren und minimieren; die erdrückende Enge demnach ausloten, ehe alles in einem tendenziell versöhnlichen Finale kulminiert, das für Fincher schlussendlich nicht unbedingt das einlöst, was von ihm gewohnt ist. 

An den Figuren hapert es. Jodie Foster spielt trotz einer unterentwickelten hysterischen Angststörung des Drehbuchs nicht schlecht, auch wenn ihre nasale Synchronstimme viel kaputt macht, um sich überhaupt mir ihr zu identifizieren. Während ihre Tochter, selbstsicher gespielt von Kristen Stewart, zur Abwechslung nicht sonderlich nervt, entspringen die Einbrecher indes der Klamottenkiste, weil ihre Absichten, ihre Motivationen entweder überhaupt nicht näher untersucht werden (Raoul) oder hoffnungslos abgegriffen wirken (Burnham; hartweich: Forest Whitaker). Da passt es ganz gut, dass Dwight Yoakam schauspielerisch dennoch heraussticht, eine jener üblen Fincher-Figuren, die mit, natürlich, destruktiver Energie gesegnet sind. Fincher-Mainstream ist meist so oder so immer noch dem Mainstream vorzuziehen, zu destruktiv ist er insgesamt. Und zu schaurig-schön.         

6.5 | 10

Sonntag, 1. Juli 2012

"Mission: Impossible I-III"


 »MISSION: IMPOSSIBLE«
(USA 1996; Regie: Brian De Palma)

Nett gemeinter Agentenflick, angestaubt mit Röhrenmonitoren und Disketten, "fun" und "pleasure" also, der "Kobra, übernehmen Sie" zum Hollywood-Popcorn-Mythos verarbeitet, aber Gefahr läuft, wie übrigens die anderen Teile auch, seine Schlüsselszenen konzentrierter zu studieren als deren Füllmaterial als Verbindung dazwischen. Die stufenweise Liquidierung des IMF-Teams zu Beginn, der legendäre Langley-Einbruch ins CIA-Hauptquartier und die Hochgeschwindigkeits-Zug-Verfolgung am Ende repräsentieren so knallig wie dicht Brian De Palmas überstilisierte (Kamera-)Jagd nach den wahren Bildern inmitten von falschen Lügen, schräg gefilmten Gesichtern und geliehenen Identitäten, die nicht mehr auseinanderhaltbar scheinen, de facto das Entrümpeln des Seins im Schein.

De Palma weiß erfahrungsgemäß wie man Einbruchssequenzen größtmöglich erfinderisch ineinander klappt, und davon saugt der Film offenkundig seinen Reiz der Unterhaltung willen. Wenn er jene Liquidierung, durch die Ethan Hunt (Tom Cruise) schlussendlich unfreiwillig flüchten muss, als Choreografie dirigiert, die zwischen den einzelnen Arbeitsschritten der jeweiligen Personen schneidet, wenn er beim CIA-Raub in einer spinnennetzförmigen Innenarchitektur (Hunt ist im Prinzip das Insekt darin) Spannung aus Schweißtropfen suggeriert und die daraus resultierende Anspannung, omnipräsent unter einer festgelegten Lautstärke hantieren zu müssen, direkt aufs Publikum überträgt, das so still wie möglich zu sein hat.

Diese Sequenz verkörpert fraglos das Highlight, De Palma verschließt sie mit einer amüsanten Pointe. Wohingegen der Showdown das auskitzelt, was später in Substanzlosigkeit mündet: der Transformation Hunts zur Rambo-Karikatur und dem Selbstproduzieren des Egos, weil er dachte, es sei eine Selbstverständlichkeit, er habe den Film auch produziert. Daneben gibt's 'nen Zoom von der Totale des Zuges zur Nahaufnahme des Zugfensters, Elfman-Noten und allerlei technischen Krimskrams, auf dem man bloß nicht herumkauen sollte.

Den Einzelszenen mit Schmackes hat De Palma fortwährend allerdings nichts Festes, das heißt: einen übergeordneten Spannungsbogen nebst einer mannigfaltigen Konfliktdynamik innerhalb der Gruppe entgegenzusetzen, außer oberflächlichen Alibi-Stoff gewitzt aufgelegter, aber strikt fad entwickelter Stars reinzuquetschen, der so doof wie plemplem die langbärtigsten Handlungswendungen bei allem scheinbaren Intellekt aus dem Apple Powerbook schüttelt – dem Chef des Teams (straight: Jon Voight) kommt die Rolle des fiesen Obermackers gelegen, jedwedes Detail akribisch zu planen, um eine fette Stange Geld einzusacken. Natürlich! Und an eine Sicherung in den Lüftungsschächten des scheinbar sichersten Gebäudes der USA wurde erst recht nicht gedacht. Das prominente Autoren-Trio (Koepp, Towne, Zaillian) scheint in "Mission: Impossible" zuweilen seltsamerweise der Kreativität überdrüssig – und allmählich der Konfusion unterstellt.


»MISSION: IMPOSSIBLE II«
(USA 2000; Regie: John Woo)

Obwohl das Spektakel augenscheinlich von Anfang an auschoreographiert war, existierte Gerüchten zufolge kein Drehbuch, erst unmittelbar während der Dreharbeiten wurde die Geschichte häppchenweise (vielleicht auch notdürftig?) zusammengeflickt, unabhängig davon, dass John Woo vom Studio aus seinen anfänglichen Dreistundenfilm zusätzlich auf zwei runter kürzen musste. Das ist kein Problem, solange man es nicht spürt. Woos Problem liegt aber nun einmal gerade darin, dass man sie tatsächlich fühlt, diese unterschwellige Empfindung der Unvollständigkeit der Idee, die zur Ideenlosigkeit verkommt, dieser Riecher von Unzufriedenheit, der durch die Handlung flattert. "Mission: Impossible 2" wirkt mehr noch als sein Vorgänger um seinen Kern herum konzipiert – dem Kern der Action, dem geräucherten Fisch im Sushi, dessen Ummantelung aus erkaltetem Reis, also einer mehr oder minder ungenießbaren Rahmennarrative, besteht.

Woo vermengt asiatischen Heroic-Bloodshed-Zeitlupenästhetizismus mit erschlagender Distinguiertheit zum formschönem Poem schwerelos tanzender Körper im Raum, mal definiert als Todesbedrohung, dann wieder als Todestransportmittel, das in letzter Konsequenz gar nicht mehr Agentenfilm sein kann, wo das Miteinander und das Gegeneinander zählt, sondern vielmehr ein reines melodramatisches Actiondrama über die Liebe und einen Typen, also auch wieder so etwas wie ein egokitzelndes Werbegeschenk für Tom Cruise, ohne dass er dafür einem Geheimnis auf die Schliche kommen muss. Er muss zerstören, bloß zerstören, nämlich eine Bio-Waffe, er muss reagieren, nicht viel agieren, mitmachen, nicht vormachen, mit wehenden, mit fettigen Haaren – und dabei möglichst gut aussehen. Es sei dahingestellt, inwieweit das manische Recherchieren nach den pathosbesoffensten Panoramen (Sonnenuntergänge und Kletterpartien umschließen einen kleinen Teil derer, die von dem Ästhetikdrang seines Machers regelrecht betäubt scheinen) der Geschichte zuspielt und nicht eher dem Manierismus anheimfällt, da jede Geste möglichst übergroß.

Gewiss weiß die bedingt wendungsreich aufgezogene Geschichte allenfalls rudimentär mitzureißen, speziell das kitschige Gebalze aus Erotik und Leidenschaft (kontrastiert von Feuer) ermüdet, speziell verreißt Woo die Figuren und deren Tragik (ein Mindestmaß Amüsement für den stets putzigen Ving Rhames nebst zerschossener Designerkleidung). Alles eben kaum tiefschürfend, alles zu schnell, alles, ja unvollständig, weil alles der Action zuarbeitet, sie begründet. Maximal die aus dem ersten Teil adaptierte Maskengeschichte, die im zweiten Teil vermehrt Anwendung findet und mit fast redundanten Konturen gezeichnet ist, erweist sich als geeignetes Instrument, der Geschichte Doppelbödigkeit und zugleich dem Woo-Motiv der Doppelidentitäten Ausdruck zu verleihen, wenn es im brachialen Showdown den falschen mit mehreren Kugeln erwischt, eine Szene, die zeigt, wohin die Figurenkonstellation des "Chinatown"-Autors Robert Towne hinführen könnte.  

"Mission: Impossible II" stimuliert emotional dennoch insofern, als dass Woos Handwerk trotz eines bleiernen Musikthemas Hans Zimmers über das halbgare Drehbuch und die harmlosen Schurken hinwegzutäuschen versteht – siehe Brian De Palma. Woo ist Profi wie Perfektionist, die Actionsequenzen sind entsprechend unglaubliche Ornamente (Funken schlagen für gewöhnlich, Fahrzeuge zerscheppern durch einen anfahrenden Zug oder werden auf einer Brücke weggesprengt), die Kamera wechselt beständig ihre Perspektiven, der Ton greift sich die Emotionen der Protagonisten und der Szenenaufbau aus fragmentarischen Bewegungen gleicht einstudierten Balletttänzen – so als sich Nyah (Thandie Newton) und Ethan (Cruise) in Sevilla erstmals begegnen und die Sequenz symbolträchtig mit einem spanischen Stepptanz codiert wird. Auch als die obligatorischen Tauben fliegen und Ethan Hunt elegant seinen Widersachern entkommt und Zimmer zwischenzeitlich Ethno einspielt: Das ist Ästhetik, die ergreift, und die aus "Mission: Impossible II" noch lange keinen richtig schlechten Film macht.


»MISSION: IMPOSSIBLE III«
(USA, D, CHINA 2006; Regie: J. J. Abrams)

Philip Seymour Hoffman, bitte für das nächste Mal längere Auftritte in einem Agentenfilm einplanen oder gleich direkt die Hauptrolle des Geheimagenten spielen. Beleg: "Mission: Impossible" hat endlich einen irrsinnig-fülligen, zwischen Auric Goldfinger und Blofeld changierenden Geistesgestörten gefunden, der selbst davor nicht zurücksteckt, Unschuldige für einen MacGuffin zu töten, den niemand zu erklären bekommt. Und der Ethan Hunt (Tom Cruise) hinsichtlich dessen Paroli zu bieten vermag, als dass er ihn durch seine egozentrische Boshaftigkeit gar überflügelt, weil Owen Davian (so der Rollenname Hoffmans) die reichlich interessantere Figur von allen uninteressanten Nebenfiguren ist, die diesen dritten Teil bevölkern (Ausnahme Laurence Fishburne, ebenfalls füllig, sowie Simon Pegg, ebenfalls irrsinnig, irrsinnig quasselig). Und weil Hoffman schlicht der wuchtigere Schauspieler ist.

"Mission: Impossible III" startet ungewohnt dramatisch. Der Anfang des Beinah-Endes des Beinah-Todes – effektiv. Das musikalische Titelthema hingegen – leider ähnlich kraftlos wie im Vorgänger, der Actiongranate John Woos, die hier, wenn auch nicht unbedingt in ausladender Choreographie, ohnehin im Bereich Adrenalinausschüttung, Schweißhaushalt und Herzklopfgeschwindigkeit ausgebremst wird. Es passiert fortlaufend viel in J. J. Abrams' Version der Filmreihe, wahrscheinlich viel mehr, als in den beiden vorherigen Teilen zusammengenommen, viele Bewegungen, oft verknüpft mit den unbewussten Reflexbewegungen und physischen Schutzmechanismen im Todeskampf, klettern, rasen, rennen, vor allem die Bewegung der Bewegung der Filmreihe, wenn sich Hunt mit Drahtseilen von einem Ort zum anderen schwingt. Es sei angemerkt, dass er sich diesmal in Shanghai von einem Wolkenkratzer zum nächsten austobt.

Zudem rückt Abrams den einige Jahre vorher sträflich vernachlässigten Einheitsgedanken des Teams näher an die menschlicheren Figuren, deren Fehleinschätzungen das Verzweifeln über einen gestorbenen Agenten aufs Nachhaltigste forcieren. Allgemein ist das sowieso ziemlich nervenaufreibend-anregendes Mainstream-Genrekino, es kommt zumindest dem näher, was von einer Reihe namens "Mission: Impossible" zu erwarten wäre. Indem das Drehbuch nahezu pausenlos retardierende Hochspannungsszenen ("Ich zähle bis 10…"), apokalyptische Actionpassagen (Brücke) und gründlich getaktete Heist-Spielereien installiert (Vatikan, wo endlich das Gimmick der Latexmasken nachvollziehbar zu werden scheint), bleibt ein Gähnen bewusst unterdrückt, da es nämlich keine Chance dazu bekommt, da es aber auch keinen wirklichen Grund dafür gibt, sich der Unterhaltung zu entledigen.

Einzig die zugleich mit mehr geforderter Menschlichkeit einhergehende Metaebene, welche zuvorderst die Frage aufwirft, ob ein Leben als Agent mit einem Familienleben vereinbar sein könne, bleibt mau in ihrer psychologischen Ausformulierung, da doch stets im Rahmen der Drehbuchmöglichkeiten. Auch das Finale ist samt abgenagter Maulwurf-Wendung wenig spektakulär, sondern geradezu idiotisch (Reanimierung), die Schlussszene dick aufgetragen und immer, wenn Abrams meint, während der Hatz für eine Weile inne zu halten und den Zwischentönen zu lauschen (zum Beispiel als die Aktion der Hasenpfote nicht gezeigt wird, beste Idee), gelingt es dem Film nie, seine Protagonisten emotional zu grundieren. Zum Schluss: Wie sähen die Actionsequenzen aus, wenn sie nicht verwackelt wären? John Woo? James Cameron? John McTiernan? Peter Hyams? Nicht auszudenken.

Gesamtwertungen: 5 | 10     5 | 10     6 | 10