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Dienstag, 9. August 2016

"Fight Club" [USA 1999]


[...] Interessanter erscheint es, wenn das Entstehungsjahr eine Zeitgeistmotivik herleitet: 1999. Die objektive Erzählung hat ausgedient, das Leben eine "Karte" (splitternder Bezugspunkte). Jean Baudrillard schrieb gar vom Verschwinden der Wirklichkeit, gekoppelt ist der daher entkörperlichte Mensch an digitale Entwicklungsstufen. "The Big Lebowski" erschien ein Jahr früher. Beide verhandeln ironischerweise ähnliche Seinsfragen angesichts einer latent zivilisatorischen Unordnung, der eine auf eine lockere, der andere auf eine zynische Weise: Es geht um den postmodernen Menschen kurz vor der Jahrtausendwende. Fincher abstrahiert dies zum Extrem, wenn er den Erzähler, gefangen in einer für Fincher klassisch patriarchalischen Ordnung, in die Zeichenhaftigkeit zwingt. Anonym, willig, funktionierend. Leben als Werbefläche und -bande. Dass dabei zwangsläufig eine Entfremdung des Selbst und die Sehnsucht nach Aufgaben entsteht, die den Erzähler vom Zeichen zurückverwandeln in ein denkendes und erkennendes Subjekt, setzt den Schwerpunkt für Fincher, diesen Ausbruchsversuch (Tylers Ideologie) als Ideologie über die postmoderne Erzählung an sich zu tarnen. [...]


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Freitag, 13. Februar 2015

"Gone Girl - Das perfekte Opfer" [USA 2014]


Muss dieser David Fincher entkräftet gewesen sein, um sich neun Filme lang hinter einer Täuschungsmasche zu verhüllen – jetzt, definitiv, bekennt er sich zur IKEA-Exploitation, gekonnt ausgeschmückt, reißerisch feminisiert und nie überanstrengt, Charaktere an bekannten Twist-Ampeln anzustupsen, als sie sein zu lassen. Dies ist der Drehbuchseiten raschelnde Metakniff in "Gone Girl": Dieser Film ist die manipulatorische Vorderseite von etwas Wechselwütigem, das wir nicht sehen sollen, teilnahmsvoll und vulgär, reglementiert und entrüstet vor ablenkenden Überraschungen, deren gruselige Plausibilität den sprungbereiten Medienzirkus karikiert. Die übelkitschigen Eheszenen, die übelschrägen Verwicklungen, die übelschlechten Rotationstricks – das muss System sein, um den Betrug grotesk zu verfielfachen. Hätte ein weniger versierter Arrangeur wie David Fincher den hartnäckig selbstdemontierenden (hartnäckig stupiden) Stoff Gillian Flynns dramatisiert, hätte ein Fiasko entstehen können. Aber Fincher schlittert bisweilen exzentrisch in die Vorlage und muntert sie mit seinen ziseliert gesteuerten Schauspielern auf, der Puddingtropferei Rosamund Pikes, dem heimtückischen Augenkontakt Ben Afflecks. Oder den gestanzten Credits. Im Film allerdings fällt ein wichtiger Satz. Amys (Pike) abgeschmackte Story sei zu perfekt. Reflektiert sich "Gone Girl" (auch) hier? Finchers Jubiläumswerk sitzt in der Tat einer erzählgestaltenden Perfektion auf, die jede Luftblase erfasst, jeden Kalkulationsfehler vernichtet und erst dadurch, ja, auf der Mattscheibe schwerlich ernst zu nehmen ist.

5 | 10

Montag, 25. Februar 2013

"Verblendung" / "The Girl with the Dragon Tattoo" [USA, S, GB, D 2011]


Ohne über den Sinn oder Unsinn filmischer Übersetzungen in die amerikanische Sprache zu schwadronieren, meldet sich der neue David Fincher zurück, und "Verblendung" verhehlt, wieder einmal, zu keiner Zeit den künstlerischen Umbruch im Bewusstsein eines ehemaligen subversiven Bildverdunklers, stellt ihn gar unumwunden aus. "Verblendung" würdigt in seinen fesselndsten Momenten obsessiver journalistischer Spurensuche "Zodiac", wo es um das zermürbende Dechiffrieren von Fragmenten ging, und um das, womit man wahnsinnig werden kann, sich aber auch in höchste Gefahr begibt.

Aber dass Finchers vorliegende, meist analytische, oft mathematisch dramatisierte Drehbücher sich seit "Panic Room" mehr und mehr dem Diktum lebloser, dafür aber schwelend bedrohlicher Abfilmerei fügen, findet in seiner kriminalistischen Stieg-Larsson-Geschichte über die Verdrängung des Erinnerns, über vertuschte Wirtschaftsverbrechen, die Reputation der Karriere, Enthüllungsgefahr, Misogynie und antisemtische Gesellschaftssysteme eine besonders indifferente Formsprache, die dem Inneren der Figuren zuwiderläuft.

Obwohl Daniel Craig (katzenängstlich; damit konterkariert er sein Bond-Image und spielt es pointiert gegen den Strich) und Rooney Mara (anorektisch, kaltherzig) robuste und doch fragile Persönlichkeiten mit einem hohen Maß an subtilem Zorn verkörpern (Mara mehr als Craig), begreift Fincher sie rein sexuell als sich selbst befriedigende Triebwesen, wodurch es ihm, wieder einmal ("Sieben", "Zodiac"), unmöglich scheint, eine existenzielle Liebesbeziehung zu vertiefen, die trotz aller sexuellen Avancen asexuell in ihrem Wesen der Bestimmung einer tristen Bühnendekoration entspricht.


Zudem strukturiert Steven Zaillian die Handlung in parallel geschnittene Einzelabschnitte, und es zeichnet sich ab, dass sein Vorgehen, der literarischen Vorlage sklavisch nachzuhängen, spätestens im unkonzentrierten Antiklimax-Finale unangenehme Streckungen entfacht, wodurch das Drehbuch einige filmische Erweiterungen vermissen lässt, einen relevanten Schwerpunkt zu setzen, der komplexer ausgedehnt wird. So aber findet sich bei Zaillian alles aus dem Roman, und zu wenig davon kann hinausweisen – über das Stichwort, es wäre da.

Wenn Fincher allerdings audiovisuell protzt und gänzlich filmisch akzentuiert, dann ist er ganz bei sich selbst, dann forciert er einen namenlosen, naturalistischen Schrecken. Formschön vermischt er die stürmische Natur mit Kälte, dem Schneetreiben, Wahnsinn und Blut, intensiviert auf der knurrenden Tonspur tranceartige Wahrnehmungsgeräusche, während er schallende (Enya-)Musik als hintergründigen Gag heranzieht, Gewalt bizarr auszuschmücken (in einer penibel gesäuberten Folterkammer!), die im friedlichen, unschuldig weißen Schweden doppelt schmerzt. 

Die einerseits wärmende, anderseits giftige Ausleuchtung, aseptische wie rustikale Innenräume sowie einige Kameraspielereien der präzisen Kadrierung lassen erahnen, wer dieser David Fincher früher einmal war, und dass er heute das bloße Handwerk des Thrills nahezu ehrfürchtig kultiviert hat. Anhand des gemorphten Titelvorspanns – Körpergewebe explodiert und saugt sich anhand von elastischen Latexfäden in das jeweils andere der Figur – ist das Leitthema Finchers explizit codiert: Die rebellische Verwandlung des Äußeren und Inneren dient dazu, sich als Zwitterwesen neu zu erschaffen. Mit einem Ausrufezeichen.

6 | 10