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Freitag, 13. November 2015

"Christine" [USA 1983]


[...] Die Decodierung der metaphysischen Komponente, Christine sei, unter Umständen, ein außerirdisch gesandtes Wesen in Gestalt eines Autos, dampft den Film daher auf ein bodenständige(re)s Maß ein – in einer regelrecht meditativ gedrosselten Erzählhaltung, die alles Bedeutsame gleichrangig und schnörkellos reiht, interessiert sich Carpenter entschiedener für die Wirkung Christines als für die Ursache ihrer Taten. Wo andere Carpenter-Filme wie "Halloween", "The Fog – Nebel des Grauens" sowie "Das Ding aus einer anderen Welt" einer immateriellen, omnipräsenten Bedrohung verfielen, die wie heißer Dampf der Spontanüberraschung des Zufalls entstieg, ist Christine in diesem Fall ein physischer, ein explizit zu bemerkender Aggressor. Und doch verwirklicht es der Film, primär eine latent okkulte (Carpenter-)Stimmung zu transkribieren, die sich vor direktem Zugriff windet und das Unerforschte, genauso wie das Halbseidene betont: Die punktgeformten Lichtquellen von Christines Scheinwerfer bei Regen, Nacht und absurdem Feuer, ihre schleichenden, heranpirschenden, grazil-sinnlichen Bewegungen, infizieren lyrischen Carpenter-Spuk [...].


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Mittwoch, 11. November 2015

"Die Mächte des Wahnsinns" / "John Carpenter's In the Mouth of Madness" [USA 1994]


[...] Die Suggestion scheint mächtig in Carpenters postmoderner Codierung des Genres, die Realität dagegen ebenso instabil wie anfällig für die Kräfte, die in ihr verdächtig schlummern. Trent spürt das – er muss sich fortdauernd rückbesinnen auf das, was sich entweder gegenwärtig abspielt oder fiktional weitersinniert wird. Ist er ein Mensch, dessen Bestimmung noch nicht festgeschrieben steht, oder eine Figur im literarischen Modellbaukasten reglementierter Aufgaben? Der Film schlafwandelt zwischen diesen beiden Polen [...], ist dabei jedoch vollkommen eins mit sich und einer Idee mehrerer Widerhaken, die raffiniert aufgesteckt werden. Am wunderlich-wunderbarsten ist "Die Mächte des Wahnsinns" andererseits in der Karikatur, in der reflexiven Übertreibung, in der mit spitzer Feder artikulierten Grenzüberschreitung, den Horror in seiner pädagogischen Steilvorlage von Schädlichkeit und Abstumpfung aufs Korn zu nehmen: Der Horrorfan und –konsument, Bestandteil einer sakrosankten und sektenartigen Klientel, eines anderen Mächteverhältnisses von oben eben, nimmt die Axt in die Hand und spaltet Schädel vor Bücherläden, die das neue und begierig erwartete Buch in zu geringen Beständen verkaufen. [...]


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Freitag, 17. Januar 2014

"The Ward" [USA 2010]


John Carpenter hat wieder Bock auf Kino. Vermisst hatte man ihn nicht. Seine Regiearbeiten, früher dicke Empfehlungen, heute schmerzliche Warnungen, ließen die Leidenschaft vermissen, sich fürs Geschichtenerzählen neu zu entflammen. "Okay, mach' ich halt wieder 'nen Film. Mir egal. Also zuerst das dort, das drehen wir so. Nein, reicht. Ich muss die Glotze pünktlich daheim einschalten." Prinzipiell hätte sich Carpenter auch "The Ward" sparen können. Anders als Wes Cravens brechend parodistische Metasause "My Soul to Take" arbeitet sich Carpenter ironiefrei und inspirationslos durch abgegriffenen Geisterschwank, bei dem, natürlich, etwas lauert, um, natürlich, Rache zu üben, was, natürlich, alles ganz anders kommt. Ein nicht minder heftiges Gähnen begleitet diesen Sammelband im Kuckucksnest (Elektroshocks, Tabletteneinnahme, üble Schwester), der wahrscheinlich nur bei denjenigen wirkt, die noch nie im Leben einen an unterschwellige Ängste kreuzbrav appellierenden Film gesehen haben. "The Ward" steht dafür, dass Carpenter den Anschluss verpasst hat: Die als verflucht clever verkauften Psychokinkerlitzchen überdecken ein Klopapier-Drehbuch, das sich im inneren Kreis des Kreisels dreht. Sein seit "Assault" beständig kultiviertes Isolationsszenario hat sich Carpenter dagegen im Gedächtnis gespeichert. In symmetrischen, überlebensgroß artifiziellen Winkeln jagt er seine dusseligen Figuren durch Raum, Versteck und Belagerung im Ticken eines Metronoms. Das sind, man staune, punktuelle Carpenter-Lebenszeichen.

4 | 10

Mittwoch, 18. Dezember 2013

"Sie leben!" / "They Live!" [USA 1988]


Apathisch wie eine Marmorsäule, ausdrucksstark wie ein vollgeschnüffeltes Taschentuch: Roddy Piper als mit Zwang verstellte Kurt-Russel-Imitation, Meg Foster als bleiche Fernsehtante, deren Sinn und Zweck sinn- und zwecklos scheint, Keith David als zunächst doofer Quotenschwarzer, dem als erster der Kopfschuss ereilt. Die Besetzung in John Carpenters gut gelauntem, aber tendenziell schlecht gealtertem Paranoia-B-Revival "Sie leben!" wird von einer derart bleiernen Gleichförmigkeit heruntergezogen, die symptomatisch ist für den Erzählstoff eines Carpenter-Films nach dem Ding, das aus dem Eis kam – eine irgendwie charmante Grundidee, deren Kreativität sich gleichwohl zusehends erschöpft, weil der Spaß an der Ideenschmiede Kino irgendwann irgendwo unmittelbar vor der Verkündung des Feierabendbieres verloren gegangen ist. In Carpenters über Gebühr trashigem, kultisch verklärtem "Sie leben!", dessen künstlerische Qualität im Anschlusslosen (die unterhaltsame Prügelszene zertrümmert jedweden Anflug von Handlungsrelevanz) und politisch Plakativen zu suchen ist, eiert ein ahnungsloser Outlaw (Piper) durch majestätisch in den Himmel schießende Großstadtpanoramen, während  hinter ihm die hypnotische Tonspur vor Gewalt zu zerplatzen droht. Auch "Sie leben!" erweist sich deswegen als postmoderner, elektrisch tickender Carpenter-Western, der aufgrund scheffelweise platzender Subtilitätsluftballons einer dick anschwellenden Sozial- und Konsumkritik ernsthafter wirkt, als dass er munter drauflos fantasiert. Dem Film fehlt Schmackes, Kurzatmigkeit, Spontanität und Blödsinn. Tröpfchenweise dann nur gelegentlich erheiternd. 

4 | 10

Montag, 11. Februar 2013

John Carpenter. Eine Hommage.


Kurios ist, dass John Carpenter in den Vereinigten Staaten als akzeptierter Genrefilmemacher gilt und in Europa, speziell in Frankreich, als tiefgründiger Künstler. Auf die Frage, warum das so sei, konnte sich Carpenter während eines Live-Interviews allerdings zu keiner befriedigenden Antwort durchringen. Er wisse es selbst nicht, obwohl er sich imstande sah, die Frage des Fragestellers trotzdem zu korrigieren. Er gelte in Amerika nicht als "akzeptierter Genrefilmemacher", wie sich der Mann aus dem Publikum rücksichtsvoll auszudrücken pflegte, sondern, wie sich Carpenter persönlich auszudrücken weiß, als… Penner. Großes Gelächter. Der Saal tobt.

Für die Amerikaner gelte er deshalb als Penner, weil sein erster lakonischer Spielfilm "Assault – Anschlag bei Nacht" beispielweise, der mit seiner tollkühnen künstlerischen Vision, wie eine in sich kaum abgeschlossene Momentaufnahme zu wirken, deren Zusammenhänge sich zwar erschließen sollen, die das Drehbuch aber nicht preisgibt, dem erklärfreudigen US-Kino Enge, Stille und Dichte aufzwinge. Kein Wunder demnach, und später sollte Carpenter durch "Das Ding aus einer anderen Welt" die schlechtesten Kritiken seines Lebens erhalten. Da kommt einer an, bringt zeitgleich mit "E.T." – mit süßem Weltraumkitsch also – ordinären Weltraumekel in die Kinos. Ein Affront. Was man Carpenter nicht vorwerfen kann, ist, dass er keinen absoluten Willen hätte zu provozieren. Ein Sonderling eben. Ein Sonderling sondergleichen.

George A. Romero verwies darauf, dass ihn Carpenter eins gelehrt habe: dass Spannung nicht mit einem donnernden Orchester illustriert werden müsse, sondern dass simple Takte weniger Tasten auf einem handelsüblichen Instrument reichen würden, Situationen musikalisch so zuzuspitzen, dass man ihnen nicht mehr entkommen kann. John Carpenter, der Musiker eben, der Synthesizer, beinah alles tanzt im 4/5-Rhythmus bei ihm. Ein Schlagzeilengewitter für eine Bewerbung: John Carpenter, der Produzent, der Drehbuchautor, der Kamerafetischist. Und, natürlich, John Carpenter, der Nerd, der Geek, der Freak, das Kind im Manne, das sich, wie er gestand, gern vom Dunkel fesseln lasse. Carpenters cineastische Sozialisation begann passend dazu mit Science-Fiction-Kult, den Gruselklassikern (als er einen davon im Kino sah, flüchtete er laut schreiend) und dem Western.


Western sind sie irgendwie alle, die John-Carpenter-Filme. Western aufgrund einer abgeschotteten Polizeistation im fernen Nirgendwo ("Assault"), Western in der Großstadthitze ("Die Klapperschlange"), Western auf dem Mars ("Ghosts of Mars"), stets mit den obligatorischen leinwandausfüllenden Breitbildern ("The Fog – Nebel des Grauens") versehen. Howard Hawks ist nie weit entfernt von John Carpenter. Der eine hat dem anderen den Weg zum Kino geebnet, bei beiden definieren sich die Figuren durch ihr rationales Handeln, durch den freien Willen vielmehr, deren Aktionen, worin auch immer diese bestehen mögen, so schnell verfliegen, wie sie sich spontan dazu entschieden haben, dieses oder jenes anzupacken, sich zu schützen, zu erwidern, mit Waffengewalt oder keiner.

Carpenter erwähnt in diesem Zusammenhang auch gern die Beeinflussung der Frauenrolle durch Hawks. Carpenter setzt genau wie Hawks auf starke, betuchte, emanzipierte Ladys mit dem Finger am Abzug, deren mysteriöses Lächeln ihre erotische Sinnlichkeit betont. Mit "Vampire" widmete Carpenter schließlich einem anderen Großmeister des Westerns seine Hommage, Sam Peckinpah, indem er die männlichkeitsbestärkte Peckinpah-Montage samt Zooms, Zeitlupen und kiloweise Gedärm minutiös nachstellte. "Die Mächte des Wahnsinns", vermutlich letzter ambitionierter Carpenter-Film, verweist hingegen direkt auf Stephen King, während "Das Ding aus einer anderen Welt" sowohl Hawks-Remake als auch erweiterte "Alien"-Versuchsanordnung darstellt.

Man sieht, die Reminiszenz, das postmoderne Plündern im Konglomerat stereotypischer Genremuster zur fantasievollen Jahrmarktsunterhaltung, erweist sich insofern als ein unerschütterlicher Eckpfeiler im Schaffenswerk Carpenters, der sich stets selbstironisch zitiert und augenzwinkernd referenziert, vor allem seine Leidenschaft zum Fantastischen, zum Skurrilen, aber auch zum Hintersinnigen inmitten des Erheiternden. Seine dramaturgischen Schablonen verschiebt er dagegen selten, die Leitgedanken ähneln sich. Es geht in Carpenter-Filmen um die Reduktion des filmischen Mittels, um formale Strenge und Simplizität, um verschlungene Räume, Fassaden und Labyrinthe, um handwerklichen Minimalismus, ebenso wie um die leisen Töne des Genregesetzes, um Spannung, die gar keine ausufernde Effekthascherei braucht.


Bei Carpenter wartet die metaphorisch konnotierte Apokalypse im sonnigen Vorgarten, damit sie zur Haustür geleitet werden kann, wenn der Regen tropft und der Donner grollt. Ob in Gestalt eines undurchdringlichen Nebels ("The Fog"), zum Leben erwachter Plymouth Furys ("Christine"), zerstörerischer Kinder ("Das Dorf der Verdammten") oder in Gestalt eines gefrierschrankkühlen Beelzebubs ohne Emotion ("Halloween"): Wenn das Unvorstellbare, oft auch ebenso metaphysisch wie ideologisch beschwert, in den Alltag der Normalität einbricht, dann züchtet es Monster. Unruhe, Anspannung, Belagerung und urbaner Zerfall spielen hierbei eine thematische Hauptrolle, zu der Carpenter immer wieder zurückkehrt.

So visionär Carpenter den Slasher auch revolutionierte, so ikonische Charakter er auch erfand (Snake Plissken, Michael Myers, die Screem-Queen Jamie Lee Curtis) und so bedrohlich-schön eine stattliche Anzahl seiner Filme auch heute noch nachwirken (eine weitere Reminiszenz: zu "Assault" erklärte Carpenter, dass er sich selbstverständlich von Romeros "Night of the Living Dead" inspirieren ließe, denn wenn ein junger aufstrebender Filmemacher das verneine, lüge er), so seicht geriet sein Spätwerk, so glanzlos seine Selbstvertrashung. Jedem, der sich Carpenter filmisch annähern will, sei deshalb empfohlen, bis zum "Ding aus einer anderen Welt" zu schauen und gegebenfalls "Die Mächte des Wahnsinns" hineinzunehmen. Als ob Carpenter nicht mehr die künstlerische Energie hätte, sich vom Kino vereinnahmen zu lassen. Waren es die miesen Reaktionen zu "Das Ding aus einer anderen Welt", von denen er sich angeblich nie wieder erholte? Oder ist es schlicht der Spaß, der Carpenter abhandengekommen ist?

Die Zeiten jedenfalls, als Carpenter spitzzüngig sein "Sie leben!" als politische Allegorie auf die Reagan-Ära verstanden wissen wollte – im symbolischen Kostüm der Aliens jene Republikaner, über die sich Carpenter so unaufhaltsam amüsierte –, die sind lange vorbei. Legen wir ihn der Ahnengalerie ehemaliger Meister bei. Wenn etwas in der Apokalypse garantiert überlebt, dann sein Denkmal. Sicher.

Donnerstag, 28. Juni 2012

Rob Bottin. Eine Hommage.


Achtung unterschwellige Filmkalauer: Rob Bottin ist ein außergewöhnlicher, ein auf seinem Gebiet singulärer Maskendesigner, und wenn Regisseure auf Rob Bottin vertrauen, damit er in ihren Filmen bizarr aus sich heraus wuchernden Schrecken verbreiten soll, dann kommen die Schocks zumeist aus einer anderen Welt, sehen heute aber noch frisch so aus, als wäre es erst gestern gewesen und wir könnten uns total daran erinnern. Zum Beispiel in John Carpenters dichter Ansteckungsangst "Das Ding aus einer anderen Welt", auf dessen DVD Bottin ruhigen Gewissens verkündet hätte: Hey, seht mal her, das ist Hollywood, das bin ich, seht, was wir drauf haben. Ihr könnt das nicht, ich schon. Aber Bottin könnte es sich leisten, dies so offensiv zu formulieren. Denn er ist bar jedweden Zweifels ein Spezialist in seinem Metier, ein Meister, ein vollständiger Virtuose, der auf der Klaviatur der abnormen Körperlichkeit die schleimigsten Tasten betätigt. Jeder, der Carpenters Remake zum ersten Mal sieht oder als Zeitzeuge in den frühen Achtzigern im Kino gar gesehen hat (und sich mehr über die Reaktionen des Publikums gruselte), sah etwas, was er noch nie zuvor gesehen hat. 

Man kann nicht glauben, wie die das gemacht haben, der in die Höhe schnellende Kopf mit den Spinnenbeinen etwa, die beiden Männer zu einer obszönen Spukgestalt Kopf an Kopf vereint, die Absorbierung des Hundes zu einem fleischigen Tentakelwesen. Auch in "Total Recall", "RoboCop" und "Sieben" tobt sich Bottin im freien künstlerischen Selbstbewusstsein aus, diesen Filmen ihre ungezügelte Wildheit, ihre rohe Brutalität und ihren freien biochemischen Umgang mit der dunkleren Seite der menschlichen Evolution einzudrücken. Transformationen, Assimilationen und Mutationen sind Auswüchse einer grotesken organischen Geisterbahnfahrt, so glitschig, so pervers, so ekelerregend, dass man sich danach gar nicht mehr zur Toilette traut, in der Angst, es käme etwas von unten hochgeschossen. Bottin ist auch deshalb genial, weil er die Vergänglichkeit von CGI offenlegt, während seine Modelle unsterblich bleiben. Unsterblich anders. 


Ein erfolgreicher Wiederbelebungsversuch der Kreatur im Bauch
"Das Ding aus einer anderen Welt"
"The Thing"
(USA 1982 | John Carpenter)


Nebenwirkung: Grüne Kopfkontraktionen


Neben-Nebenwirkung: Mensch-Mensch-Absorbierung


Der Sehnerv außerhalb des Sichtfeldes
"Die Reise ins Ich"
"Innerspace"
(USA 1987 | Joe Dante)


Kubrick-Poesie im menschlichen Körper


Bring' deine Magensäure zum Kochen!


Nie war ein Arzt notwendiger...
"RoboCop"
(USA 1987 | Paul Verhoeven)


Futuristisch; gleichzeitig elektronisch, menschlich und real


Der Säuremann ergibt sich seinem Schicksal


Auf dem Mars ist es ungemütlicher als auf der Erde
"Die totale Erinnerung - Total Recall"
"Total Recall"
(USA 1990 | Paul Verhoeven)


 Körper im Körper aus Körpern


Welche nehme ich?


 Trägheit
"Sieben"
"Se7en"
(USA 1995 | David Fincher)


Ja nicht dem Schmerz verschließen, hörst du!
"Fight Club"
(USA, D 1999 | David Fincher)


Blut Fight