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Montag, 11. Februar 2013

John Carpenter. Eine Hommage.


Kurios ist, dass John Carpenter in den Vereinigten Staaten als akzeptierter Genrefilmemacher gilt und in Europa, speziell in Frankreich, als tiefgründiger Künstler. Auf die Frage, warum das so sei, konnte sich Carpenter während eines Live-Interviews allerdings zu keiner befriedigenden Antwort durchringen. Er wisse es selbst nicht, obwohl er sich imstande sah, die Frage des Fragestellers trotzdem zu korrigieren. Er gelte in Amerika nicht als "akzeptierter Genrefilmemacher", wie sich der Mann aus dem Publikum rücksichtsvoll auszudrücken pflegte, sondern, wie sich Carpenter persönlich auszudrücken weiß, als… Penner. Großes Gelächter. Der Saal tobt.

Für die Amerikaner gelte er deshalb als Penner, weil sein erster lakonischer Spielfilm "Assault – Anschlag bei Nacht" beispielweise, der mit seiner tollkühnen künstlerischen Vision, wie eine in sich kaum abgeschlossene Momentaufnahme zu wirken, deren Zusammenhänge sich zwar erschließen sollen, die das Drehbuch aber nicht preisgibt, dem erklärfreudigen US-Kino Enge, Stille und Dichte aufzwinge. Kein Wunder demnach, und später sollte Carpenter durch "Das Ding aus einer anderen Welt" die schlechtesten Kritiken seines Lebens erhalten. Da kommt einer an, bringt zeitgleich mit "E.T." – mit süßem Weltraumkitsch also – ordinären Weltraumekel in die Kinos. Ein Affront. Was man Carpenter nicht vorwerfen kann, ist, dass er keinen absoluten Willen hätte zu provozieren. Ein Sonderling eben. Ein Sonderling sondergleichen.

George A. Romero verwies darauf, dass ihn Carpenter eins gelehrt habe: dass Spannung nicht mit einem donnernden Orchester illustriert werden müsse, sondern dass simple Takte weniger Tasten auf einem handelsüblichen Instrument reichen würden, Situationen musikalisch so zuzuspitzen, dass man ihnen nicht mehr entkommen kann. John Carpenter, der Musiker eben, der Synthesizer, beinah alles tanzt im 4/5-Rhythmus bei ihm. Ein Schlagzeilengewitter für eine Bewerbung: John Carpenter, der Produzent, der Drehbuchautor, der Kamerafetischist. Und, natürlich, John Carpenter, der Nerd, der Geek, der Freak, das Kind im Manne, das sich, wie er gestand, gern vom Dunkel fesseln lasse. Carpenters cineastische Sozialisation begann passend dazu mit Science-Fiction-Kult, den Gruselklassikern (als er einen davon im Kino sah, flüchtete er laut schreiend) und dem Western.


Western sind sie irgendwie alle, die John-Carpenter-Filme. Western aufgrund einer abgeschotteten Polizeistation im fernen Nirgendwo ("Assault"), Western in der Großstadthitze ("Die Klapperschlange"), Western auf dem Mars ("Ghosts of Mars"), stets mit den obligatorischen leinwandausfüllenden Breitbildern ("The Fog – Nebel des Grauens") versehen. Howard Hawks ist nie weit entfernt von John Carpenter. Der eine hat dem anderen den Weg zum Kino geebnet, bei beiden definieren sich die Figuren durch ihr rationales Handeln, durch den freien Willen vielmehr, deren Aktionen, worin auch immer diese bestehen mögen, so schnell verfliegen, wie sie sich spontan dazu entschieden haben, dieses oder jenes anzupacken, sich zu schützen, zu erwidern, mit Waffengewalt oder keiner.

Carpenter erwähnt in diesem Zusammenhang auch gern die Beeinflussung der Frauenrolle durch Hawks. Carpenter setzt genau wie Hawks auf starke, betuchte, emanzipierte Ladys mit dem Finger am Abzug, deren mysteriöses Lächeln ihre erotische Sinnlichkeit betont. Mit "Vampire" widmete Carpenter schließlich einem anderen Großmeister des Westerns seine Hommage, Sam Peckinpah, indem er die männlichkeitsbestärkte Peckinpah-Montage samt Zooms, Zeitlupen und kiloweise Gedärm minutiös nachstellte. "Die Mächte des Wahnsinns", vermutlich letzter ambitionierter Carpenter-Film, verweist hingegen direkt auf Stephen King, während "Das Ding aus einer anderen Welt" sowohl Hawks-Remake als auch erweiterte "Alien"-Versuchsanordnung darstellt.

Man sieht, die Reminiszenz, das postmoderne Plündern im Konglomerat stereotypischer Genremuster zur fantasievollen Jahrmarktsunterhaltung, erweist sich insofern als ein unerschütterlicher Eckpfeiler im Schaffenswerk Carpenters, der sich stets selbstironisch zitiert und augenzwinkernd referenziert, vor allem seine Leidenschaft zum Fantastischen, zum Skurrilen, aber auch zum Hintersinnigen inmitten des Erheiternden. Seine dramaturgischen Schablonen verschiebt er dagegen selten, die Leitgedanken ähneln sich. Es geht in Carpenter-Filmen um die Reduktion des filmischen Mittels, um formale Strenge und Simplizität, um verschlungene Räume, Fassaden und Labyrinthe, um handwerklichen Minimalismus, ebenso wie um die leisen Töne des Genregesetzes, um Spannung, die gar keine ausufernde Effekthascherei braucht.


Bei Carpenter wartet die metaphorisch konnotierte Apokalypse im sonnigen Vorgarten, damit sie zur Haustür geleitet werden kann, wenn der Regen tropft und der Donner grollt. Ob in Gestalt eines undurchdringlichen Nebels ("The Fog"), zum Leben erwachter Plymouth Furys ("Christine"), zerstörerischer Kinder ("Das Dorf der Verdammten") oder in Gestalt eines gefrierschrankkühlen Beelzebubs ohne Emotion ("Halloween"): Wenn das Unvorstellbare, oft auch ebenso metaphysisch wie ideologisch beschwert, in den Alltag der Normalität einbricht, dann züchtet es Monster. Unruhe, Anspannung, Belagerung und urbaner Zerfall spielen hierbei eine thematische Hauptrolle, zu der Carpenter immer wieder zurückkehrt.

So visionär Carpenter den Slasher auch revolutionierte, so ikonische Charakter er auch erfand (Snake Plissken, Michael Myers, die Screem-Queen Jamie Lee Curtis) und so bedrohlich-schön eine stattliche Anzahl seiner Filme auch heute noch nachwirken (eine weitere Reminiszenz: zu "Assault" erklärte Carpenter, dass er sich selbstverständlich von Romeros "Night of the Living Dead" inspirieren ließe, denn wenn ein junger aufstrebender Filmemacher das verneine, lüge er), so seicht geriet sein Spätwerk, so glanzlos seine Selbstvertrashung. Jedem, der sich Carpenter filmisch annähern will, sei deshalb empfohlen, bis zum "Ding aus einer anderen Welt" zu schauen und gegebenfalls "Die Mächte des Wahnsinns" hineinzunehmen. Als ob Carpenter nicht mehr die künstlerische Energie hätte, sich vom Kino vereinnahmen zu lassen. Waren es die miesen Reaktionen zu "Das Ding aus einer anderen Welt", von denen er sich angeblich nie wieder erholte? Oder ist es schlicht der Spaß, der Carpenter abhandengekommen ist?

Die Zeiten jedenfalls, als Carpenter spitzzüngig sein "Sie leben!" als politische Allegorie auf die Reagan-Ära verstanden wissen wollte – im symbolischen Kostüm der Aliens jene Republikaner, über die sich Carpenter so unaufhaltsam amüsierte –, die sind lange vorbei. Legen wir ihn der Ahnengalerie ehemaliger Meister bei. Wenn etwas in der Apokalypse garantiert überlebt, dann sein Denkmal. Sicher.

Donnerstag, 28. Juni 2012

Rob Bottin. Eine Hommage.


Achtung unterschwellige Filmkalauer: Rob Bottin ist ein außergewöhnlicher, ein auf seinem Gebiet singulärer Maskendesigner, und wenn Regisseure auf Rob Bottin vertrauen, damit er in ihren Filmen bizarr aus sich heraus wuchernden Schrecken verbreiten soll, dann kommen die Schocks zumeist aus einer anderen Welt, sehen heute aber noch frisch so aus, als wäre es erst gestern gewesen und wir könnten uns total daran erinnern. Zum Beispiel in John Carpenters dichter Ansteckungsangst "Das Ding aus einer anderen Welt", auf dessen DVD Bottin ruhigen Gewissens verkündet hätte: Hey, seht mal her, das ist Hollywood, das bin ich, seht, was wir drauf haben. Ihr könnt das nicht, ich schon. Aber Bottin könnte es sich leisten, dies so offensiv zu formulieren. Denn er ist bar jedweden Zweifels ein Spezialist in seinem Metier, ein Meister, ein vollständiger Virtuose, der auf der Klaviatur der abnormen Körperlichkeit die schleimigsten Tasten betätigt. Jeder, der Carpenters Remake zum ersten Mal sieht oder als Zeitzeuge in den frühen Achtzigern im Kino gar gesehen hat (und sich mehr über die Reaktionen des Publikums gruselte), sah etwas, was er noch nie zuvor gesehen hat. 

Man kann nicht glauben, wie die das gemacht haben, der in die Höhe schnellende Kopf mit den Spinnenbeinen etwa, die beiden Männer zu einer obszönen Spukgestalt Kopf an Kopf vereint, die Absorbierung des Hundes zu einem fleischigen Tentakelwesen. Auch in "Total Recall", "RoboCop" und "Sieben" tobt sich Bottin im freien künstlerischen Selbstbewusstsein aus, diesen Filmen ihre ungezügelte Wildheit, ihre rohe Brutalität und ihren freien biochemischen Umgang mit der dunkleren Seite der menschlichen Evolution einzudrücken. Transformationen, Assimilationen und Mutationen sind Auswüchse einer grotesken organischen Geisterbahnfahrt, so glitschig, so pervers, so ekelerregend, dass man sich danach gar nicht mehr zur Toilette traut, in der Angst, es käme etwas von unten hochgeschossen. Bottin ist auch deshalb genial, weil er die Vergänglichkeit von CGI offenlegt, während seine Modelle unsterblich bleiben. Unsterblich anders. 


Ein erfolgreicher Wiederbelebungsversuch der Kreatur im Bauch
"Das Ding aus einer anderen Welt"
"The Thing"
(USA 1982 | John Carpenter)


Nebenwirkung: Grüne Kopfkontraktionen


Neben-Nebenwirkung: Mensch-Mensch-Absorbierung


Der Sehnerv außerhalb des Sichtfeldes
"Die Reise ins Ich"
"Innerspace"
(USA 1987 | Joe Dante)


Kubrick-Poesie im menschlichen Körper


Bring' deine Magensäure zum Kochen!


Nie war ein Arzt notwendiger...
"RoboCop"
(USA 1987 | Paul Verhoeven)


Futuristisch; gleichzeitig elektronisch, menschlich und real


Der Säuremann ergibt sich seinem Schicksal


Auf dem Mars ist es ungemütlicher als auf der Erde
"Die totale Erinnerung - Total Recall"
"Total Recall"
(USA 1990 | Paul Verhoeven)


 Körper im Körper aus Körpern


Welche nehme ich?


 Trägheit
"Sieben"
"Se7en"
(USA 1995 | David Fincher)


Ja nicht dem Schmerz verschließen, hörst du!
"Fight Club"
(USA, D 1999 | David Fincher)


Blut Fight

Freitag, 8. Juni 2012

Jack Nicholson. Eine Hommage.


Ein kleiner Mann voller Schrecken. Verführer. Klassenclown. Gestörter. Rebell. Träumer. Arschloch und Idealist. Frech und frei. Verdorben und verbissen. Das trübe Wasser im Aquarium. Der einzige Irre im Irrenhaus. Der sonderbare Hotelbesetzer. Schläft mit der Axt, neben sich die weiße Schminke und die Prince-Platten, badet gern im Säurebad, schreibt Schmuddelromane, wenn er nicht gerade das Versprechen gibt, den Mars zu attackieren; auf dem in Stellung gebrachten Küchentisch der Verband für die gebrochene Nase, da immer mit dem Kopf durch die Wand für ein bisschen Risiko. Seine Figuren – immer die zweideutigen, die an ihrer forschen Selbstüberschätzung mit Pomp, Glanz und Gloria zugrunde gehen. Wenn Schmierigkeit durch ein Lächeln quittiert wird, wenn die Gesichtsfurche den Monolog vorwegnimmt, wenn das verräterische Zucken der Augenbraue den Twist erst ironisch besiegelt. Viel zu sehr auf das breitgetretene Schauspiel reduziert.

Seymour Chatman schrieb zu Nicholson aus dem Antonioni-Film "Beruf: Reporter" einige Beobachtungen, die den subtilen Nicholson im Laufe seiner – *zwinker* – Wahnsinnskarriere allgemein hervorheben: "Die Weichheit und ausdruckslose Farblosigkeit seiner Darstellung [sind] so überzeugend für einen Mann, der ganz verzweifelt eine Identität braucht [...], der vampirgleich ein geborgtes Leben lebt". Er kommuniziere "wunderbar […], so wie er spricht und sich bewegt, immer ein wenig zu bedächtig, sogar gezwungen, als ob er mit jeder Geste gegen den Impuls ankämpfen müsse, sich hinzulegen und sich von [...] Wellen der Niederlage überrollen zu lassen". Alles Gute, Jack. Wir lachen mit dir. Lieb gemeint, nicht fies. "Der letzte Tycoon". Oder vielleicht noch mehr – "sie können die Wahrheit doch gar nicht vertragen!"


Wilbur Force
"Kleiner Laden voller Schrecken"
"The Little Shop of Horrors" 
(USA 1960 | Roger Corman)


David Locke
"Beruf: Reporter"
"The Passenger"
(USA, I, F, E 1975 | Michaelangelo Antonioni)


 Jack Napier, Joker
"Batman"
(GB, USA 1989 | Tim Burton)


 Colonel Nathan R. Jessep
"Eine Frage der Ehre"
"A Few Good Men"
(USA 1992 | Rob Reiner)

  
Frank Costello
"Departed - Unter Feinden"
"The Departed"
(USA 2006 | Martin Scorsese)