Den Weltuntergang, den Zusammenbruch der zivilisatorischen Ordnung
einzuleiten, dafür hätten die Meister des Materialverschleißes klare,
prollige Anfangsbilder. Roland Emmerich würde mit einer Rakete beginnen,
Michael Bay mit der dazugehörigen Explosion. Ihre Invasionsszenarien
wären so absehbar wie erwartungsbestätigend, sie würden lediglich ihren
vorgefertigten Weg gehen, ohne dass sich jemand dabei entrüstet zeigen
würde, weil die Gewohnheit längst salontauglich geworden ist, dass das,
was wir zu sehen glauben, sich automisch bestätigt.
Steven Spielberg dagegen beweist Geschick und Ambition, denn sein
"Krieg der Welten" nach der Weltliteratur-Paranoia von H. G. Wells
entlädt sich in dem Grauen, das wie beiläufig erscheinen muss: Der
Himmel erbebt, die Sträucher zittern, Asche und Stofffetzen wirbeln
durch die Luft. Beißender Regen und ein fleischiges, saftiges,
matschiges Blutrot ergießt sich über die Weiten der Natur zu
ölverschmierten Gemälden einer minutiös durchorganisierten
Planetenausrottung.
Wenn "Krieg der Welten" als eine der nihilistischsten Arbeiten
Spielbergs gilt, dann erschließt der Film im Gegensatz zu jenen
Krawallbrüdern wie Emmerich und Bay zugleich etwas, was die
Verhältnisse, gerade nach "Catch Me If You Can" und "Terminal", umkehrt –
Steven Spielberg geht einen neuen Weg. So unverblümt infernalisch, so
teuflisch deprimierend verwandelte lange kein aufs postmoderne
Einschlafmärchen spezialisierter Mainstream-Filmemacher mehr den
Trugschluss eines verzerrten Amerikabildes in einen pochenden,
dröhnenden, keifenden Alptraum, der in der Hektik zusammenbrechender
moralischer Wechselbeziehungen, deren Verwirrung, was als nächstes zu
tun ist, und schließlich in einem politisch gerechtfertigten, allerdings
zu kurz greifenden Aktionismus den Verweis zum 11. September 2001
sucht, ja regelrecht ausstellt.
Spielbergs brodelnder Alien-Gigantismus in seinen kreiselnden
Kameradrehungen, in seiner rasenden Williams-Verfolgungsmusik, in seinem
weißen Gegenlicht, in seinen monochromen Farbstichen und in seinem
grobkörnigen Naturalismus belebt den Genrefilm der 50er, um im modernen
Blockbuster-Korsett tiefere (Spielberg-)Ideen auszudenken, Menschen mit
einer unkontrollierbaren Gefahr zu konfrontieren, die wider Erwarten
hereinbricht. Vielleicht ist "Krieg der Welten" nicht unbedingt
intelligent genug zu wissen, wann sich dies mit bizarrstem Humor beißt.
Denn weder eine in einem Schuppenlabyrinth ausgiebig durchexerzierte
"The Abyss"-Hommage noch das "E.T."-Fahrrad mitsamt einigen
außerirdischen Knuddeltierchen, die Spielberg allzu häufig direkt zeigt
und zuweilen parodistisch grundiert, verleugnen ein Ungleichgewicht der
Dramaturgie, neben bitterstem Defätismus immer noch Zeit zu haben für
einen albernen Scherz. Auch der Schmalz des ohnehin abgeschmackten,
strukturell verknappten Deus ex Machina-Endes verrät die Konzeption der
Dunkelheit, indem urplötzliche kathartische Erleichterung den Verdacht
unterstützt, dass Spielberg den Film (auf seine Weise) schnellstmöglich
zu Ende bringen wollte.
Am eindrücklichsten ist "Krieg der Welten" eher dann, wenn er das
Spektakel in einem Spektakelfilm vollständig konterkariert, wenn ein
unschuldiges Kind (Dakota Fanning) einen kaum kontrastreicheren Gegenpol
des Lebens in der totbringenden Katastrophe bildet, wenn sich dessen
tiefe Flüsterstimme aus der Schwärze der Nacht erhebt und das Überleben
maßgeblich davon abhängt, ob die Stimme versagt oder nicht. Da Spielberg
seinen Weltuntergang familiär ohne weitgehenden Wissensvorsprung
unterfüttert und bis zuletzt aus dieser Perspektive ungemein ökonomisch
erzählt, verringert er gleichzeitig den redundanten Bombast, der einen
Film dieser Größenordnung zu dominieren droht.
Militärische Vergeltungsschläge werden im Zuge dessen durch Grashügel
verdeckt, ein Mord mit einem Kinderlied begleitet, eine Brücke im
Hintergrund des Bildes zerstört, während sich die Angriffe der Invasoren
in verzerrten Miniaturausschnitten der Wirklichkeit abspielen, in
Seitenspiegeln und Rückspiegeln von Autos, im Display der aus der Hand
geschlagenen Videokamera, im Licht und im Schatten. Für den Prozess der
Aktion interessiert sich Spielberg selten, alles, was übrigbleibt, sind
die Resultate der Finsternis. "Krieg der Welten" als handelsüblicher
Blockbuster verwehrt sich somit dem Blockbuster-Gebaren umso
konsequenter, je konzentrierter Spielberg Form und Inhalt vermischt. Es
ist ein seltsam schöner, ein seltsamer intimer, ein garantiert
unvorhersehbarer Blockbuster kleinerer Größe.
6 | 10