Posts mit dem Label Billy Bob Thornton werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Billy Bob Thornton werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, 14. September 2016

Jarmusch-Retro #6: "Dead Man" [USA, J, D 1995]


William Blake (Johnny Depp) verkörpert den zivilisierten Buchhalter, der ersten Keimen von Industrialisierung beim Wachsen in einer wabernden Wildnis zusieht. Belagert von primitivsten Destruktionsprozessen der weißen Siedler, schreibt Jarmusch die historisch erkämpfte Freiheit um, den Mythos des amerikanischen Gründerlandes zu demaskieren, anstatt ihn "nur" zu entwurzeln. Dieser Mythos zieht, mehr als bildlich gesprochen, an den Zugfenstern vorbei, vorstoßend zu einer Dystopie, die kannibalistische Kopfgeldjäger und das Versprechen einer metaphysischen Weiterschreibung der Geschichte hervorbringt. "Dead Man" ist tendenziell als experimenteller (Anti-)Western zu verstehen, in dem eisige Lakonie schlussendlich die ihr innewohnende Wertlosigkeit überlagert – misstrauisch gegenüber der neuen Welt (der Technologisierung und Ökonomisierung), schippert Blake, seines Zeichens ein Vertreter jenes im Aufbruch befindlichen Kapitalmarktes, gen Natur zurück, der alten Welt, nachdem er von rohester Gewalt entmachtet wurde, die sich zyklisch trotzdem Bahn bricht. Dem Film gelingt es indes, nicht mehr nur "Reise" zu sein, sondern "Erlebnis" entlang des Fegefeuers: somnambul, schelmisch, bisweilen parodistisch (wie in einer zirkusartistischen Sexszene ersichtlich). Neil Youngs metallisch-zerfetzende Gitarrenrisse gemahnen daran, dass der Mensch "seine" (animalische) Natur nicht wegrechnen kann, wenn andere Zeiten anbrechen. Ungeachtet jener zirkulierenden biografischen Geschichten, die den Mensch empathisch im Sinngefüge verankert, ist dem natürlichen Lauf der Auslöschung bei gleichzeitiger Neuordnung keine Macht entgegenhaltbar.

6.5 | 10


Freitag, 12. Dezember 2014

"Armageddon - Das jüngste Gericht" / "Armageddon" [USA 1998]


[...] Seine Wirkung entfaltet "Armageddon" [...] energisch bei mir, [...] mich [...] inständig darüber zu freuen, trunkenen, dick und fett umrandeten Kitsch zu genießen, der für all jene verschlossen bleiben wird, der entweder ein Rationalist, ein Motorenliebhaber oder ein Türsteher ist. [...] Momente haben sich hier eingefunden und verewigt, irisierende Momente des Auteurs der Infantilität, die für mich ein Indikator dafür sind, dass der Film niemals sein B-Feuer verliert, sondern mit jeder Sichtung dem schlechten Geschmack grässlich schönere A-Seiten abgewinnt: Steve Buscemis Ritt auf dem Nuklearsprengkörper, Will Pattons Versöhnung mit seiner Ex, das Kennedy-Plakat nach der gelungenen Zivilisationsmission, der unzurechnungsfähige Wild-West-Russe (Peter Stormare) und die Übergabe des Bruce-Willis-Abzeichens an Billy Bob Thornton vor einem strahlenden Himmelsblau, das durch die Fanfarenstöße der Militärflugzeuge das Elementare der salbungsvollen Bay-Bekehrung zur Vaterlandsreligion bekanntlich ein letztes Mal hochgradig geschwollen unterstreicht. Aber wie abgöttisch brennend, wie flehentlich erstickend das alles, und wie glaubwürdig zur eigenen Verblödung stehend, die doch nur diese eine feuchtwarme Träne will. Was ihr aber gelingt. Mit Abzeichen und Fanfarenstoß. Ein Scheiß. Ein Meisterscheiß. [...]


weiterlesen

Mittwoch, 13. November 2013

"Ein einfacher Plan" / "A Simple Plan" [USA, F, GB, D, J 1998]


Von durchtriebener Montagekunst ist nicht viel übrig in Sam Raimis mutmaßlich perfekt eingefädeltem Plan, dessen titelquittierende Einfachheit höchstens als finsterer Euphemismus durchgeht. Die Kamera hält sich bedeckt, ihre Bilder ruhen, statische Einstellungen eines von Blut und Schnee kontrastherstellenden Naturalismus, der, sobald Leiche auf Leiche folgt, zu detonieren droht: Das ist weit weniger Raimi als gewohnt. An die Coens fühlt man sich erinnert, an die scheinheilige Idylle ihrer Filme am Arsch der Welt und der Garantie, dass das Unheil wie ein Damoklesschwert über den Sündern hängt. Sam Raimi hat die Coens nachweislich analysiert, und sein Film "Ein einfacher Plan" tackert im ikonografischen Stil der Regiebrüder tatsächlich Humbug an Humbug aneinander. Wobei der Ton ernster denn parodistisch ist, der Fatalismus daher umso bitterer, die mehr in Nieselform aufgetragenen Skurrilitäten Teil eines vergleichsweise realeren Weltgefüges. Der MacGuffin eines in der Pampa gefundenen Geldflugzeugs enthüllt dabei das Zündmittel für Gier, Egoismus und Schuld, für eine Perversion des amerikanischen Traums, der einmal um die Achse gedreht wird, um nach den Wogen familiärer Niederlage wieder – und das gleichermaßen demaskierend wie befreiend – am Ursprung anzugelangen. Als handwerklich strukturiert der Depression Schicksal verpflichteter Coen-Klon stellenweise herzallerliebst, tragikomisch, aberwitzig, und Billy Bob Thorntons schulmeisterliche Naivität im Aldibeutelkostüm hat Herz. 

6 | 10

Mittwoch, 20. März 2013

"The Gift - Die dunkle Gabe" [USA 2000]


Mystery meets Crime aus dem Splatter-meets-Comedy-Hause Raimi. Eine wahrlich teuflische Mischung, zumal Raimi die verästelten Bäume, geheimnisvollen Sträucher, absonderlichen Grünanlagen, peitschenden Regentropfen und donnernden Gewitterwolken, diesen unnahbaren Ort schwebender Dämonen und bizarrer Visionen, direkt aus dem Tanz der Teufel übernommen zu haben scheint, wodurch "The Gift" oft als wiederbelebter Retro-Horror wirkt, der seine Gruselatmosphäre dem effektiven Klischeekasten einschlägiger, wetterbedingter Genrezutaten entnimmt. 

Das Anhängsel "Horror" trifft es allerdings nicht richtig, es ist mehr ein zwischen quietschenden Türen und brüchigen Dielen leise umher tapsender Minimalhorror. Zunächst seziert Raimi die ebenso von Gewalt wie von Psychosen geprägte Gesellschaft einer eigentlich herzenswarmen Kleinstadt mit ihren Depressionen und jener leidenschaftlichen Hingabe zum Okkultismus, die gleichzeitig als Problemlöser gilt, umso besser man seine Zukunft kennt, um später zum waschechten Krimi, dem darin intendierten Kampf der Forensik gegen höhere Mächte, und schließlich zum Krimi moralischer Gewissensentscheidungen auszuholen. Puh! Viel Drehbuchstoff für einen straighten Genrefilm. 

Das Problem der Redundanz, das sich daraus ergeben könnte, befällt auch "The Gift". Nie weiß der Film, in welche Richtung er fahren soll, aus diesem Grund versucht er in jede Richtung parallel zu steuern und bekommt aufgrund seiner halsbrecherischen Themenfahrt gar nicht mit, dass über die diskussionswürdigsten Ecken des Plots – ein Unschuldiger in der Todeszelle beispielsweise – widerspruchslos gerumpelt wird, als gelte es, schnell zum nächsten Thema in möglichst kurzer Zeit zu lenken. Wäre da nicht auch noch die bleierne Eintönigkeit des Gezeigten. "The Gift" ist kriminalistisch vorhersehbar, gruselig platt und moralisch Mainstream, ist mancherorts langweilig, fast immer unspannend, und meist tröpfelt alles vor sich hin, ähnlich der gezeigten Wassertropfen in Zeitlupe.

Raimi schafft es nur unter größter Anstrengung zu fesseln, er schafft es folgerichtig nicht über die gesamte Laufzeit, aber zumindest in einigen Geistesblitzen morbider Einzelszenen denkt er ein Gefühl zu Ende. Die Gerichtssequenzen formen eins der Intensität, das neblige Finale im Wald hingegen das der irritierenden Manipulation, wenn der Zuschauer nicht weiß, welchen Täter er genau verdächtigen soll. Auch die Besetzung ist unumwunden treffsicher gewählt, ja souverän gespielt: Cate Blanchett – berechnend blass, kühl und zweifelnd; Keanu Reeves – rassistisch, jähzornig, ordinär, fanatisch aus allen Poren explodierend; Katie Holmes – männergeil, schlüpfrig, vulgär; Giovanni Ribisi, Hilary Swank – gutmütig, isoliert, hoffnungssuchend, den Geistern der Vergangenheit entkommend. Und dem (seelischen) Hinterwald.  

5 | 10

Dienstag, 29. November 2011

"Ein (un)möglicher Härtefall" / "Intolerable Cruelty" [USA 2003]


Umschreiben lässt sich "Ein (un)möglicher Härtefall" mit einem vertrauten Gefühl. Ein vertrautes Gefühl, wenn man einen Coen-Film gesehen hat, wenn man insbesondere einen mäßigen Coen-Film gesehen hat, dieses Gefühl im Bereich von hintergründiger Schadenfreude, weil das ja alles so schwarz ist, und bedingungsloser Enttäuschung, weil das ja alles so banal ist, dass man, wenn man nicht noch einmal zurückspult, schon fast alles wieder vergessen hat, ehe sich die Erinnerungsnebelschwaden wirklich verselbständigen, und das im Höllentempo. "Ein (un)möglicher Härtefall" jongliert in seinem Charakter gewohnt selbstironisch und sarkastisch, grob, grimmig, grenzwertig, unumwunden  abgehoben, schrill und parodistisch mit der Liebe zum Kino und seinem Wiederauferstehungssversuch aus der Leichenhalle aufgebahrter Genreexkremente (hier: der Screwball-Komödie); also im Coen-Universum durchaus ein dazugehörender Planet, der mit den verrückten Macken seiner Macher seine errechneten beziehungsweise berechnenden Umlaufbahnen umrundet.

Im weiteren Sinne hingegen ist dies einer ihrer schwächsten Filme, wenn nicht gar ihr schwächster überhaupt. Dem Nachstolpern unverrückbarer Aushängeschilder markerschütternder Geschlechterkeilerei zwischen Scheinemanzipation und -ehe hinter dem Zwist – Hawks, Sturges, Cukor – stanzen die Coens eine für ihre Verhältnisse grundhalterisch substanzlose, aber leider auch etwas erfinderisch geistlose Hommage über das betrügerisch-Buchhalterische der falschen Liebe in verschiedenartigen Zweierpärchen aus, die weder getimt ihre Messer nach dem Partner wirft, noch beschwingt innerhalb der Zeilen tanzt, sondern besoffen von Infantilität zu Affektiertheit und wieder zurück entlang der Albernheit quer über den Schenkelklopfer torkelt.

Langweile auch in den Hauptrollen. Catherine Zeta-Jones weiß sich mit ihrer äußerlich ausladenden (absatzreichen) Erotik innerlich bedingt zu bewaffnen, weshalb sie zusammengekauert wirkt, als ob sie sich schämen würde, dabei zu sein. George Clooney als blitzblankes Zahnpastagesicht mimt im Gegenzug das volle Programm Jerry Lewis und Cary Grant ohne Rücksicht auf Verluste sichtlich manisch, ohne allerdings deren Präzision und Widerborstigkeit bei gleichzeitigem Kuschelcharme nach den verbalen Differenzen zu erreichen. Das Ende gerät für die Coens allzu brav zur vorhersehbaren Streitschlichtung in die Arme, kein Clou, kein Sahnehäubchen, kein Funke, und zwar dieser Nerd-Funke der Coens, wie es die großen Klassiker der großen Macher vorgemacht haben, was ja auch relativ schwierig wäre dahingehend, sobald die Protagonistenchemie fehlt.

Erinnerungswürdig indes die obligatorischen Coen-Maschinengewehrdialoge (ulkig: vor der Richterin) sowie die Coen-Nebenfiguren (ulkig²: Heinz, Baron Krauss von Espy neben Clooneys an Schläuchen herabbaumelnder Chef). Coen-Geistesblitze wie der Abgang des keuchenden Asthmatiker-Killers (Irwin Keyes), Clooneys leidenschaftliche Rede vor seinen baldigst Taschentuch aufschnaufenden Kollegen aus der Anwaltskammer oder Clooneys verdatterter Blick, als er nachfragt, ob seine ehemalige Gegnerin vor Gericht (Zeta-Jones) eine Waffe dabei habe, als sie ihn erneut aufsucht, sind rar gesät. Billy Bob Thornton darf auch nicht fehlen, da Coen-Schauspieler. Aber in Ordnung. Vergebene Müh' nichtsdestotrotz: Das kaschiert irgendwie keineswegs, dass "Ein (un)möglicher Härtefall" trotzdem so unterm Strich dann aber mehr x-y-z als c-o-e-n buchstabiert. Besser wäre es andersherum.

4.5 | 10