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Mittwoch, 17. Dezember 2014

"Killer Joe" [USA 2011]


Abgeladen wird die tote Frau im Kofferraum auf einem Parkplatz wie ein Stück Fleisch. Kippe raus, Feuerzeug, Benzinspur, zündbereit. Die tote Frau, Mutter, gegrillt wird sie nahe eines Fresslokals. "BBQ" im Titel. Explosion. Job erledigt. Das sind William Friedkins Zynismen und Sadismen, beißend und irgendwie auch ekelhaft lustig. "Bug" war schrankenlose Ekstase, "Killer Joe" ist methodische Psychose, und doch gleichen sich beide Filme. Ihr auf wenige Lokalitäten proportionierter Erzählrahmen ist durchgeplant, das Weltbild fundamentalistisch, die Körper zu appetitanregend. "Killer Joe" spielt in einer furchtbaren Dimension jenseits der unseren und ist doch zu nah, um nicht vom Wahnsinn gepackt zu werden, aus dem dieser Film, eine herzensdumme, nach unzensiertem Fleisch lechzende, verruchte Exploitation-Satire, mitgerissen wird. Friedkin interessiert sich gewöhnlich für die soziopathischen Geschwüre einer zweiseitigen Ethik, deren Bewahrer ihre nichtmenschlichen Triebe mit der (Polizei-)Marke der Autorität überdecken. Hier fällt Matthew McConaughey diese Rolle zu: Taktvoll steigt er aus dem Wagen. Trunken vor brutaler Leidenschaft, quält er in einer genießerischen Engelsgeduld. "Killer Joe" schließlich studiert seine Klienten, wie sie, abstoßende Deppen, durch Habgier tot aufeinander gestapelt werden. Dass Geld verdirbt, verpackt Friedkin in ein elliptisch erzähltes Delirium, dessen Kraft aus der Vorhersage des Anschlags resultiert: Donner, Straßengrabenkreuze, Hühnerkeulen. Verlaufende Schminkstreifen, Tränen, Blut.

6 | 10

Mittwoch, 12. November 2014

"Interstellar" [USA, GB 2014]


Cinephile Neandertaler konnten sich im geschniegelten Labyrinthsystem des Anzugträger-Kinos Christopher Nolans stets verbergen. Denn dort konnten sie sich (alt)klug fühlen, dort wurden sie zu Leonardo Da Vinci – auch wenn sie ganz schön doof aussahen. "Interstellar" aber, angedockt zwischen schauwertbändigendem Fragmentgeflecht (vgl. "Godzilla") und astrophysikalischer Liebesgravitation, zwingt sich diesmal, den Kopf nach unten zu neigen, anstatt hoch oben in ein ausgetrampeltes (Nolan-)Räderwerk verschlungener Aufschichtphasen zu verfallen: Die kindliche Innenansicht einer kosmisch-demutsvollen Amerikaerzählung, die auch dann überkocht, wenn der Raketenstart naht und die transzendente Liebe in ihrer wissenschaftlichen Unbegreiflichkeit abschließend die Unbegreiflichkeit der Wissenschaft selbst an den Rand drängt, gewinnt entscheidend an spontaner Ergriffenheit, ohne dass sich hierbei der Film auf die Apotheose der Spiritualität verlässt. Seine entladenen und ausladenden Wikipedia-Dialoge, sein erklärlastiges Genre-Sediment ohne Auslassungen, sein gestalterischer Fehlschluss, Universumsoriginalität mit Wasser und Schnee zur Vorstellungskraft umzudichten – wie gehabt. Aber all' das beflügelt "Interstellar", neues Terrain zu erschließen. Die Reise des Christopher Nolan führt (jetzt) über diese Konstanten, über den Horizont, hinaus, umrankt von sphärischem Orgelgeschrei und, sieh' an, flapsigem Witz. Mit Steven Spielberg hat sich Nolan, nebenher, eine Hommage ausgedacht, deren intimkitschiger Figurenschmerz aufs Angenehmste entgleist. Feuer (Spielberg) und Eis (Nolan) verbrüdern sich im "A.I."-Stil, selbst szenisch. Insofern "nur" kurzweilige Science-Fiction-Melange.

 6 | 10

Freitag, 31. Januar 2014

"Dallas Buyers Club" [USA 2013]


Überraschungsdünnes "Oscar-oder-Oscar-Futter". Reißbrettartig an der Checkliste ausgerichtet, eine Strafe, Krankheit, Katastrophe und deren Vereitelungstipps spielerisch in allen erdenklichen Stadien und Zuspitzungen zu romantisieren, bekleidet "Dallas Buyers Club" einen an HIV erkrankten Rowdy-Coyboy, dessen heile Welt deshalb aus den Angeln gehoben wird, weil er erfährt, dass nicht der Virus sein Inneres zerstört, sondern das System, das mit Betonmauern gegen die Gesundung aller hantiert. Gegenargumente: ein egoistischer Arzt mit "Scheißegal-Haltung" (Denis O'Hare), die unverschämte Pharmalobby und ihre Studien. Pro Moral: eine dauernachdenkliche Ärztin (Jennifer Garner), die die Seiten wechselt, Jared Leto als Frau im Mann und einige andere (offensichtlich reiche) Patienten. Plus Tränen, Katharsis, Aufopferung. "Oscar-oder-Oscar" halt. Der schick arrangierte Lokalkolorit der 80er von homophoben Country-Weisheiten, bierversifften Spelunken, Qualm, Testosteron und Bibliotheksrecherchen in Röhrencomputern öffnet jedoch die Türen, um einen Matthew McConaughey zu empfangen, der, je älter er wird, augenscheinlich sensationell(er) zu spielen scheint. Früher der desorganisierte Zufallsheld und ungern gesehene Quereinsteiger, changiert sich McConaughey mit ausgezerrten Gesten und ungewaschenem Charisma an die Spitze dieses, seines Films. Was er anbietet, lebt von ihm, ist von ihm abhängig; ein fantastischer Raufbold, der die Schwächen der konventionellen Erzähllogik meist außer Kraft setzt – in einer pragmatischen, kraftvollen Zerfallsstudie, die hinter einigem Murren herzerweichende Dankbarkeit birgt.

6 | 10

Mittwoch, 15. Januar 2014

"The Wolf of Wall Street" [USA 2013]


Affen, Löwen, versammelt im Dschungel flatternder Geldscheine und sakraler Telefonhörer, in Saus und Braus dekadenter Übersättigung, nicht zu bändigen, überhaupt unfassbar, ebenso hungrig wie überschwänglich. Martin Scorseses "The Wolf of Wall Street", dessen abermals mosaikgefestigte Inszenierung wild rotierende Einblicke in Einzelteile und –perspektiven erlaubt, in ein konfuses Durcheinander zwischen Durchschütteln und Durchrütteln, wirkt wie die Perversion jenes paradoxen Mikrokosmos und Geschäfts, in dem Scorsese einst charismatisch-bestialische Designergangster schuf. Jetzt heißt der Gangster Leonardo DiCaprio, sein Slapstick ist unerhört, unerhört nervig, unerhört genial. Im Gedächtnis wird man ihn behalten, seinen Vollrausch, seine Inbrunst, Energie überzeugend entweichen zu lassen. Seit "Die Zeit nach Mitternacht" war ein Scorsese-Film nie lustiger inmitten eines Kampfes mit Telefonkabel, seit "Bringing Out the Dead" nie fiebriger, seit "Aviator" nie extrovertierter, generell nie mehr Rumstochern im Exzess moralischer Fremdscham. Aus der großzügig verstrichenen Wichse, Kotze und Pisse in "The Wolf of Wall Street" – Flugzeuge werden damit verklebt, Großraumbüros, wo auch immer – ist längst rituelle Existenzsicherung geworden, bildlich für das absurde Ganze, in dem wir Geld erwarten, erhalten und, sicher früher oder später, beim Zählen wieder verfluchen.

Ein weitgehend extremer, vulgärer Spaß ist dieses Epos der Geschmacklosigkeit ohne moralisches Anstupsen, wenn seine Bestien, Schleimbeutel und Vollpfosten unter der Ausrede einer Gaudi wüten, sich wälzen und zusammenstoßen; in Abenteuern ungeahnter Idiotie vor der stets majestätisch wabernden, amerikanischen Nationalflagge entstehen Collagen der Oberflächlichkeit, die Scorsese zu unbegrenzten Möglichkeiten eines  verrückten Materialismus verknüpft. Aber sein Timing ist nicht mehr First Class, sondern Economy – manches gerät zu lang, anderes zu kurz, und Scorsese verliert in ähnlicher Weise den Boden unter seinen Füßen wie seine aufgedunsenen Bankautomaten. Die Affinität zur Anarchie, sie infiziert "The Wolf of Wall Street" derart irreparabel, dass ein Gefühl  des Überdrusses eintritt. Das Ziel, der infantilsten Fußnote, eine, noch eine und noch eine draufzusetzen, gipfelt in jener Penetranz von Redundanz, die, hat man sich einmal daran gewöhnt, langweilig werden kann. Scorsese kehrt zur ausufernden Rise-and-Fall-Tragedy zurück, aber die Metaaussage, der Biss, der unermesslich drängende, obsessiv-paranoide Takt seiner früheren Arbeiten verfliegt mit jedem weiteren Zwang, ebendiese Vergangenheit gewaltsam zu reanimieren. "The Wolf of Wall Street", von erstaunlichen Abgründen ist er durchzogen und eine gewaltige Fallhöhe hält er für die da oben durch die da unten bereit, garantiert zwei Seiten des Geldes.

7 | 10

Mittwoch, 26. Juni 2013

Spielberg-Retro #11: "Amistad" [USA 1997]


"Amistad" blickt den Amistad-Prozessen über die Schulter in einem ausgeschmückten Epochenstück, in einer opulent ausgestatten Geschichtsnachhilfestunde diffiziler Verstrickungen erbittert gegeneinander debattierender Nationen im Gerichtssaal, wo es um Zuständigkeiten, Geburtsorte und Eigentumsurkunden geht, in Wahrheit den Wert der Freiheit über alle kulturellen Sprachbarrieren hinaus zu bemessen. Viele beteiligte, ideologisch gespaltene Personen sieht Spielberg ulkigerweise jedoch als ein handlungsgehemmtes (Gerichts-)Publikum, das darauf zu reagieren hat, Kontroversen mitzutragen und abzunicken, anstatt sie mitzugestalten. Authentisch?

Spielberg widerstrebt es zumindest, figurativ mehrschichtig zu charakterisieren, was an und für sich speziell in der verschenkten Persönlichkeit Morgan Freemans herauszufinden ist, dessen Hintergrund, hauptsächlich nach seinem Zusammenbruch auf dem Sklavenschiff, vollkommen im Dunkeln verbleibt. Auch die spanische Königin Isabella (Anna Paquin) forciert vielmehr den Gedanken einer grotesken Karikatur historischer Verzerrung, während  Matthew McConaughey das Stigma eines rechtsverdreherisch-spitzfindigen Strubbelkopfs im Laufe der Handlung nicht loswerden will. Die Unfähigkeit, gleichermaßen absurd-komische wie pragmatisch-vertiefende Erzählmomente adäquat gegenüberzustellen: Davon kann sich Spielberg folglich auch in seinem Film "Amistad" nicht lösen, und es sollte ein entscheidendes Markenzeichen seines Spätwerks in der Post-"Jurassic Park"-Ära werden.

Mit Hilfe der treibenden Gestaltungskraft eines durchweg lebendigen, gegen universelle Unterdrückung schreienden Williams'-Chors sowie unzähligen Eindrücken von zusammengepferchtem Fleisch (vgl. "Schindlers Liste"), den Händen, die angekettet sind und sich irgendwann endlich in völliger Zwanglosigkeit berühren dürfen (exemplarisch im nahezu wortbefreiten, stroboskopflackernden Prolog, der ausschließlich über den sichtbaren Zorn in Männer- und Frauengesichtern samt Nässe und Finsternis intensiv nachwirkt), den wehenden Schiffssegeln im Wind, vor allem der Träne, die an der Wange hinabfließt, zementiert Spielberg derweil aber einen visuellen Sprachausdruck, der sich gänzlich im Zeigen, im Erfühlen zwischenmenschlichen Grauens manifestiert. Dieser begnadete Ausdruck vermag bisweilen gar, schlimmsten spirituellen Erbauungsschlock zu übertünchen. Ab dem Zeitpunkt, als ein wackelig auf den Beinen stehender, verknitterter, leidenschaftlicher Anthony Hopkins seine aufwühlende Rede der Nation hält, hat Spielberg den Zuschauer sowieso längst gepackt. Und am Ende, da zeigt sich naturgemäß die Sonne. 

6.5 | 10