Mittwoch, 5. Oktober 2016

Jarmusch-Retro #9: "Coffee and Cigarettes" [USA 2003]


Überall dieser stechende Kontrast, dieser leitmotivische Schachbrettkontrast. Schwarz und weiß. Schwarz auf weiß. Weiß auf schwarz. Man könnte auch sagen: Kaffee mit Milch. Oder: Kaffee und Kippen. Und genau darüber handelt "Coffee and Cigarettes", über Musik und Medizin, Physik und Verwandtschaften, vorrangig jedoch über die Philosophie eines ungesunden Mittagessens, die in elf absonderlich-abenteuerlichen Tableaus besprochen und zu einem Ritual erhoben wird. Rituale, davon gibt es einige in dieser anekdotischen Sammlung tröstlicher Komik, zum Beispiel das Zuckerscheppern, das Tassenanstoßen, das transzendente Verlieren und kausale Überleiten während einer gefühlt trivialen, naturnahen Alltagsunterhaltung. "Coffee and Cigarettes" darf ausgiebig schwatzen, zuhören, wieder schwatzen, wenn das Wort ausnahmslos jene haben, denen nie das Wort erteilt wird – und jene, die groß sein wollen, aber partout klein beigeben (müssen). Ein paar zusammengetragene Bonmots: japanische Vier-Dollar-Erbsen, der perfekt temperierte Kaffee, Cate Blanchett in einer diametralen Doppelrolle, Alfred Molina und Steve Coogan vergleichen mit bedächtigem Zweifel Lebensstammbäume. Und ein Dialog ohne offensichtlichen Zweck in trauter Unsicherheit. Das ist Jarmuschs Spiel mit uns, er spielt "Ich bin der Welt abhandengekommen" und drückt die richtigen Knöpfe auf einer verrauchten Jukebox, wodurch das Sinnentleerte globale, schicksalslenkende Bedeutung erfährt, bei Kaffee, Koffein, Zigaretten, Nikotin, an einem Tisch mit einem Muster, Schwarz und Weiß.

6 | 10


Originaltext