Mittwoch, 30. Oktober 2013

"Bei Anruf Mord" / "Dial M for Murder" [USA 1954]


"Bei Anruf Mord" paust das Strickmuster aus "Cocktail für eine Leiche" ab, innerhalb einer komprimierten Raumdarstellung einen wasserdicht ausfantasierten Mord konzentriert zu verschleiern, ausgeschmückt von sukzessive mit Bedeutung aufgeladenen Gegenständen, die über die Bilanz des Tatentwurfs richten. Hier: Strumpfhosen, Schlüssel, Briefe, Telefone, gefährlich vorausschauend ornamentieren sie den Dekor der Bildeinstellung. Als vor allem auf den Effekt heruntergebrochenes 3D-Experiment Hitchcocks einschließlich voyeuristischer  Weitwinkelschwenks, die den konspirativen Gestus theatralisch aufwerten, zeigt sich "Bei Anruf Mord" als ungefilterter Unterhaltungsfilm ohne Subtext, bei dem die verknoteten Einschübe rhetorischer Beeinflussung die Verwirrung des Zuschauers anheizen. Befreit aller psychosexuellen Chiffren und gesellschaftlichen Diskurse, taugt der überraschungsschwangere Film insofern für den übermannenden Nervenkitzelmoment. Anders als "Cocktail für eine Leiche" ist er damit aber auch die konventionellere Abhandlung über den ebenso logistischen wie manipulativen Aufwand eines in Akten eingeteilten, universellen Verbrechens, das in der Wirklichkeit stets an den "dummen Fehlern" scheitert. Während der selbstbesoffene Dialogschwall messerscharf ausgearbeitet ist und ein zwanghaft Contenance bewahrender, intellektuell wirkschnell austüftelnder Ray Milland den Suspense trägt, verweigert "Bei Anruf Mord" angesichts der vereinzelt unangenehmen Geschwätzigkeit im Gegenzug jedoch nicht nur herausstechend visuelle Erzählideen, sondern lebendige(re) Nebenfiguren (das Stirnrunzeln John Williams' ist äußerst drollig). Eine technische Pionierarbeit mit allen Stärken und Schwächen. Und Schnurbärten. 

6 | 10