John (Robin Irvine) und Larita (Isabel Jeans) sind ein Paar. Sie hat Geheimnisse und seine Familie gräbt nach ihnen, den Verheimlichungen, Schönheitsfehlern und charakterlichen Schwächen des "leichten Mädchens", um es vom Vorzeigesohn fernzuhalten. Larita muss sich in einer Umgebung gramerfüllter Niedertracht durchsetzen, in der sie ein Anschauungsobjekt ist, für alle fürsorglichen Blicke magnetisch abstoßend und schlecht. In "Easy Virtue" beschreibt Hitchcock die beiderseitige Entfremdung, sobald sich zwei soziale Schichten miteinander arrangieren müssen. Ein leichter, flippiger Stummfilm über die Falschheit der Bourgeoisie, der relevant ist, Hitchcocks künstlerisches Verständnis nachzuvollziehen, aber auch ein Grundriss, ein erster Bauplan, dessen Konstruktion keine Nachbearbeitung zuließ. So ungefähr ist es um "Easy Virtue" bestellt: ein bisschen hiervon, ein bisschen davon, und man darf die Prämisse, die Hitchcock über die Jahrzehnte ausarbeitete, zu Recht antiquiert finden. Angesichts verschrobener Gesichtsgroßaufnahmen und verschachtelten Rückblenden (insbesondere in der eröffnenden Gerichtsszene, eine Art Prolog zu Hitchcocks Justizmelodram "Der Fall Paradin") kokettiert auch dieser ohne sonderlich auffallende Erklärwut werkelnde Rohbau mit einem experimentellen Überbau. Auch wenn Hitchcocks Stummfilme nicht gänzlich ihr Ziel treffen, so sind dennoch ihre Ideen, teils aus der Not heraus geboren, faszinierend. Hier: ein stummer telefonischer Heiratsantrag sowie eine Parallelmontage unseres küssenden Paars mit zwei sich romantisch annähernden Pferden.
4 | 10