Britisches Blockbusterkino Marke Alfred Hitchcock. So muss chaotischer Gigantismus in den 1930er Jahren ausgesehen haben. Seitdem sind Jahrzehnte vergangen, aber Hitchcocks avantgardistischer Experimentalfilm reflektiert bereits zu früher Stunde eigensinnig Filmgeschichte. Wahrscheinlich ist, dass sich sowohl Brian De Palma als auch Tony Scott inspirieren ließen (eine Verfolgungschoreographie auf einem stampfenden Zug, dazu Plansequenzen zuhauf), höchstwahrscheinlich dürfte ebenso sein, dass "Nummer Siebzehn" kaum vergleichbar, kaum Hitchcock-konform ist. Obschon die undurchsichtige Geschichte über Mehrfachverwicklungen innerhalb eines trashig überhöhten Diamantcollier-Raubs nicht eine Spur von Kohärenz aufweist (Respekt an denjenigen, der die Gesamtheit des Wendungsgulaschs trotzdem verstanden hat), ist die bloße größenwahnsinnige Gestaltungsarchitektur wie regelloses Monopoly mit Actionfiguren im Kindererlebniszimmer. Ein ehemals feudales Gruselhaus, Nebel, Nacht, Katzen, Schritte, im Einstürzen begriffene Fassaden, aus der Dämmerung greifende, verschlingende Hände – im ersten Akt frönt Hitchcock der schauerromantischen Ästhetik und sinnlichen Eleganz des expressionistischen Vampirfilms, bei dem die unheimlichen (Gitter-)Schatten heimlich zu leben scheinen. Ehe sich Bus und Zug (als solches erkennbare Miniaturmodelle) im Tempo gegenseitig überbieten. Erst Horror, dann Kinetik. Mittendrin ein Schnittgewitter, ein wenig Amüsement (Taschenwürstchen!), ein paar Hitchcock-Verknüpfungspunkte (Leichenslapstick, Handschellen, Polizeiangst) und ein verdeckter Metafilm einer Realitätsattrappe, die so nur im Kino existieren kann. Hitchcock konnte sich selbst im Auftragsschund seine Affinität zur Abwechslung bewahren.
5 | 10