Von "Hook" zu "Indiana Jones" zum unsichtbaren Dritten, von
reflektierenden Wassertropfen, Blasen, Spiegeln und Stichwerkzeugen, die
eine Geschichte in ihren absurden Windungen und kleinen Details
selbstständig erzählen, zur Haarlocke, die aus dem Wasser lugt und sich,
ähnlich der (bildmotivisch ikonischen) Flosse des Weißen Hais,
zielgenau vorwärts bewegt. 3D und das anmutige Ballet einer entfesselten
Animationschoreographie befähigen es Spielberg in einem weiteren
Filmexperiment, die Comic-Serie Hergés vom großen Reporter und kleinen
Hund ohne Grenzen und Schranken insgeheim als etwas zu verstehen, was
den Eskapismus der Spielberg-Schatztruhe hier noch einmal aufleben, ja
unter Einsatz unbegrenzter dichterischer Ausdrucksmöglichkeiten
übersteigern will.
"Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn" kennt
demzufolge schlichtweg keine Stagnation, keine Ruhe, keinen Punkt, an
den man sich festhalten kann, sondern nur Hetze und Dringlichkeit, nur
die wahnwitzige und irrwitzige Laune des laufenden Geschehens, nur das
Ziel, an beste Zeiten des hitzigen Überrumpelungskinos anknüpfen zu
wollen, wenn die Verschnaufpausen einer Behauptung unterliegen, die
nächste quirlige Verfolgungssequenz in diesen wenigen Wimpernschlägen
heimlich vorzubereiten. Höhepunkt an Höhepunkt, nicht weniger als die
Praxis der Theorie, es geschieht und geschieht und geschieht.
Eine tosende Bildmaschine über Land, Wasser und Luft ist das, die
Zusammenführung unzähliger Ideen, wie sie Spielberg in den vergangenen
Jahrzenten buchstäblich hinter sich gelassen hat und ein Remake seiner
eigenen Schaffensmotive. Wenn der Handrücken den Szenenwechsel zur
Sahara einleitet, Sicherheitsglas durch die grelle Stimme einer
korpulenten Starsängerin zerberstet oder die Jagd nach drei Pergamenten
neben einem gefluteten Staudamm zur sagenhaft schwerelos fotografierten
Rutschpartie verkommt, dann hat Spielberg einen flippigen, charmanten
Spaß, treibende Bilder zu arrangieren, die im Animationsbereich keiner
Strenge eines kohärenten Schnitts unterliegen. Janusz Kaminski und
Michael Kahn erfinden im Austausch dafür die wundersamsten Übergänge
zwischen dem erzählerischen Moment und seiner ständig auf Abruf
bereiten, zappeligen Bewegung, Montage wie Collage treppenförmig zu
vereinen. Und mit Selbstironie zu proben – in den einleitenden Credits
stampfen etwa die Klaviertasten den Schriftzug "John Williams" in Form.
Da "Das Geheimnis der Einhorn" keinen gedrosselten Gang kennt und
folglich ein turbulentes Abenteuereinerlei zelebriert, das Opfer seiner
Redundanz wird, walzt der Film aber auch die (Spielberg-)Emotion platt,
und die Figuren sind Randnotizen im Straßengraben, die sukzessive
verschwimmen; denn je höher die Geschwindigkeit des Plots, desto
silhouettenhafter die Umrisse ihres Selbst. Mit Ausnahme des
versoffenen, charismatischen, prolligen Kapitäns Haddock (Andy Serkis),
der immerhin kämpferisch an die gute Sache der Hoffnung appellieren
darf, bleiben die Charaktere mechanisch, formelhaft gestrickt und
verharren im Offensichtlichen. Dreikäsehoch Tim (Jamie Bell) ist
lediglich für die nachdenklich zu sich selbst sprechende Besserwisserei
zuständig und sein Hund Struppi für die intuitiven Geistesblitze in
einer Lage, aus der es scheinbar kein Entrinnen gibt, während Daniel
Craig den antagonistischen Part verkörpert: abschätzig, kultiviert,
impertinent.
Überraschungsarm eben, jenseits jeglicher Grautöne. Wie im
Kinderfilm. Deshalb vermutlich konsequent. Spielberg begeht jedoch den
Fehler, dass sein Kinderfilm fast keinerlei Sympathien und empathische
Rollenverteilungen für das Kinderherz anbietet, auch oder gerade weil er
es nicht versteht oder nicht verstehen will, dass lockerer Humor
getimt, erst einmal erzeugt werden muss. In den langweiligen,
unpointierten Dialogen ist der Humor nämlich längst von der Technik
ausgebremst worden, sodass sich dieses im Kern vergnüglich entwirrte
Seemannsgarn häufig um mehr Ernsthaftigkeit kümmert, als um die
lächelnden Mundverrenkungen eines Kindes. So ist das aber mit
Experimenten, sie entstehen unter laborähnlichen Bedingungen, in der
Zukunft des Kinos sowieso.
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