Janusz Kaminskis Kamerabilder stechen hervor, sie verbinden Form und
Inhalt auffällig plakativ. Sein erster Einsatz unter Spielberg
verzeichnete der gebürtige Pole im Klassiker pädagogischer
Kollektivtrauer in den hiesigen Klassenräumen der Bundesrepublik, in
"Schindlers Liste". Kaminski suchte hierin eine künstlerische, sämtliche
Bevölkerungsschichten ansprechende Ausdrucksform dessen, was als
mahnendes Fanal an Generation zu Generation weitergereicht wird. Da
zittern die Halbtotalen, die kurzen, nie linealgeraden Schwenks, während
das Dokumentarische in Kaminskis Impressionen abschnittsweise einen
politisch legitimierten, industriell ausgeführten Säuberungsprozess in
grob geraspelte Fragmente zergliedert. Ehe er einen Oskar Schindler
(Liam Neeson) filmt, der sich manieriert in die Arme "seiner" Juden
fallen lässt, einen Oskar Schindler, dem das Mädchen mit dem roten Kleid
nicht mehr aus dem Kopf geht.
Dies allein zeigt, dass "Schindlers Liste" zwischen Neutralität und
Gefühlsüberschuss einen der schwierigsten Filme im mannigfaltigen
Schaffenswerk Steven Spielbergs darstellt, weil man ihm, dem Film,
leicht Verklärung, Verharmlosung, gar Verballhornung unterstellen
könnte, Geschichtsrevisionismus eines historisch singulären Verbrechens
sozusagen. Die erzählerisch redundante, überdramatische Aufarbeitung der
Schindler-Juden, die Auschwitz-Szenen, bei denen sich Spielberg
merkwürdigerweise um das darzustellende Grauen drückt und ersatzweise
einen unglücklich (ungewollt?) zynisch geratenen Suspense-Einfall wählt,
die stoßweise spritzenden Kopfschüsse, eine explizite Sexszene, vor
allem auch zwei an unterschiedliche Auswüchse von Macht gebundene,
dualistisch aufgeladene Protagonisten (ein heroischer Schindler, ein
sadistischer Amon Göth) – für Spielberg ein Mittel, um den Zuschauer die
Komplexität der Täterschaft aufzuzeigen, ohne deren Nebenfiguren
ambivalent zu schattieren.
All' das besteht tatsächlich aus Widersprüchlichkeiten zur Intention
des nüchternen Nachkriegschronisten, scheint vielmehr bis zu einem
gewissen Grad der Mechanik des von Spielberg mitgeprägten
Unterhaltungskinos heruntergebrochen zu sein, und es ist viel Stoff,
ausnahmslos sehr viel Stoff, den Spielberg derart stringent wie in
seinen vorherigen Werken allerdings ohnehin nicht zu erzählen, zu
entschlacken in der Lage ist. Ein Holocaust-Film als Variation eines an
den obligatorischen Schwachstellen krankenden, modernen Blockbusters,
das wäre Grund genug, Spielbergs Film ein perfides, verlogenes Spiel zu
nennen. Aber, und das ist ungelogen, funktioniert "Schindlers Liste"
dann, wenn man ihm am (jüdischen) Regisseur bemisst, als an einer
geradewegs kunstfeindlichen, einfühlungsresistenten
(Rezeptions-)Vorstellung, die sein muss, aber weder sein will noch ist.
Wenn Spielbergs "Schindlers Liste" die Herzensangelegenheit des
Filmemachers verkörpert, dann ist das zugleich ein bemerkenswert
persönlicher Bericht vom Inneren, sich seinen eigenen Gefühlsgeistern zu
stellen. Als biographische Spurensuche in der Zeit, in der
Vergangenheit voller austauschbarer Namen und identitätslosem
Verschleißmaterial, das jedoch menschliche Nachkommen, ein menschliches,
unschätzbares, individuelles Leben gebärt; als reinigende Therapie, als
Akt schmerzlicher Trauerüberwindung kann "Schindlers Liste" nur
subjektiv sein, kann er nur verzerren, kann er nur stereotyp betonen,
kann er nicht den abwägenden Verstand inszenieren, sondern das ehrliche
Gefühl. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht hantiert Kaminski aus
diesem Grund mit bewegenden Gefühlsbildern, weil es etwas intuitiv zu
verarbeiten, ja abzubilden gilt, anstatt analytisch zu entwirren. Die
manipulative Kraft dieses ambitionierten Projektes, so wagemutig wie
kontrovers, ist ungebrochen.
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