Für nicht wenige Menschen würde der unerwartete Fund einer Leiche womöglich schwere seelische Schäden nach sich ziehen, vielleicht sogar dafür sorgen, dass man für absehbare Zeit nicht mehr Herr seiner Sinne sein kann. In Alfred Hitchcocks Krimikomödie "Immer Ärger mit Harry" verhält es sich hingegen anders, ein wenig "exotischer". Basierend auf Jack Trevor Storys Roman, war "Immer Ärger mit Harry" ein filmisches Experiment seines Regisseurs, um hauptsächlich zu beobachten, wie das Publikum auf besonders schwarzen, englischen Humor reagiert, der in der Handlung als wichtigstes Stilmittel verankert ist. "Nicht sonderlich umwerfend", würde sich bald herausstellen, schließlich wurde der Film von den Medien und den Zuschauern gnadenlos zerrissen und ging somit recht schnell unter. Zu Unrecht – wie im Falle des Meisterwerks "Vertigo", das erst Jahre später seinen ihm zustehenden Ruhm erhalten sollte. Denn "Immer Ärger mit Harry" ist ein wahres Kleinod von einem Film.
Er bringt insofern alles mit, was einen echten Hitchcock ausmacht, und doch ist er aufgrund einiger Konventionen, die der Regisseur ad acta legt, kein typischer Hitchcock und fällt demnach stark aus der Bahn. Anstatt auf obligatorische Suspense-Elemente, darunter Thrill und die Suche nach einem Mörder, zurückzugreifen, lässt der Altmeister seine Protagonisten, die ausnahmsweise nicht nach Geld, Macht oder der Weltherrschaft streben, lieber reden und reden und reden. Statt einer düsteren, kalten und infernalischen Kulisse liegt der Fokus auf einem ländlichen Sommer-Idyll, das von Robert Burks entsprechend heiter, fröhlich und in herbstlichen Farben eingerahmt und zum Teil mit durchaus skurrilen Einstellungen veredelt wird. So verhält es sich zudem mit Bernard Herrmanns fröhlicher, durch und durch einladenden Partitur, die dem Charakter der bunten Landschaft in nichts nachsteht, und die den Anfang einer langjährigen, daher bedeutenden Zusammenarbeit mit dem Meisterregisseur markiert. Und doch ist "Immer Ärger mit Harry" etwas Besonderes. Im Kontext mit Hitchcocks Filmografie gar etwas Einzigartiges.
Das liegt in erster Linie an jenen Situationen, aus denen spezifische humoristische Einlagen hervorgehen. Makabre Situationen. Situationen, die von grotesken Wendungen leben. Man redet von einer Leiche, flucht und lästert über sie, wirft sie in die Badewanne, gräbt sie aus, nur, um sie im nächsten Augenblick wieder zu begraben, als sei es das Natürlichste auf der Welt. Von Trauer keine Spur. Das sind unter einem stets pragmatischen Blickwinkel liebevoll gezeichnete Situationen, die sich fernab etwaiger aufregender Weltereignisse abspielen. Getragen wird der Film neben diesen morbiden Vorgängen vor allem durch eine ungeheure Dialogvielfalt. Dialoge, die von sarkastischen Seitenhieben und zynischen, ja gar latent sexuellen Anspielungen gekennzeichnet sind. Zweifellos überrascht John Michael Hayes mit Hilfe eines jeden einzelnen, zugegebenermaßen trockenen Wortgefechts den Zuschauer, indem er die dadurch ungemein amüsant(er) werdende Handlung permanent in ein anderes Licht rückt.
Nur hier und da ist der aufkeimende Slapstick etwas zu viel (das Stolpern des Arztes), nur an dieser und an jener Stelle wirkt das Drehbuch zu konstruiert, was sich gerade im, obschon witzigen, Finale bemerkbar macht. Größte Sympathie findet sich aber definitiv in den Figuren wieder. Unmoralisch und beinah skrupellos hantieren sie mit dieser Leiche, plappern nebenbei gar über profanste Weltzusammenhänge. Über Harry, der einem in der Tat nichts als Ärger macht, aber auch über die landschaftliche Idylle, über Liebe und über menschliche Probleme. De facto aus der Zeit gefallene, sich um nichts kümmernde, kleine, jedoch bemerkenswert nette Zeitgenossen, die nicht zuletzt durch ein illustres Darstellerensemble glaubhaft funktionieren – darunter John Forsythe als hoffnungslos unbegabter und erfolgloser "Künstler" Sam Marlowe, Shirley MacLaine als betont attraktiv anzuschauende Jennifer Rogers oder der als Krönung fungierende Edmund Gwenn als im wahrsten Sinne des Wortes glückloser Capt. Albert Wile.
Letztendlich werden all' jene enttäuscht werden, die sich von "Immer Ärger mit Harry" den für den Filmemacher typischen Spannungsreißer versprechen. Doch weit gefehlt. Hitchcock schert sich diesmal nicht um psychologische Abgründe, Schrecken, Gewalt, Tod und Kampf. Er zerstört seinen ursprünglichen Plan und kehrt seine Technik mit erschreckender Leichtigkeit einfach um. Dabei ist eine höchst vergnügliche, unverwechselbar charmante und bissige, aber an keiner Stelle realistische Komödie vor malerischer, leicht surrealer Kulisse herausgekommen, die nur einen kleinen, eher sanften Krimianteil in sich trägt, deren Komik vorzugsweise dem Understatement entspringt und schlussendlich unterschätzt ist.
7 | 10