Posts mit dem Label John Barry werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label John Barry werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 13. Mai 2016

"Hammett" [USA 1982]


Ungeachtet von kniffligen Drehbuchänderungen und diffizilen Produktionsschwierigkeiten mit Francis Ford Coppola offeriert Wim Wenders' metafiktive Dashiell-Hammett-Rückbesinnung erotisch-störrische Abgründe in einem "Asphalt-Dschungel". Etwas in "Hammett" zu erkennen, Menschen, Details, Hinweise, fällt schwer – das nächtliche San-Francisco-Schwarz oder das zugestellte Szenenbild gehen mit dem Gelübde konform, nicht mehr differenzieren zu können zwischen dem Wahren und Falschen, zwischen dem Handfesten und Halbseidenen. Frederic Forrest, die Studiobesetzung, verkörpert den Schriftsteller Hammett, aber auch den Detektiv Hammett, der sich durch ein verpestetes, dampfendes, ja treppenstufenübersätes Chinatown vorwärtsermittelt, aber auch vorwärtsschreibt. Parallel zum Krimi, der zunehmend vertrackter wirkt, steigert Wenders die dekorative Künstlichkeit zweier Welten, der literarischen wie der schöpferischen, um das stimulierende Erleben von Geschichten aus dem Leben selbst reflexiv zu untersuchen. Die Insignien des Film Noirs akkumuliert der Film nichtsdestotrotz, auch wenn rabiate Keilereien (gegen "Frühlingsrollen") die Oberhand gewinnen: tödliche Täuschungen etwa oder sich im Nichts auflösende Randspuren. "Hammett" ist dabei selbstredend nicht der Wim-Wenders-Film. Sein Tempo ist ein weniger meditierendes, sondern zielgerichtetes, ein weniger langsamer denn langsamen Schrittes Geschwindigkeit aufnehmender Oldtimer, das Projekt ganzheitlich von Animositäten geprägt, Korrekturen, Stress insbesondere. Wenders hat diese Erfahrung mehrmals verarbeitet; ihm wollte andererseits ein auf spannendste Weise zerrissenes Werk der Anpassung gelingen, das daher keiner Kategorie gerecht wird.  

6 | 10

Dienstag, 6. November 2012

Die Bond-Retro; geschüttelt, nicht gerührt #5


»OCTOPUSSY«
(GB 1983; Regie: John Glen)

Wo speziell "Diamantenfieber" und "Moonraker" einen Tornado an geistesgestörten Gags fabrizierten, ist Bond kurzerhand im Zirkus angelangt und komplettiert die Doof-Trilogie der Serie schonungsloser als schonungslos im Inferno anspruchsfeindlicher Stilblüten – "Octopussy" spielt zu einigen Teilen im Zirkus, dessen Versatzstücke, nachgearbeitete Maskeraden und freche Pointen sich der Film auf der Handlungsebene zunutze macht. Daraus entsteht Moores "Feuerball", ein in Flachgewässern badender, bis zum dreiteiligen, in der Luft erzählerisch klammernden Finale totenbleicher Bond, nicht weil er Bond demontiert, sondern weil er Bond karikiert, und das ausgerechnet nach "In tödlicher Mission". Entlang paranoider Eroberungsallmacht, morgenländischer Dekadenz, zweigeteiltem Deutschland und den nuklearen Kommunismus-Ambitionen der Russen vertauscht "Octopussy" Seriosität mit dem platzendlauten Schenkelklopfer, der gehörschädigender nicht sein könnte. Was Bond zu erfüllen hat, ist nicht viel, muss er sich doch allgegenwärtig verkleiden, als Clown, als Kommunist, als… Krokodil, als Affe, als… Tarzan mitten im zupackenden, zustechenden Dschungel, während seine flächendeckende Macho-Attitüde eine geschmacklose Dimension beansprucht – mit der Kamera auf die Brüste schielen und auf einer Fraueninsel aufräumen. Maud Adams ist wieder an Bord, setzt aber wie der vollgequatschte Film kaum Akzente. Gewitzt: der popkulturelle Fingerzeig auf den Oktopus als Facehugger ("Alien") und den appetitvergehenden Schafskopf beim "Indiana Jones"-Dinner. Zu selten ist das so unsäglich abkupfernd.  


»IM ANGESICHT DES TODES«
»A VIEW FOR A KILL«
(GB 1985; Regie: John Glen)
 
Feuer speit Roger Moores poppiges Alterswerk, es bedeutet, dass er noch einmal alles geben will, bevor er sich auf dem Liegestuhl in der Karibik zur Ruhe legt. Duran Duran und die (gecoverten) Beach Boys treiben ihn mit pochenden Beats in der Eiswüste voran, das Eis schmilzt, die Kälte vergeht, Moore springt, schlittert, dreht sich, Moore ist Bond, am eindrücklichsten in der vielleicht besten Eröffnungsszene der Ära Roger Moore. Rückblick: Wurden Connerys Augenbrauen buschiger und das Haar zunehmend weißer, wachsen Moore fortwährend tiefere Falten. Dazu stakst er holpriger durch eine Mordsgeschichte, deren Herausforderungen er sich aber nach wie vor wie ein gelassener Greis erwehren kann, auch wenn der Faustschlag inzwischen wehtut. Den Tenor des aufkeimenden Internetzeitalters per Mikrochip propagierend, gilt es, einen schizoiden Psychopathen aufzuhalten (gönnerhaft: Christopher Walken), der seiner Vorliebe für gedopten Reitsport, improvisierte Problemlösung und übermütige Konkurrenzvernichtung nachgeht. Ihm zur Seite steht eine der befremdlichsten Nebenfiguren der Serie (muskelbepackt: Grace Jones), die kämpferische Stoßkräfte gegenüber Autoritärmenschen androgyn übersteigert und für die Riege der bösen Typen steht, die den Freund und den Feind in sich vereint. Aufgrund reihenweise schwindelerregender Luftstunts und der "Indiana-Jones"-Mine ist das ein kleiner, wehmütiger, amerikanischer Lebewohl-Bond, dem es jedoch misslingt, die (auch weibliche) Hauptattraktion aufzuführen. 
        

»DER HAUCH DES TODES«
»THE LIVING DAYLIGHTS«
(GB, Ö 1987; Regie: John Glen)

Timothy Dalton stand 1987 für eine radikale Neuausrichtung alteingesessener, aber fast schon eingerosteter Winkelzüge Pate. Sein James Bond taumelt nicht mehr ins Zimmer des Chefs, nachdem der Flirt mit dessen für Bond-Verhältnisse überalterten Sekretärin die üblichen eifersüchtigen Spitzfindigkeiten hervorbrachte. Sein James Bond ist hart und unnachgiebig, aber vielmehr warm und beruhigend, einer, der den Überblick besitzt und dagegen den selbstzweckhaften Sprücheklopfer ins Abseits stellt. Einer, der aus intellektueller Selbstsicherheit heraus die Mission erfolgreich abschließt und doch nirgends die emotionale Temperamentlosigkeit verliert, zu beschützende Kollegen mitfühlend zu behandeln. Entsprechend erweist sich "Der Hauch des Todes" trotz der verjüngten, jedoch eindimensional gespielten Miss Moneypenny als bodenständig angesiedelter Geheimdienst-Thriller, der die ihm inhärente Überlebenstechnik (ein Pfeiftonautoschlüssel!) zum Wohle der Geschichte gestaltet, während Bond im Kern der Handlung mit seinem Mädchen (Mauerblümchen: Maryam d'Abo) lediglich um den halben Erdball flieht und in Afghanistan noch einmal dem Team explosiv zuarbeitet. Ein verschmitzt-theatralischer Jeroen Krabbé und ein Haudrauf-Waffenfetischist (Joe Don Baker) zeigen sich als Bonds mannigfaltige Kontrahenten, wovon der eine stolz auf seine Museumssammlung blutrünstiger Diktatoren ist, die "das kranke Fleisch von der Gesellschaft abschneiden" würden. Inmitten der Weite des Himmels und der Enge der Küche entspringt der Hauch des Todes, den jeder am Nacken spürt.                  

Gesamtwertungen: 5 | 10     6 | 10     7 | 10     

Dienstag, 30. Oktober 2012

Die Bond-Retro; geschüttelt, nicht gerührt #4


»DER SPION, DER MICH LIEBTE«
»THE SPY WHO LOVED ME«
(GB 1977; Regie: Lewis Gilbert)

Dem zehnten Bond-Apparativ "Der Spion, der mich liebte" durchzucken wahrlich tollkühne  Unwahrscheinlichkeiten und schrullige Übersteigerungen in Form der bis dato waghalsigsten Material- wie Technikdemonstration der Bond-Historie. Was Lewis Gilbert hier unter Kontrolle seiner um sich schlagenden Arme dirigiert, ist nicht viel mehr als "Man lebt nur zweimal" zweimal um die eigene Achse gedreht – und doch tragen die verschlingenden Schiffshäfen, die spinnenförmigen Forschungsfestungen, die transformierbaren Fortbewegungsmittel und der ägyptische Hieroglyphenkitsch einer verschwenderisch dekorierten Kontinentreise von Ken Adam dazu bei, dass Gilbert das Meer zur Abziehfolie nautischer wie materieller Poesie verdichtet. Die unvereinbare Widersprüchlichkeit des Wassers repräsentiert hierin den Stützpfeiler eines Films, der sich seinem umschlingenden Weltenbau hingibt. Interessanterweise trifft Roger Moore nach "Leben und sterben lassen" ein zweites Mal auf die standhafte Schmerzlosigkeit des "tödlichen Metalls" (pfundig: Richard Kiel). Barbara Bach als blasierte Agentin auf der anderen Nationenseite leitet hingegen die häppchenweise vonstattengehende Gleichrangigkeit des Bond-Girls ein und vertieft automatisch das Verhältnis anglo-sowjetischer Kooperation, pünktlich gegen Ende der 70er. Aus der Harmonie Moores und Bachs beeinflusst der Film geschliffene Screwball-Frotzeleien, was in einer Lightshow unweit der Pyramiden Kairos kulminiert: Moore, Bach und der Beißer stehen sich gegenüber, im Licht, im Schatten. Das Orchester im Hintergrund charakterisiert die Figurenkonstellation mit verstörenden Klanggebilden.  


»MOONRAKER - STRENG GEHEIM«
»MOONRAKER«
(GB, F 1979; Regie: Lewis Gilbert)
 
Das Tempo ist bis zum letzten Drittel schwerelos lahmarschig, der mittlerweile dritte Bassey-Song kraftlose(re) Routine, Michael Lonsdale ein kläglicher Wicht ("Sterben sie gut!") und die Sinnlosigkeit überschreitet das Ertragbare dessen, was ohne Schamesröte durchzustehen scheint; das ist "Moonraker", eine Ode an den übermannenden Schwachsinn, schwachsinniger als "Diamantenfieber", aber schwachsinnig gut. Ursprünglich sollte "In tödlicher Mission" der nächste Bond sein, aber extra für "Star Wars" katapultierte sich das Franchise vom Wasser in den Weltraum, unterstrich nebenbei, dass die Bond-Filme auch den eskapistischen Wunschtraum eines unerreichbaren Ortes in der Wirklichkeit verankern – nur dass der Wunschtraum erlebbar wird, für Bond, für seine Zuschauer; und hier auch mehrmals: Dies ist einer der lebendigsten, der prachtvollsten Reise-Agentenfilme. Wenn "Moonraker" allgemein nicht verbissen dem Lewis-Gilbert-Remake-Konzept entspricht, dann vermengt er futuristischen Glanz und ein überbordendes Schmierentheater infantiler Zoten. Wenn Bond persönlich nicht damit beschäftigt ist, absurdeste (Beißer-)Attentate, wahlweise im Schwerkraftsimulator, im Museum, auf einer Gondel oder gegen eine Python, zu umschiffen, dann erteilt er die haarsträubendsten Verbalseitenhiebe und testet das pfiffige Kofferequipment seiner Schlafzimmerbekanntschaft, unter anderem ein flammenwerfendes Parfum. Aufgrund des Verliebtseins des Beißers, seiner ersten gesprochenen Worte und dem Seitenwechsel erfährt der Film, davon einmal abgesehen, unerwartet zärtlichen Gefühlsüberschwang, der einen Engel aus dem Monster erschafft.  
        

»IN TÖDLICHER MISSION«
»FOUR YOUR EYES ONLY«
(GB 1981; Regie: John Glen)

Mit "In tödlicher Mission" empfahl sich John Glen in der Gestalt eines gleichermaßen veritablen Handwerkers wie abgeklärten Koordinators, der die James-Bond-Reihe in den kommenden fünf Runden begleiten sollte und sie in ein unberührtes, ein neues Jahrzehnt überführte. Runde eins, "In tödlicher Mission", gönnt sich wieder alle Freiheiten im durchgängigen Fabulieren jener sensiblen (griechischen) Verträumtheit, die das hauptsächlich im rasanten Blofeld-Prolog und in den noch übermütigeren Schneeszenen zugrundeliegende Vorbild "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" ambitioniert nachbuchstabiert, wenngleich Glens Beitrag die beißende Zweideutigkeit minimiert und anhand einer energischen Belagerung teuflisch guter Action-Rhythmik das Protzen gelenkiger Verfolgungskunst maximiert. In der Gelben Ente, im Opiumwarenlager, an einer Skischanze, an einer Felswand, gegen drei Eishockeyspieler, gegen einen Unterwasserroboter, im Meer mit Haien und scharfen Riffen: Vielfältig ist sie geworden, die Dramatik, und Moore personifiziert einen weiterentwickelten, einen gereiften, einen vermenschlichten Bond, der sich teamfähig zeigt, der vor allem ein geschlechtliches Angebot ablehnt, blutet, Beziehungen langsam angeht (hinreißend: Carole Bouguet) und den Poncho aus "Moonraker" glücklicherweise am Garderobenhaken gelassen hat. Bond, der Cowboy, mutiert zum Kavalier der einsamen Herzen, die auf Rache sinnen. Nach Popcorn und dem Griff in die Süßigkeitenschüssel giert "In tödlicher Mission", es ist ein fetziger Bond-Film mit Chuzpe, dem Lotus und ohne Musikunterbrechung.                  

Gesamtwertungen: 7 | 10     6 | 10     7 | 10     

Dienstag, 23. Oktober 2012

Die Bond-Retro; geschüttelt, nicht gerührt #3


»DIAMANTENFIEBER«
»DIAMONDS ARE FORVER«
(GB 1971; Regie: Guy Hamilton)

Tschüss, bis dann, bis bald, auf Wiedersehen. Obwohl Sean Connery sich später geirrt haben sollte, gab er mit "Diamantenfieber" die vorerst letzte Abschiedsvorstellung als erlauchte Schöpfung Ihrer Majestät. Unbeirrbar endgültig im bewusstseinserheiternden Ulk angelangt, klammert der Film eine Prämisse, die auf eine darauffolgende Generation einer neuen Bond-Ära hindeutet: Ein übersättigend grotesker Spaß-Bond, trashig, unter der Gürtellinie, unvermindert komisch und unmittelbar an der Karikatur seiner selbst. Bond wird mehrmals lebendig begraben, triff auf Ratten, wird von durchtrainierten Amazonen verkloppt (!!!), kloppt sich selbst im Fahrstuhl (!!), fährt auf zwei Autorädern (!), steuert Mondfahrzeuge fluchtartig, und all dies kommentiert Connery in völliger Schauspielstarre so lässig wie kess und so sexistisch wie rassistisch (ein Aftershave sei ihm beispielsweise zu schwul). Das ist unglaublich, noch unglaublicher aber ist das konfuse Handlungsstückwerk, ein Schmelztiegel an Zweierpaaren, Zweierbeziehungen und Zweieridentitäten überall auf der Welt, in Südafrika, Amsterdam, Las Vegas, egal ob hetero- oder homosexuell. Ungeachtet des holzschnitzartigen, nunmehr dritten sowie enttäuschensten Blofeld-Ersatzes, eines konturlosen Finales und einer "dummen Nuss" an Blondine (schöner Po, im Kopf nur Stroh), die aufgrund des Maschinengewehrrückstoßes von ganz allein ins rettende Wasser plumpst, landet Bond zwischen zwei saftigen Frauenschenkeln, nachdem er in der bizarren Pre-Title-Sequenz einige breiig-fette Substanzen angerührt hat. Kontrastreich!    


»LEBEN UND STERBEN LASSEN«
»LIVE AND LET DIE«
(GB 1973; Regie: Guy Hamilton)
 
Staffelübergabe an Roger Moore. In "Leben und sterben lassen" bewegt er sich wie eine Schlange um seine Opfer, seine Gegner, eine Schlange, die ohnehin mehrfach Leinwandpräsenz beansprucht. Geschmeidig nähert er sich ihnen, zischend, und beißt von hinten blitzschnell zu. Sean Connery war der Brachiale, Roger Moore ist der Filigrane, der alberne Hedonist mit Zigarre. Noch besser: Roger Moore im Blaxploitation-Bond, der nach Paul McCartney swingt, wippt, schnippt und aus dem lebenden einen Totenschädel generiert. Das Leben und das Sterben findet in diesem Bond zu einer schwarzgeränderten, aus abgehangenen Verallgemeinerungen zusammengekleisterten Bildsprache, aus den schutthaltigen Hinterhofgassen New Orleans, den Voodoo-Ritualen einer Mohninsel sowie einer vorausfeiernden Beerdigung den Mystizismus eines vergangenen Jahrhunderts und den Sozialkolorit der 70er herauszuschälen. Haie und eine Zugschlammschlacht erweisen Connery hierbei noch einmal die Ehre. Je schwarzhumoriger (hihi) Bond ermittelt und dabei kontinuierlich von scheinbar unscheinbaren Gegenständen überrascht wird (ein nirgends sicherer Falltürenclub), desto lustvoll-verdrehter das Sterben und Überleben und die Situationsschau beider und die anschließende Demolierung unter den herausquellenden Augen eines  spuckenden Sheriffs – Alligatoren (Rücken), Motorboote (Sprünge), Flugzeuge (Flügel), Busse (Dach). Während der Oberfiesling nationalistisch motzt, heult das Girl unerträglich doof. Während Moore dem Oberfiesling einen zu Tode bläst, lehrt sein greifarmiger Handlanger eines: lächeln, nur lächeln.
        

»DER MANN MIT DEM GOLDENEN COLT«
»THE MAN WITH THE GOLDEN GUN«
(GB 1974; Regie: Guy Hamilton)

Guy Hamiltons finale Regiearbeit zu Gast bei James Bond. Hamilton verabschiedet sich als selbstreflexiver Staatsmann, indem er auf seine erstmalige Bekanntschaft mit dem virilen Geheimagenten zum Abschied verweist. Nochmal reichlich Gold, nochmal ein zu schlauer Waffennarr (drei Brustwarzen: Christopher Lee), nochmal eine per unbezahlbarer Dosis getötete Schlafzimmerdame, nochmal ein kleinwüchsiger Adjutant, dessen sich selbst geltendem Grinsen Löcher in den Schädel reißt. "Goldfinger" und "Der Mann mit dem goldenen Colt" sind sich um ihre Parallelen bewusst, und darüber hinaus surft letzterer noch zentrierter als "Man lebt nur zweimal" auf dem Zeitgeist des fernöstlichen Films mit den rudimentären Kampfbewegungen, die es Bond in einer Schule lehren, dass ein gröberer Gegenschlag zur Verteidigung trotzdem ausreicht (ein Lakonieschlag, der an den ersten "Indiana Jones" erinnert). Dank dem erneuten Aufeinandertreffen des verknautschten wie zerknautschten Polizisten aus "Leben und sterben lassen" ist es weniger schwungvolle Action, sondern der gehäufte Pistolenschusshumor, der wortwörtlich zu verstehen ist: Der Lauf taugt auch als erotisches Phallussymbol. Understatement, wohin man sieht – ein Auto fliegt, Bonds Gespielin heißt Goodnight, optische Spielereien: eine perspektivverzerrte MI6-Wrackbasis und die perspektivverzerrte Irrgarteneinleitung à la "Liebesgrüße aus Moskau". Ein glühender Titelsong von Lulu preist den lüsternen Bauchnabel höchstselbst, der im Laufe der (Film-)Zeit omnipräsent zu wackeln scheint.  

Gesamtwertungen: 6 | 10     7 | 10     6 | 10     

Freitag, 19. Oktober 2012

Die Bond-Retro; geschüttelt, nicht gerührt #2


»FEUERBALL«
»THUNDERBALL«
(GB 1965; Regie: Terence Young)

Nach den Explosionen im Konfetti des Goldregens auf den fleischigen Rücken der Frauen aus "Goldfinger" kontrastiert Maurice Binder einmal mehr die Ästhetik des weiblichen Körpers im Vorspann mit der Ästhetik der assoziativen Ungegenständlichkeit: Sie schwimmen da grazil durchs Wasser, die femininen, die formvollendeten Körper, und Binder unterlegt diese jungfräulichen Bewegungen in beißend-bunte, abstrakte Farbflächen. Das Grundthema scheint schnell vorgegeben – Bond im Wasser, auf dem Wasser, unter Wasser. "Feuerball", Connerys vierte Mission, führt ihn zugleich zur Nummer zwei des "Phantoms" (Augenklappe, aber durchaus etwas Standard: Adolfo Celi). Obschon sich der Film einer ausgefeilten Choreographie in den (Hai-)Meeresschlachten bemächtigt, wirkt er nur manchmal so unbeschwert wie dessen Weltlichkeit, in der das Sadistische neben dem Entspannenden Schulter an Schulter existiert. "Feuerball" präsentiert sich als ebenso träge wie gedehnt, schnuppert selbstverliebt am Bootssport (ein flottes Adam-Tragflächenboot) und feilscht um einen gehetzten Schnitt, der die stotternden Geschwindigkeitsbeschleunigungen unansehnlich betont. Immerhin enthüllt sich Blofeld auf einer kultigen Konferenz ein bisschen mehr, ein Todestanz mit der Femme fatale (lodernd: Luciana Paluzzi) mutiert zur ekstatischen Schnittmontage und Bond hat eine blubbernde Unterwasserliebesszene zu meistern. Ein nicht gänzlich unverletzbarer Bond, der – man staune! – angeschossen wird, bevor ihn seine Dame (zwei Leberflecke an den Beinen: Claudine Auger) das Leben rettet.    


»MAN LEBT NUR ZWEIMAL«
»YOU ONLY LIVE TWICE«
(GB 1967; Regie: Lewis Gilbert)
 
Bondsai in Japan! Mit einem Lächeln wird er allerorten begrüßt im Land der aufgehenden Sonne, größer als alle anderen. Sean Connery klont "Feuerball", den Vorgänger, und Lewis Gilbert Terence Young, den Regisseur des Vorgängers, indem einerseits das davor kommerziell erfolgreiche Konzept von der Mentalität stärkerer Technikzuwendung noch etwas überhöhter begriffen wird und andererseits Connerys chronische Amtsmüdigkeit das Beweismittel beschert, dass in "Man lebt nur zweimal" zum zweiten Mal mittlerweile nicht mehr viel übrig geblieben ist von des raubeinigen Gentlemans zwischen Charmeur und Chauvinist. Die lässigen Einzeiler gehen den richtigen Leuten zum richtigen Zeitpunkt zwar immer noch auf den Keks, aber Connery wandelt dennoch wie eine Leiche durch den Film. Das soll kein Vorwurf sein, "Man lebt nur zweimal" hat andere Stärken und er ist weiß Gott nicht so sporadisch im Ausreizen der Bond-Momente wie der tendenziell handzahme, fußlahme "Feuerball" zuvor.

Der Film ist fernöstlich und daher exotisch, er ist linientreu und daher direkt im Ermitteln, ohne um den Globus zu jagen, er ist vor allem eine feudale Kulissenarchitektur von des Meisters Hand, Ken Adam. Egal ob es sich dabei um eine unterirdische Lobby mitsamt eigener U-Bahnlinie oder eine als Vulkan getarnte Raketenabschussbasis mit künstlicher Wassermetallschicht handelt – Adam entwarf bedrückend-dichtes, dann wieder weitflächig-räumliches Hintergrundmaterial, das aufgrund seines Unbeirrbarkeitscharakters die Figuren ebenso verschluckt wie verschleiert.

Ehe die vergleichsweise popelige Pre-Title-Sequenz Bond vermeintlich sterben lässt (Cliffhanger!) und Nancy Sinatra schmettert (ein knackiger Song!), deutet einiges darauf hin, dass Gilbert unbewusst Motive der etablierten Bond-Formel enteignet, die er in weiteren Filmen nach "Man lebt nur zweimal" anders, weil kalkulierter, gleichwohl in dramaturgisch verwandter Konstellation benutzt. Das Science-Fiction-Element avanciert im späteren "Moonraker" zum Mittelpunkt, die Klimax einer ausgelassenen Materialschlacht im Hauptquartier des Antagonisten wird hingegen vorweggegriffen ("Der Spion, der mich liebte"), und dass Bond den Dritten Weltkrieg verhindern muss, wenn er den universellen Konflikt angefressener Amerikaner, Russen und Briten schlichtet – kein Thema.

Kinderbuchautor Roald Dahl ist wahrlich kein erfahrener Bond-Autor, was die Qualität seiner künstlerischen Freiheit gegenüber der Fleming-Vorlage erklärt. Dahls Änderungen waren gezwungenermaßen nötig, dem schnöden Fleming-Reiseabenteuer spannende Sentenzen abzuluchsen, nichtsdestotrotz gleicht das Drehbuch vielmehr einem Flickwerk an Ungereimtheit (Blofelds unbeirrbarer Plan – ein Stück Maximalaufwand gegen Minimalziel), frecher Laufzeitverlängerung (warum muss Bond unbedingt als Ninja ausgebildet werden, wenn er doch sowieso nur einen Wurfstern abfeuert?) und über Bord geschmissenen Möglichkeiten (langweilige Japanerinnen, aber sexy Akiko Wakabayashi im Bikini, während ihr Slip immer weiter runterrutscht).

Der Bond-Grammatik kommt es demnach entgegen, dass deren wichtigste Modifikationen aus Subjekt und Verb nicht zum ersten Mal über den Gesamttext hinweg zu kaschieren wissen, was sich darin spiegelt, dass: "Little Nellie" flattert, Barry treibend musiziert (in der Luftverfolgung), hungrige Piranhas Karin Dor futtern (köstlich!), Karin Dor ihre wohlgeformten Finger zeigt, Karin Dor überhaupt Karin Dor ist, Blofelds karikatureskes Schnitzelgesicht offenbart (diabolisch: Donald Pleasence), Bond vermöbelt wird (der Kampf im Industriekomplex). Und aus einer Zyankali-Zigarette schließlich eine resultiert, die dem Raucher gesundheitlich zwar nicht schadet, dafür aber dem nächstgelegenen Passivraucher noch viel, viel mehr. Viel mehr.


»IM GEHEIMDIENST IHRER MAJESTÄT«
»ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE«
(GB 1969; Regie: Peter R. Hunt)

Dieser sechste Bond, er ist nicht annähernd die sinnbildliche Projektionsfläche einer spektakulären zweiten Wirklichkeit, in der Frauen die Bettgesellschaft spielen und die triebgesteuerte Maschine einer Heldenfassade den Weltkrieg im Alleingang aufhält. "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" nähert sich zwar den Bond-Allüren an, unterläuft sie aber lawinenfallartig, und deshalb verkörpert dieser sechste (weihnachtliche Schweizer-)Bond gleichermaßen ungestüme Hingabe wie ein Stück filmischen Wahnsinns. Er schwingt nostalgisch den Hut (Bond packt arbeitslos seinen Koffer und die Barry-Melodien der letzten Themes erklingen) und blickt der Zukunft vorausschauend entgegen ("Die Welt ist nicht genug"). Er ist eine fatalistische Reflexion über das abgekapselte Davor und das Danach, über Ruhe und Ruhelosigkeit, vor allem demontiert er sich und zerpflückt das Innenleben eines zerstreuten Agenten auf der Sehnsucht nach Harmonie im Gewebe aus schlüpfriger Parodie (Allergietherapie!) und verhängnisvollem Scheitern (ein Windschutzscheibenloch), das selbst ein Schnapsglas nicht auffangen kann. Dass der nonchalante George Lazenby gezwungene Zynismen produziert, stört nicht angesichts der individuellen Bandbreite getimter Breitbildkinetik: auf Skiern mit Bogner, im Autorennen mit 'ner Vollblutemanze, im Bob mit Blofeld; es wird im Wettkampf getrauert, mit Moneypenny, mit Bond! Und trotz dem Anderssein wird Bond beibehalten. Es ist diese fragile, diese trügerische Liebeslust, die statt dem Leben schlussendlich nur den Tod erkämpft.    
    
Gesamtwertungen: 5 | 10     6 | 10     8 | 10     

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Die Bond-Retro; geschüttelt, nicht gerührt #1


»JAMES BOND - 007 JAGT DR. NO«
»DR. NO«
(GB 1962; Regie: Terence Young)

Der auserlesene Weltbürger, der schneidig-drahtige Männlichkeitskrieger, die Galionsfigur des gesunden Sexismus im ersten (offiziellen) Einsatz, selbstverständlich autorisiert mit Doppelnull-Lizenz und echtem Walther PPK-Schusswaffengerät. 007, jene Nummer, die zuvor einschließlich Zigarette und dem abschätzigen Blick auf eine in Rot nagellackierte Dame sinnlich eingeführt wurde, jagt Dr. No (quasselige Weltherrschaft: Joseph Wiseman), und danach war kein einziger Bond-Film mehr so ungeschliffen und so puristisch und so von sich selbst irritiert entlang der harten und der weichen Gesten ohne draufgängerisches Pathos. Ein betäubend schwüler Technicolor-Urlaubsfilm, den man auf ein Glas hochwertigen Wein im eigenen Boot zu hoher See genießt. Connery spielt Bond noch etwas unausgeglichen zwischen jähzorniger Bosheit (er erschießt einen Professor kaltblütig) und überheblicher Skurrilität (er klebt seinen Schrank per Haarsträhne ab, um die Schnüffler zu überführen) zum durch Lüftungsschächte kriechenden John McClane der 60er. Trotzdem kristallisieren sich die Variablen der Bond-Formel heraus, während andere weggekürzt bleiben; kein Song, aber ein elektroheißer Maurice-Binder-Vorspann, keine Spielzeuge, aber ein getarntes Bücherregal, kein Sex, aber ausschweifende Küsse und schokoladensüße Damen (Honey!), kein sonderlich zerstörungswütiger Showdown, aber eine als pompöses Gefängnis kleinstädtisch eingerichtete Ken-Adam-Operationszentrale, radioaktiv und bissig. Die Blechblas-Barry-Rhythmen gewähren Bond indes, eine Tarantel zu erschlagen. Als Bond schlägt, schlägt er im sinnesberauschenden Takt des Barry-Scores.


»LIEBESGRÜßE AUS MOSKAU«
»FROM RUSSIA WITH LOVE«
(GB 1963; Regie: Terence Young)
 
In einer Szene entblößt sich Bond vor der dampfenden Badewanne und zeigt der Kamera seine Brusthaare, die begehrtesten weiblicher, zähnefletschender Begierde. Connery stellt genauso seine Brusthaare zur Schau wie das zweite Bond-Abenteuer die markante Bond-Ikonographie füttert: der blutige Pistolenlauf zu Beginn, die Rückenansicht Blofelds und die weiße Katze des Schurken, wohingegen Bond als der zerstörerischste Abgesandte des Konsumkapitalismus einen Koffer erhält, dessen Inhalt mörderisch ist. Ohne geschüttelten Wodka-Martini wirft er sich ein weiteres Mal in die Schlacht, und diesmal arbeitet er sich wieder an der nummerierten Hierarchie des "Phantoms" ab. Quer durch Venedig und Istanbul, in denen das Überwachen des Feindes ein Gruß an die freundschaftliche Normalität ist, evoziert der Schutz einer Dechiffriermaschine nahe der Ländergrenzen orientalisch-byzantinische Romantik im Zusammenprall der Kulturen zwischen Briten und Russen. Mancher Einfall trifft ins Schwarze – der Gangster flüchtet durch den Mund eines Frauenplakats, ein Schuh mit Giftmesser, eine "Mission: Impossible"-Maske, eine Hitchcock-Referenz, ein minutiöser Szenenaufbau im Zug, der in einer ungeheuerlichen Prügelei explodiert. Der Kalte Krieg erwärmt währenddessen, man möchte sagen, er war nie heißer, wenn sich die einleitenden Schriftzüge über die wackelnden, vollbusigen Körperteile schlängeln. Ein tanzender Bond, naturalistisch und doch urban, aber unverhohlen chauvinistisch. Da kriegt die Frau Bonds glatt eine gescheuert.      


»GOLDFINGER«
(GB 1964; Regie: Guy Hamilton)

Regisseurwechsel, aus Terence Young mach' Guy Hamilton, prompt wurde Bond zu dem, als der er sich zum Archetyp der Legendenbildung emporschwang. Die Modifizierung Bonds schlägt zwölf, er nimmt endlich seinen extraspeziellen Aston Martin murrend entgegen, betrat davor die Waffenkammer des Waffenmeisters und ist bereit, stets mit Hilfe eines lockeren Spruchs dem Tod von der Schippe zu springen – und seine Widersacher damit wahnsinniger als wahnsinnig zu machen. Wo sich Bond im Vorgänger einer giftigen, schlagringschlagenden Frau gegenübersah, betritt er nun das Feld gegen zwei der schillerndsten Fieslinge in den Rollen ihres Lebens: einmal fettleibig (Gert Fröbe, der die innere Schwärze mit kumpelhaftem Gold überzieht), einmal asiatisch, eben tödlich-scharf (Harold Sakata). Inmitten des innbrünstigen Bassey-Songs, durchbrechendem Laserlicht, drehbaren Billardtischen, brutalen Elektroschocktherapien sowie zwanghaftem Größenwahn gegen westliche Bevormundung, besteht "Goldfinger" mehr oder minder aus obskuren Attrappen und krummer Täuschung in goldiger Ummantelung: das pointierte Kartenspiel, das gerissene Golfspiel, multifunktionale Autos und lackierte Pistolen, ein Flugzeug samt Guckspiegeln, Goldfingers protziges Refugium, das – Achtung NS-Analogie! – vorzugsweise all jene Eindringlinge vergast, die nicht ihr Portemonnaie öffnen. Durfte man in "Dr. No" erstmals in das Innere eines Atomreaktors blicken, reproduzierte Ken Adam für den dritten Teil zudem Fort Knox, ein Kentucky-Traum aus Stahl, Beton und hypnotisierender Schwere.         

Gesamtwertungen: 7 | 10     6 | 10     7 | 10