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Dienstag, 30. Oktober 2012

Die Bond-Retro; geschüttelt, nicht gerührt #4


»DER SPION, DER MICH LIEBTE«
»THE SPY WHO LOVED ME«
(GB 1977; Regie: Lewis Gilbert)

Dem zehnten Bond-Apparativ "Der Spion, der mich liebte" durchzucken wahrlich tollkühne  Unwahrscheinlichkeiten und schrullige Übersteigerungen in Form der bis dato waghalsigsten Material- wie Technikdemonstration der Bond-Historie. Was Lewis Gilbert hier unter Kontrolle seiner um sich schlagenden Arme dirigiert, ist nicht viel mehr als "Man lebt nur zweimal" zweimal um die eigene Achse gedreht – und doch tragen die verschlingenden Schiffshäfen, die spinnenförmigen Forschungsfestungen, die transformierbaren Fortbewegungsmittel und der ägyptische Hieroglyphenkitsch einer verschwenderisch dekorierten Kontinentreise von Ken Adam dazu bei, dass Gilbert das Meer zur Abziehfolie nautischer wie materieller Poesie verdichtet. Die unvereinbare Widersprüchlichkeit des Wassers repräsentiert hierin den Stützpfeiler eines Films, der sich seinem umschlingenden Weltenbau hingibt. Interessanterweise trifft Roger Moore nach "Leben und sterben lassen" ein zweites Mal auf die standhafte Schmerzlosigkeit des "tödlichen Metalls" (pfundig: Richard Kiel). Barbara Bach als blasierte Agentin auf der anderen Nationenseite leitet hingegen die häppchenweise vonstattengehende Gleichrangigkeit des Bond-Girls ein und vertieft automatisch das Verhältnis anglo-sowjetischer Kooperation, pünktlich gegen Ende der 70er. Aus der Harmonie Moores und Bachs beeinflusst der Film geschliffene Screwball-Frotzeleien, was in einer Lightshow unweit der Pyramiden Kairos kulminiert: Moore, Bach und der Beißer stehen sich gegenüber, im Licht, im Schatten. Das Orchester im Hintergrund charakterisiert die Figurenkonstellation mit verstörenden Klanggebilden.  


»MOONRAKER - STRENG GEHEIM«
»MOONRAKER«
(GB, F 1979; Regie: Lewis Gilbert)
 
Das Tempo ist bis zum letzten Drittel schwerelos lahmarschig, der mittlerweile dritte Bassey-Song kraftlose(re) Routine, Michael Lonsdale ein kläglicher Wicht ("Sterben sie gut!") und die Sinnlosigkeit überschreitet das Ertragbare dessen, was ohne Schamesröte durchzustehen scheint; das ist "Moonraker", eine Ode an den übermannenden Schwachsinn, schwachsinniger als "Diamantenfieber", aber schwachsinnig gut. Ursprünglich sollte "In tödlicher Mission" der nächste Bond sein, aber extra für "Star Wars" katapultierte sich das Franchise vom Wasser in den Weltraum, unterstrich nebenbei, dass die Bond-Filme auch den eskapistischen Wunschtraum eines unerreichbaren Ortes in der Wirklichkeit verankern – nur dass der Wunschtraum erlebbar wird, für Bond, für seine Zuschauer; und hier auch mehrmals: Dies ist einer der lebendigsten, der prachtvollsten Reise-Agentenfilme. Wenn "Moonraker" allgemein nicht verbissen dem Lewis-Gilbert-Remake-Konzept entspricht, dann vermengt er futuristischen Glanz und ein überbordendes Schmierentheater infantiler Zoten. Wenn Bond persönlich nicht damit beschäftigt ist, absurdeste (Beißer-)Attentate, wahlweise im Schwerkraftsimulator, im Museum, auf einer Gondel oder gegen eine Python, zu umschiffen, dann erteilt er die haarsträubendsten Verbalseitenhiebe und testet das pfiffige Kofferequipment seiner Schlafzimmerbekanntschaft, unter anderem ein flammenwerfendes Parfum. Aufgrund des Verliebtseins des Beißers, seiner ersten gesprochenen Worte und dem Seitenwechsel erfährt der Film, davon einmal abgesehen, unerwartet zärtlichen Gefühlsüberschwang, der einen Engel aus dem Monster erschafft.  
        

»IN TÖDLICHER MISSION«
»FOUR YOUR EYES ONLY«
(GB 1981; Regie: John Glen)

Mit "In tödlicher Mission" empfahl sich John Glen in der Gestalt eines gleichermaßen veritablen Handwerkers wie abgeklärten Koordinators, der die James-Bond-Reihe in den kommenden fünf Runden begleiten sollte und sie in ein unberührtes, ein neues Jahrzehnt überführte. Runde eins, "In tödlicher Mission", gönnt sich wieder alle Freiheiten im durchgängigen Fabulieren jener sensiblen (griechischen) Verträumtheit, die das hauptsächlich im rasanten Blofeld-Prolog und in den noch übermütigeren Schneeszenen zugrundeliegende Vorbild "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" ambitioniert nachbuchstabiert, wenngleich Glens Beitrag die beißende Zweideutigkeit minimiert und anhand einer energischen Belagerung teuflisch guter Action-Rhythmik das Protzen gelenkiger Verfolgungskunst maximiert. In der Gelben Ente, im Opiumwarenlager, an einer Skischanze, an einer Felswand, gegen drei Eishockeyspieler, gegen einen Unterwasserroboter, im Meer mit Haien und scharfen Riffen: Vielfältig ist sie geworden, die Dramatik, und Moore personifiziert einen weiterentwickelten, einen gereiften, einen vermenschlichten Bond, der sich teamfähig zeigt, der vor allem ein geschlechtliches Angebot ablehnt, blutet, Beziehungen langsam angeht (hinreißend: Carole Bouguet) und den Poncho aus "Moonraker" glücklicherweise am Garderobenhaken gelassen hat. Bond, der Cowboy, mutiert zum Kavalier der einsamen Herzen, die auf Rache sinnen. Nach Popcorn und dem Griff in die Süßigkeitenschüssel giert "In tödlicher Mission", es ist ein fetziger Bond-Film mit Chuzpe, dem Lotus und ohne Musikunterbrechung.                  

Gesamtwertungen: 7 | 10     6 | 10     7 | 10     

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Die Bond-Retro; geschüttelt, nicht gerührt #1


»JAMES BOND - 007 JAGT DR. NO«
»DR. NO«
(GB 1962; Regie: Terence Young)

Der auserlesene Weltbürger, der schneidig-drahtige Männlichkeitskrieger, die Galionsfigur des gesunden Sexismus im ersten (offiziellen) Einsatz, selbstverständlich autorisiert mit Doppelnull-Lizenz und echtem Walther PPK-Schusswaffengerät. 007, jene Nummer, die zuvor einschließlich Zigarette und dem abschätzigen Blick auf eine in Rot nagellackierte Dame sinnlich eingeführt wurde, jagt Dr. No (quasselige Weltherrschaft: Joseph Wiseman), und danach war kein einziger Bond-Film mehr so ungeschliffen und so puristisch und so von sich selbst irritiert entlang der harten und der weichen Gesten ohne draufgängerisches Pathos. Ein betäubend schwüler Technicolor-Urlaubsfilm, den man auf ein Glas hochwertigen Wein im eigenen Boot zu hoher See genießt. Connery spielt Bond noch etwas unausgeglichen zwischen jähzorniger Bosheit (er erschießt einen Professor kaltblütig) und überheblicher Skurrilität (er klebt seinen Schrank per Haarsträhne ab, um die Schnüffler zu überführen) zum durch Lüftungsschächte kriechenden John McClane der 60er. Trotzdem kristallisieren sich die Variablen der Bond-Formel heraus, während andere weggekürzt bleiben; kein Song, aber ein elektroheißer Maurice-Binder-Vorspann, keine Spielzeuge, aber ein getarntes Bücherregal, kein Sex, aber ausschweifende Küsse und schokoladensüße Damen (Honey!), kein sonderlich zerstörungswütiger Showdown, aber eine als pompöses Gefängnis kleinstädtisch eingerichtete Ken-Adam-Operationszentrale, radioaktiv und bissig. Die Blechblas-Barry-Rhythmen gewähren Bond indes, eine Tarantel zu erschlagen. Als Bond schlägt, schlägt er im sinnesberauschenden Takt des Barry-Scores.


»LIEBESGRÜßE AUS MOSKAU«
»FROM RUSSIA WITH LOVE«
(GB 1963; Regie: Terence Young)
 
In einer Szene entblößt sich Bond vor der dampfenden Badewanne und zeigt der Kamera seine Brusthaare, die begehrtesten weiblicher, zähnefletschender Begierde. Connery stellt genauso seine Brusthaare zur Schau wie das zweite Bond-Abenteuer die markante Bond-Ikonographie füttert: der blutige Pistolenlauf zu Beginn, die Rückenansicht Blofelds und die weiße Katze des Schurken, wohingegen Bond als der zerstörerischste Abgesandte des Konsumkapitalismus einen Koffer erhält, dessen Inhalt mörderisch ist. Ohne geschüttelten Wodka-Martini wirft er sich ein weiteres Mal in die Schlacht, und diesmal arbeitet er sich wieder an der nummerierten Hierarchie des "Phantoms" ab. Quer durch Venedig und Istanbul, in denen das Überwachen des Feindes ein Gruß an die freundschaftliche Normalität ist, evoziert der Schutz einer Dechiffriermaschine nahe der Ländergrenzen orientalisch-byzantinische Romantik im Zusammenprall der Kulturen zwischen Briten und Russen. Mancher Einfall trifft ins Schwarze – der Gangster flüchtet durch den Mund eines Frauenplakats, ein Schuh mit Giftmesser, eine "Mission: Impossible"-Maske, eine Hitchcock-Referenz, ein minutiöser Szenenaufbau im Zug, der in einer ungeheuerlichen Prügelei explodiert. Der Kalte Krieg erwärmt währenddessen, man möchte sagen, er war nie heißer, wenn sich die einleitenden Schriftzüge über die wackelnden, vollbusigen Körperteile schlängeln. Ein tanzender Bond, naturalistisch und doch urban, aber unverhohlen chauvinistisch. Da kriegt die Frau Bonds glatt eine gescheuert.      


»GOLDFINGER«
(GB 1964; Regie: Guy Hamilton)

Regisseurwechsel, aus Terence Young mach' Guy Hamilton, prompt wurde Bond zu dem, als der er sich zum Archetyp der Legendenbildung emporschwang. Die Modifizierung Bonds schlägt zwölf, er nimmt endlich seinen extraspeziellen Aston Martin murrend entgegen, betrat davor die Waffenkammer des Waffenmeisters und ist bereit, stets mit Hilfe eines lockeren Spruchs dem Tod von der Schippe zu springen – und seine Widersacher damit wahnsinniger als wahnsinnig zu machen. Wo sich Bond im Vorgänger einer giftigen, schlagringschlagenden Frau gegenübersah, betritt er nun das Feld gegen zwei der schillerndsten Fieslinge in den Rollen ihres Lebens: einmal fettleibig (Gert Fröbe, der die innere Schwärze mit kumpelhaftem Gold überzieht), einmal asiatisch, eben tödlich-scharf (Harold Sakata). Inmitten des innbrünstigen Bassey-Songs, durchbrechendem Laserlicht, drehbaren Billardtischen, brutalen Elektroschocktherapien sowie zwanghaftem Größenwahn gegen westliche Bevormundung, besteht "Goldfinger" mehr oder minder aus obskuren Attrappen und krummer Täuschung in goldiger Ummantelung: das pointierte Kartenspiel, das gerissene Golfspiel, multifunktionale Autos und lackierte Pistolen, ein Flugzeug samt Guckspiegeln, Goldfingers protziges Refugium, das – Achtung NS-Analogie! – vorzugsweise all jene Eindringlinge vergast, die nicht ihr Portemonnaie öffnen. Durfte man in "Dr. No" erstmals in das Innere eines Atomreaktors blicken, reproduzierte Ken Adam für den dritten Teil zudem Fort Knox, ein Kentucky-Traum aus Stahl, Beton und hypnotisierender Schwere.         

Gesamtwertungen: 7 | 10     6 | 10     7 | 10