Posts mit dem Label Joan Fontaine werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Joan Fontaine werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, 16. April 2014

"Rebecca" [USA 1940]


[...] Obwohl wir nichts sehen, meinen wir, Rebeccas sexuell konnotierte, maskulin-aggressive Energie zu fühlen, in den wallenden Vorhängen, in ihrer Kleidung, in ihren Spiegeln, in den irritierenden Kamerabewegungen dahin, wo nichts ist außer toter Materie, aber einmal etwas Organisches war und etwas Furchtbares seinen Lauf nahm. [...] Die Hauptattraktion verbucht der Film vor allem aber in einem Hitchcock-Element, das, grob geschätzt, vom Stummfilm "Easy Virtue" (1927) bis "Psycho" (1960) reicht. Hitchcock besetzte Judith Anderson als Hausverwalterin Manderleys, die in einer Art geistiger Verbundenheit zu Rebecca als ihre diabolische Stellvertreterin Befehle erteilt und jedem ihrer (wenigen) Worte eine giftige Mahnung hinzufügt. Wenn Manderly schlussendlich abbrennt, mitsamt seiner Geschichte, die endlich ruhen kann, erlischt damit gleichzeitig Mrs. Danvers Aufgabe, über den Nachlass und Rebeccas Erbe zu urteilen und gegen Gefahr von außen zu schützen. Im Zentrum entwickelt sich der Film systematisch zur Konfrontation zwischen Mrs. Danvers und der zweiten Mrs. de Winter. Mrs. Danvers, in "Sklavin des Herzens" feiert sie ihre Wiederauferstehung, zählt zu jenen Mutter- und Frauenfiguren Hitchcocks, die in der Regel etwas Unmenschliches, Diktatorisches und Absolutes haben, verborgen unter entstellten Gesten und toten Bewegungen. Die omnipräsente Mrs. Danvers, in Manderley lässt sie sich nie auf einen Ort reduzieren, versinnbildlicht das Gesicht des Films, ein schwebendes, körper- und fleischloses Gespenst im Körper eines Henkers. Eine Strenge in ihr, in ihm, dem Film, ist das, die unweigerlich erregt.


weiterlesen

Donnerstag, 10. Oktober 2013

"Verdacht" / "Suspicion" [USA 1941]


Agent, "Katze", Werbefachmann: wundervoll, wenn Cary Grant bei Hitchcock vorbeischaut. Flink, abenteuerlich und komödiantisch nuanciert besiegt er das Böse, als ob er sich beim Schnüren der Schnürsenkel gleich an einer Tischkante wider Erwarten den Kopf verbeulen, sich aber dennoch aufrappeln und die Mundwinkel spitzbübisch zu einer Grimasse schneiden würde. Die Schnürsenkel wären immerhin gebunden. Cary Grant ist nicht von dieser Welt. Bis zu "Verdacht". Denn "Verdacht" konterkarierte sein Image als figurativ eindimensionaler Publikumsliebling mit dem zentimeterweiten Zahnpastalächeln, der die Frauen reihenweise ins Bett schubst. Übrig geblieben ist zwar der exzessive, charmante Playboy, der verschwenderische Nutznießer unter der Sonne des Mittelmeeres, der dekadente Draufgänger.

Neu dagegen ist Cary Grant als innerlich komplexer Bad Guy, als brillanter Lügner, als undurchsichtiger, zwischenmenschlich herber, grober Ganove, dem es gelingt, das Publikum anzuekeln, anzuflunkern, anstatt es durch eine erlösende Pointe in die Hände klatschen zu lassen. Berühmt wurde "Verdacht" aufgrund zweier aufeinanderfolgender Szenen. Guillermo del Toro ließ sich ausführlich über die einer ballettähnlichen Komposition entsprechenden Montage der in mehrfacher Hinsicht "letzten" Autoraserei enthusiastisch aus, während das (vielleicht vergiftete) Glas Milch in der expressionistischsten Sequenz (der ein gewaltiger Schatten Grants unheilschwanger vorausgeht) das Zentrum des Bildes auf ein leuchtendes Licht begrenzt, umgeben von trister, vieldeutiger Dunkelheit.

Aber nicht nur anhand dieser zwei Beispiele werden wir, die Zuschauer, aufs Glatteis geführt, wo wir auszurutschen drohen. Davor buchstabierte Joan Fontaine – über ihre Naivität möchte man heute nur schmunzeln – in einer Frühversion des Scrabble das Wort "Murder". Es folgt eine Vision, dass ihr Ehemann (Grant, der der Schulden wegen über Leichen zu gehen scheint) seinen besten Freund und Investor (alkoholgehemmt: Nigel Bruce) an einer Klippe herunterstößt. Vision einer Zukunftswirklichkeit? Oder einer Wunschfantasie? Spielt Cary Grant in der Tat den Bad Guy? Einbildung? Wahrheit? Lüge? Alle Indizien lassen einen Schluss zu, aber ist es deshalb richtig? Ein Doppelleben? Oder bloß der Einbruch einer fiktiven Groschenkrimihandlung in einen psychotischen Geist? Nur ein Hirngespinst?

Hitchcock sperrt den Zuschauer allein mitsamt seinen Verdächtigungen in ein Refugium mit gitterähnlichen Gegenstandsschatten ein. Warum annähernd jeder sich selbst als Genrefilmemacher bezeichnende Künstler Hitchcock vergeblich imitierte, ist in "Verdacht" ablesbar – die psychopathologische, beißende, fleischige Spannung definiert sich über Gesichter, auf denen wir das ablesen, was wir wissen wollen, über die Reaktion der Körpersprache. Cary Grants Gesicht verfinstert sich giftig, sobald herauskommt, dass der verstorbene Vater seiner Frau lediglich ein Porträt für das Ehepaar ins Testament schreiben ließ. Auch die herzlich gemeinte Umarmung nach dem Studioschluss ist verführerisch, ja trügerisch. Hier sprechen die überlegt arrangierten Bilder, um uns das zu geben, womit wir uns in unserer (gerechtfertigten?) Paranoia verlieren. Keiner konnte es stilsicherer. 

7 | 10