William Blake (Johnny Depp) verkörpert den zivilisierten Buchhalter, der ersten Keimen von Industrialisierung beim Wachsen in einer wabernden Wildnis zusieht. Belagert von primitivsten Destruktionsprozessen der weißen Siedler, schreibt Jarmusch die historisch erkämpfte Freiheit um, den Mythos des amerikanischen Gründerlandes zu demaskieren, anstatt ihn "nur" zu entwurzeln. Dieser Mythos zieht, mehr als bildlich gesprochen, an den Zugfenstern vorbei, vorstoßend zu einer Dystopie, die kannibalistische Kopfgeldjäger und das Versprechen einer metaphysischen Weiterschreibung der Geschichte hervorbringt. "Dead Man" ist tendenziell als experimenteller (Anti-)Western zu verstehen, in dem eisige Lakonie schlussendlich die ihr innewohnende Wertlosigkeit überlagert – misstrauisch gegenüber der neuen Welt (der Technologisierung und Ökonomisierung), schippert Blake, seines Zeichens ein Vertreter jenes im Aufbruch befindlichen Kapitalmarktes, gen Natur zurück, der alten Welt, nachdem er von rohester Gewalt entmachtet wurde, die sich zyklisch trotzdem Bahn bricht. Dem Film gelingt es indes, nicht mehr nur "Reise" zu sein, sondern "Erlebnis" entlang des Fegefeuers: somnambul, schelmisch, bisweilen parodistisch (wie in einer zirkusartistischen Sexszene ersichtlich). Neil Youngs metallisch-zerfetzende Gitarrenrisse gemahnen daran, dass der Mensch "seine" (animalische) Natur nicht wegrechnen kann, wenn andere Zeiten anbrechen. Ungeachtet jener zirkulierenden biografischen Geschichten, die den Mensch empathisch im Sinngefüge verankert, ist dem natürlichen Lauf der Auslöschung bei gleichzeitiger Neuordnung keine Macht entgegenhaltbar.
6.5 | 10