Das Leben hänge am seidenen Faden, so eine gern gebrauchte Phrase. In "Saboteure" hängt Frank Fry (Norman Lloyd) an der Freiheitsstaue und blickt in den Abgrund. Seine Jacke reißt, schneller, noch schneller. Aber Fry, genau jenen, quer über den amerikanischen Kontinent gesuchten Fry, den niemand zu kennen glaubt, ist ein Schurke, und Hitchcock mokierte sich, dass nicht der Held (minimal milchgesichtig: Robert Cummings), sondern sein Gegenspieler in der spannungsvollsten Sequenz mit dem Tod konfrontiert wird. Fry ist der Saboteur, "Saboteure" hingegen ein Film, der unterstreicht, warum Hitchcock auch heute funktioniert. Schablone (Unschuld) gestaffelt neben Schablone (Flucht) neben Schablone (Privatermittlung auf eigene Faust), und dennoch fiebern wir lieber mit dem sadistischsten, abgeklärtesten Superagenten mit. Hitchcock-Kino in seinem ökonomischen Geschick ist folglich so hochmodern inszeniert und so moralisch fintenreich, davon weiß "Saboteure" genau Bescheid. Geeicht auf Abwechslung zwischen gottverlassener Endzeitindustrie und urbanem Stadtquerschnitt, Wasserfällen und Luxusinterieurs, die kein Entkommen ermöglichen, festgekettet per Handschellen, übertrifft sich der Film nahezu, er wird rasend(er), wirkt wie im Fluss – und hält letztlich ein leidenschaftliches Plädoyer gegen die Diktatur der Bourgeoise. Den verschwörungstheoretischen Hintergrund trivialisiert Hitchcock, die Kausalität der Zusammenhänge; "Saboteure" ist eine obskure Reise wie mit dem Wanderzirkus zu einem unbestimmten Ziel. Hypnotisierend: Vaughan Glazers Güte.
6 | 10