Ausgelöst durch einen MacGuffin, dessen illusorische Bedeutsamkeit lediglich die Handlung vorantreibt, versteht sich "Die 39 Stufen" als junger Entwurf des Lieblingssujets Hitchcocks, in zahlreichen Umformungen dem Mann auf der Flucht mit der Kamera zu folgen. Zugleich festigte der Film seinerzeit Hitchcocks Prinzip, Wahrscheinlichkeit auszustreichen, um halsbrecherische, ja auch naive Zufälle ebenso willkürlich wie furios aufeinanderzustapeln, die mit Hilfe eines elliptischen Schnitts und rasend-rhythmischer Orts- sowie Szenenübergänge eine Art inszenatorische Symphonie entstehen lässt. "Die 39 Stufen" im Bereich von Räuberpistole, Groschenheft und Sleaze kommt allerdings weit weniger aufregend, dringlich und nervenstark daher als jene thematisch abgewandelten Filme, die Hitchcock kontinuierlich perfektionierte: "Saboteure" etwa oder, hier zur Vollendung getrieben, "Der unsichtbare Dritte". In etwas mehr als kompakten 80 Minuten beeindruckt der Film hingegen als aufputschendes, humoristisch zweideutiges Spektakel rar gesäter Höhepunkte, sobald der Schrei vor einer Leiche in das Geräusch des schnaufenden Zuges dringt. Nicht nur eine ablenkende Wahlkampfrede, sondern auch das sich den Hitchcock-Meriten treubleibende, ausgefallene Finale, in dem der Held in der Menge isolierter und gefährlicher lebt als allein, gehören jedoch ganz dem Regisseur. Demgegenüber bleibt die (wiewohl bittersüße) Screwball-Comedy gezwungen, die Hauptdarsteller stereotypes Zweckmittel und der Antagonist reduziert sich auf seine körperliche Deformierung. Überhastet im wahrsten Sinne des Wortes.
5 | 10