"Mr. und Mrs. Smith" verbucht aus drei hauptsächlichen Gesichtspunkten einen VIP-Platz in Alfred Hitchcocks Œuvre. Einerseits nahm Hitchcock bereits 1941 mit seiner ersten und letzten amerikanischen Komödie (hier: Screwball-Komödie) die erst in der nachfolgenden Generation sich vollständig verfestigende Erkenntnis vorweg, wonach der Master of Suspense über ein unbeirrbar reichhaltiges Gesamtwerk unterschiedlicher Couleur – vom dunklen Krimi zur leichten Komödie – verfügt. Andererseits war "Mr. und Mrs. Smith" eine der einzigen Hitchcock-Regiearbeiten, mit dessen Drehbuch (Norman Krasna) Hitchcock alles andere als einverstanden war, weil er sich mit keiner Figur und ihren jeweiligen Marotten identifizieren konnte und deshalb das Drehbuch nicht entscheidend verfeinerte, sondern meist in seiner Ursprungsfassung beließ.
Vor allem aber konterkariert "Mr. und Mrs. Smith" beliebte Hitchcock-Rezeptionsmuster, die darauf hinauslaufen, dass wir erst einen Hitchcock mit eingebürgerten Hitchcock-Strömungen "gut" finden und im Gegenzug von den untypischen Hitchcocks ohne explizite Hitchcock-Motive eher die Finger lassen, als wäre die bloße Erwähnung des alteingesessenen Hitchcock-Stils (was immer auch darunter zu verstehen ist) ein Qualitätskriterium, das es zu wahren gilt.
Exemplarisch funktioniert "Mr. und Mrs. Smith" vielleicht nicht über die gesamte Zeit, so doch aber über einen großen Zeitraum als feurig-furioses Eheschlachtfeld zwischen eitler Machtbesessenheit und neurotischer Eifersucht, das heute nicht weniger als altbackenen Normen innerhalb der staatlich unterschriebenen Zweisamkeit huldigt: Sobald gestritten wird, schließt sich das Paar gemeinsam im Schlafzimmer ein, was in Extremfällen mehrere Tage dauern kann. Und falls der Streit nicht beigelegt werden kann oder ein neuer entflammt, hat die Gattin das Recht, ihren Gatten blindlings hinauszuschmeißen.
Insgesamt erinnert der Film weder formal noch narrativ an Hitchcock, an Kriminalität, an Depressivität, an Psychologie und an Soziologie, höchstens seinen situationsbedingt unnachahmlich absurden Humorstempel kann Hitchcock hier und da – etwa in der Szene mit der Klospülung oder der amüsanten Sanierung des 100-Dollar-Edelrestaurants zum 75-Cent-Schuppen – aufdrücken. Dass Hitchcock Neuland betrat, ist trotzdem in der einen oder anderen Szene deutlich zu beobachten und stützt die dramaturgische Unsicherheit des Drehbuchs. Wenn der Film sein Gewicht in eine abwechslungsreiche Schneelandschadt verlagert und dort endet, ist es ein viel zu überhastetes, fast schon grotesk überstürztes Ende (nach 90 Minuten Terror, Enttäuschung, Gewissenlosigkeit benötigt der Frieden einen unfreiwilligen Stolperer); anscheinend wollte Hitchcock den Film schnell zu Ende inszenieren, damit er sich wieder auf sicherem Terrain fühlen darf.
Seinen beiden Schauspielern gönnt er im Verhältnis gesehen faire Momente, in denen sie sich behaupten dürfen. Carole Lombard gibt die von Hitchcock auf ihre Person zugeschnittene, vulkanartige Naturgewalt sichtlich souverän, während Robert Montgomery den bis zur Unkenntlichkeit verzweifelten Verlierertyp (auch gegenüber seinem besten, dem zugleich angehimmelten Freund, Gene Raymond) zumeist halbwegs vergnüglich meistert, obgleich der ursprünglich vorgesehene Cary Grant möglicherweise ein würdigerer Kontrahent gewesen wäre. Hitchcocks süffige ménage à trois ist klein, kurzweilig, unspektakulär, aber nicht derart klein, kurzweilig, unspektakulär, als dass wir nicht einen Blick riskieren könnten – trotz Hitchcock ohne Hitchcock.
6 | 10