»CASINO ROYALE«
(GB, USA, D, CZ 2006; Regie: Martin Campbell)
Unleserlich viel ist über "Casino Royale" geschrieben wurden, darüber,
dass mit Einzug Daniel Craigs gleichzeitig das animalisch Ungestüme und
das draufgängerisch Rustikale seit Sean Connery und Timothy Dalton ein
Comeback feiere, darüber dass dieses Comeback insbesondere eine seit
Jahrzehnten in beständiger Regelmäßigkeit durchgewrungene und sukzessive
debilere Filmreihe genauso entschlacke wie vielschichtiger den
heutigen globalen Herausforderungen verzahne. Und "Casino Royale" ist,
aller Liebe zu Connery, Moore und Dalton zum Trotz, jener Bond-Film,
der die glitzernste Oberfläche poliert, unter der sich aber auch
unwiderlegbar ein inhaltsreiches Pensum an Kraft, Tiefenschärfe und
Gerissenheit verbirgt. So narrativ ausgeklügelt, so pathetisch Bond an
die Entmystifizierung herangeführt wird, so folgerichtig, so gewandt
geschrieben ist sein tragischer Werdegang zur mystischen Doppelnull, der
ihn auf schmerzhafte Weise an seine existenzielle Verletzlichkeit
erinnert, bis die Doppelnull mit einer Sieben ergänzt wird und Bond von
nun an leibhaftig Bond sein darf. Artistisch im körperlichen
Action-Szenenaufbau, erzählt "Casino Royale" in seinen meisten
körperlosen Augenblicken eine heißblütige Kammerspielgeburtsprozedur
ausschließlich über Gesichter, über verschwitzte, über verschmitzte,
über die Gesichter mit Leberflecken, Abnormitäten und jenen, die
undurchdringbar scheinen, über die grinsenden Gesichter und die
lächelnden, lauernden, blutigen. Wenn sich ein Gesicht auf das andere
lautlos konzentriert, dann ist das ein beunruhigender Ausdruck von
Poesie.
»EIN QUANTUM TROST«
»QUANTUM OF SOLACE«
(GB, USA 2008; Regie: Marc Forster)
Jedes Gefühl erwürgt sich selbst, jede Emotion schnappt nach Luft, die
Intimität der Figurenpsychologie zerfällt in bedeutungslose Fragmente,
die es zulassen, dass sich nur noch die Überreste einer abgewürgten
Bewusstseinsregung zu einem Schutthaufen ballen. "Ein Quantum Trost"
schaut ständig auf die Omega-Armbanduhr, hat partout keine Zeit, prescht
voran, neben sich und der Spur. Bond rennt, schlägt, schießt, klettert,
springt, reflektiert, Kopf nach unten, akzeptiert, Kopf nach oben. 100
Minuten lang, 100 Minuten kurz. 100 Minuten voller hochenergetischer
Aktion, die Hälfte ein abstoßendes Plagiat des "Bourne Ultimatums",
zerschnitten, auseinandergerissen, kaputtzerkleinert, und dessen Seele
gleich mit – "ein Film mit aufdringlichem Geschmack, der an seiner
eigenen Koketterie für alle Mitmenschen zur Belästigung wird." Das waren
meine Worte zu Ridley Scotts "Hannibal", das sind meine Worte zu Marc
Forsters unkenntlich rebellisch-stilisiertem "Ein Quantum Trost", der –
Ironie hin oder her – den innigsten Bond-Film mit dem ästhetisch
quadratischsten, dem emotional klobigsten und vor allem dem
verbeultesten fortsetzt. So dramaturgisch verbeult wie der Aston Martin
am Ende einer Autoverfolgung. Zum Weinen, zum Lachen, zum
freundschaftlichen Austausch: keine Zeit, keine Zeit zu nichts, nur Zeit
fürs Rudiment, für die Zuckungen, für das Posen; insbesondere für einen
Daniel Craig, der seine Tom-Ford-Anzüge in die Kamera wedelt. Ein Maxum
Trostlosigkeit.
»SKYFALL«
(GB, USA 2012; Regie: Sam Mendes)
Ziemlich genau die zweite Hälfte ist es endlich, an der Christopher
Nolan keinen Einfluss mehr zu haben scheint, seine festgekrallten Finger
öffnen sich und "Skyfall" bremst die dahinratternde inhaltliche
Scheinbedeutsamkeit der ersten, etwas drucklosen und totgequatschten
ersten Hälfte ohne einen erschlagenden Moment, ohne ein Bond-Girl, das
nicht steif lächelnd im Weg steht. Wenn Javier Bardem allerdings
irgendwann den Film an sich reißt, über seine fratzenhaften
Gesichtslandschaften – dies geschieht mit einer Mixtur aus bisexueller
Heiterkeit und zappeliger Bockigkeit –, dann jedoch überwiegt ein
Subtext, der auf eine penibel ausgearbeitete Bildebene trifft. Und es
ist auch die hypnotische Bildebene, die sich irgendwann vollständig in
jene Einheiten aufspaltet, die Daniel Kleinman im organisch-blutigen
Vorspann kontrastiert: Das innerfamiliäre Finale gerinnt zum
unsichtbaren, zum versteckten Ringkampf der Silhouetten und der Schatten
um die Mutter der Betrogenen, der altmodischen und der hochmodernen
Zeit, der Bond-Vergangenheit, der Bond-Zukunft und deren Bedeutung im
Weltzusammenhang. Es sind die Figurenlichter, die ins Schwarz gestoßen
werden, kein transparent-fluoreszierendes Farbenmeer, nur ein
lichterloher Hintergrund; Schwarz vor Rot, ein Ringkampf in der Hölle.
Der Sieger? Das Messer. Der Verlierer? Der Computer. Die Vergangenheit,
nicht die Zukunft. Bond fliegt wieder in die Vergangenheit, obwohl er
sich nicht gegen die Psychoanalyse wehren konnte. Nach 50 Jahren.
Gesamtwertungen: 7 | 10 3 | 10 6 | 10