Donnerstag, 29. November 2012

Die Bond-Retro; geschüttelt, nicht gerührt #8


»CASINO ROYALE«
(GB, USA, D, CZ 2006; Regie: Martin Campbell)

Unleserlich viel ist über "Casino Royale" geschrieben wurden, darüber, dass mit Einzug Daniel Craigs gleichzeitig das animalisch Ungestüme und das draufgängerisch Rustikale seit Sean Connery und Timothy Dalton ein Comeback feiere, darüber dass dieses Comeback insbesondere eine seit Jahrzehnten in beständiger Regelmäßigkeit durchgewrungene und sukzessive debilere Filmreihe genauso entschlacke wie vielschichtiger den heutigen globalen Herausforderungen verzahne. Und "Casino Royale" ist, aller Liebe zu Connery, Moore und Dalton zum Trotz, jener Bond-Film, der die glitzernste Oberfläche poliert, unter der sich aber auch unwiderlegbar ein inhaltsreiches Pensum an Kraft, Tiefenschärfe und Gerissenheit verbirgt. So narrativ ausgeklügelt, so pathetisch Bond an die Entmystifizierung herangeführt wird, so folgerichtig, so gewandt geschrieben ist sein tragischer Werdegang zur mystischen Doppelnull, der ihn auf schmerzhafte Weise an seine existenzielle Verletzlichkeit erinnert, bis die Doppelnull mit einer Sieben ergänzt wird und Bond von nun an leibhaftig Bond sein darf. Artistisch im körperlichen Action-Szenenaufbau, erzählt "Casino Royale" in seinen meisten körperlosen Augenblicken eine heißblütige Kammerspielgeburtsprozedur ausschließlich über Gesichter, über verschwitzte, über verschmitzte, über die Gesichter mit Leberflecken, Abnormitäten und jenen, die undurchdringbar scheinen, über die grinsenden Gesichter und die lächelnden, lauernden, blutigen. Wenn sich ein Gesicht auf das andere lautlos konzentriert, dann ist das ein beunruhigender Ausdruck von Poesie.


»EIN QUANTUM TROST«
»QUANTUM OF SOLACE«
(GB, USA 2008; Regie: Marc Forster)
 
Jedes Gefühl erwürgt sich selbst, jede Emotion schnappt nach Luft, die Intimität der Figurenpsychologie zerfällt in bedeutungslose Fragmente, die es zulassen, dass sich nur noch die Überreste einer abgewürgten Bewusstseinsregung zu einem Schutthaufen ballen. "Ein Quantum Trost" schaut ständig auf die Omega-Armbanduhr, hat partout keine Zeit, prescht voran, neben sich und der Spur. Bond rennt, schlägt, schießt, klettert, springt, reflektiert, Kopf nach unten, akzeptiert, Kopf nach oben. 100 Minuten lang, 100 Minuten kurz. 100 Minuten voller hochenergetischer Aktion, die Hälfte ein abstoßendes Plagiat des "Bourne Ultimatums", zerschnitten, auseinandergerissen, kaputtzerkleinert, und dessen Seele gleich mit – "ein Film mit aufdringlichem Geschmack, der an seiner eigenen Koketterie für alle Mitmenschen zur Belästigung wird." Das waren meine Worte zu Ridley Scotts "Hannibal", das sind meine Worte zu Marc Forsters unkenntlich rebellisch-stilisiertem "Ein Quantum Trost", der – Ironie hin oder her – den innigsten Bond-Film mit dem ästhetisch quadratischsten, dem emotional klobigsten und vor allem dem verbeultesten fortsetzt. So dramaturgisch verbeult wie der Aston Martin am Ende einer Autoverfolgung. Zum Weinen, zum Lachen, zum freundschaftlichen Austausch: keine Zeit, keine Zeit zu nichts, nur Zeit fürs Rudiment, für die Zuckungen, für das Posen; insbesondere für einen Daniel Craig, der seine Tom-Ford-Anzüge in die Kamera wedelt. Ein Maxum Trostlosigkeit.      


  »SKYFALL«
(GB, USA 2012; Regie: Sam Mendes

Ziemlich genau die zweite Hälfte ist es endlich, an der Christopher Nolan keinen Einfluss mehr zu haben scheint, seine festgekrallten Finger öffnen sich und "Skyfall" bremst die dahinratternde inhaltliche Scheinbedeutsamkeit der ersten, etwas drucklosen und totgequatschten ersten Hälfte ohne einen erschlagenden Moment, ohne ein Bond-Girl, das nicht steif lächelnd im Weg steht. Wenn Javier Bardem allerdings irgendwann den Film an sich reißt, über seine fratzenhaften Gesichtslandschaften – dies geschieht mit einer Mixtur aus bisexueller Heiterkeit und zappeliger Bockigkeit –, dann jedoch überwiegt ein Subtext, der auf eine penibel ausgearbeitete Bildebene trifft. Und es ist auch die hypnotische Bildebene, die sich irgendwann vollständig in jene Einheiten aufspaltet, die Daniel Kleinman im organisch-blutigen Vorspann kontrastiert: Das innerfamiliäre Finale gerinnt zum unsichtbaren, zum versteckten Ringkampf der Silhouetten und der Schatten um die Mutter der Betrogenen, der altmodischen und der hochmodernen Zeit, der Bond-Vergangenheit, der Bond-Zukunft und deren Bedeutung im Weltzusammenhang. Es sind die Figurenlichter, die ins Schwarz gestoßen werden, kein transparent-fluoreszierendes Farbenmeer, nur ein lichterloher Hintergrund; Schwarz vor Rot, ein Ringkampf in der Hölle. Der Sieger? Das Messer. Der Verlierer? Der Computer. Die Vergangenheit, nicht die Zukunft. Bond fliegt wieder in die Vergangenheit, obwohl er sich nicht gegen die Psychoanalyse wehren konnte. Nach 50 Jahren.

Gesamtwertungen: 7 | 10     3 | 10     6 | 10