Donnerstag, 14. Juli 2011

In aller Kürze: "Mosquito Coast" [USA 1986]


In den Untiefen des Dschungels verloren gegangene und anhand eines deutschen Releases, das noch auf sich warten lässt, tendenziell vergessen geglaubte Exotikexpedition des in allen (Genre-)Schubladen energetische Werke inszenierenden Peter Weir. Ford holt den ökophilosophisch-cholerischen, fanatisch-reaktionären Klaus Kinski aus dem Grab, den Zorn [der Wissenschaft], einen Weltverbesserer. Er imitiert zwischen verdorrten Sträuchern, heruntergekommenen Hütten und ausgebrannten Idealen einen gottlosen Prediger, dessen Land einem taumelnden, vor sich hin hustenden Zombie ähnlich durch die Marktwirtschaft streift, an jeder Naht zu implodieren droht und an die unausweichliche Apokalypse eine nett geschriebene Einladung zur Geburt zivilisatorischen Nullpunktes schickt. Direkter ausgedrückt: Dieses Land geht vor die Hunde! Und was macht man da? Raus aus dem Kapitalismus! Eis produzieren! Aus Liebe unter anderem auch. Dafür, dass man sein Land nicht mehr beim Siechtum zuschauen möchte. Weir klappert mit geruhsamer Hand die Stadien des seelischen Verfalls Allie Fox' (so eindrücklich wie nie: Harrison Ford) ab. Die Charakterisierung resultiert aus den erbitterten, eloquent geschriebenen Monologduellen Paul Schraders. Der heroische Idealismus, mit dem sich Fox infizierte, führt im Körper nach der Inkubationszeit zu Wahnsinn, Mord und Totschlag. John Seals beruhigende Kameraaufnahmen pittoresker Natur, obgleich sie sich gerade in den Totalen nicht sonderlich spektakulär präsentieren, neigen (aus diesem Grund vermutlich) immer wieder einen Anflug von Fäulnis, Zersetzung und Rückwärtsentwicklung zu zeigen, ungeachtet, dass ein Mann eine Mission vom sozialeren Leben umzusetzen versucht und damit anfangs erfolgreich umzugehen weiß.

Angekommen in Honduras, erkennt Fox während einer Bootsfahrt allerdings niederschmetternd (er möchte das Steuer übernehmen, wird aber zurechtgewiesen), dass wider Erwarten selbst hier, in diesem Land ohne Perspektive, alles festen Regeln folgt sowie der Weg zum ungezwungenen Paradies steiniger als ursprünglich gedacht ausfällt. Im Mittelpunkt vertraut der Film zwar Harrison Ford komplett, vergisst aber sein Nebenpersonal dementsprechend eklatant. Helen Mirren verfällt der blassen Eindimensionalität völlig, hat vor allem kaum erinnerungswürdige Szenen, die mehr als bloßes Kopfschütteln zur Seite (Ablehnung) oder Kopfschütteln von oben nach unten (Zustimmung) bedeuten könnten. Der junge, talentierte River Phoenix in der Rolle des diplomatischen Vermittlers muss sich ebenfalls in dem wenigen Handlungsraum, den er hat, entfalten. Dass das selten gelingt; check. Dass eine stärkere Fokussierung vonnöten wäre; check. Fesselnder wäre es, wenn Fox einen direkten Kontrahenten innerhalb der Familie respektive des neuen Freundeskreises hätte, der bereit wäre Fox' diskutierbare Ansichten auch einmal argumentativ anzuzweifeln, statt bedingungslos zu schlucken. Rudimentär ist "Mosquito Coast" ohnehin in der gewollt ambivalenten Zeichnung – exzentrisch und treusorgend – seines Protagonisten formuliert. Allie Fox beweist sein Engagement bei den Einheimischen, beleidigt später jedoch den sympathischen Bootsfahrer Mr. Haddy (Conrad Roberts) auf rassistisch niedere Weise. Um Aufklärung dieser scheinbar unlogischen Widersprüchlichkeiten hetzt der Film hinweg. Resultat: Faszinierendes Harrison-Ford-Egowichsen in einem kopfbetonten Geheimtipp mit vereinzelt unnötig schlampigem Drehbuch.

6,5/10