Mittwoch, 15. April 2009

Literatur: Das Schloss (Franz Kafka), 1926



Story:

Eines Nachts gelangt der Landvermesser K. in ein Dorf, das von einer geheimnisvollen Macht, dem Schloss, beherrscht wird. Im Dorf schließlich angekommen, sucht K. nach einer Anstellung als Landvermesser. Vergebens. Der Grund dafür bleibt ebenso im Dunkeln. Er sucht nach Anerkennung, weil ihm die Bewohner doch recht feindlich gesinnt sind. Vergeblich. Fragen zwängen sich auf, die allesamt das Schloss beantworten könnte. Doch ins Schloss ist noch kein Außenstehender rein gekommen. K.´s aussichtloser Kampf gegen eine mächtige Institution und um seine Anerkennung beginnt...

Kritik:

"Das Schloss" markiert ein weiteres Buch aus der Feder von Franz Kafka, welches neben "Der Prozess" und "Amerika" als unvollendet, weil posthum veröffentlicht gilt. "Das Schloss" aus der Feder von Franz Kafka widmet sich um Weiteres einer morbiden, aber nichtsdestotrotz vielschichtigen, aber dennoch durch und durch mysteriösen Geschichte. "Das Schloss" aus der Feder von Franz Kafka ist ein kompliziert zu lesendes und mitunter schwer zu erfassendes Buch. In ironisch neutral gebrochener Erzählweise schildert Kafka darin den aussichtlosen Kampf eines Landvermesser um Anerkennung, was ihm jedoch zu keiner Zeit gelingen mag. Der Landvermesser – des Autors alter Ego mit dem schlichten Namen K. - bleibt identitätslos, wenig erläutert und konturentechnisch wenig ausgearbeitet. Seine charakterliche Entwicklung definiert sich vor allem durch seinen Kampf gegen dieses dubiose Schloss, um dort eine Legitimation seiner Existenz zu erreichen. Genauso wie K., bleiben auch die Dorfbewohner geheimnisvoll, rätselhaft, die Frauen darunter werden wie Dirnen beschrieben, ein Mann namens Klamm (Gott?) scheint zwar der Schlüssel zu sein, doch für seine Existenz gibt es nur wage Vermutungen, dieses Schloss scheint der einzige Fixpunkt zu sein, von wo aus alles kontrolliert wird, aber keiner reinkommt. Kurios, denn im eigentlichen Schloss, das wie der Wind über die Bewohner zu schweben scheint, herrscht Unkontrolliertheit. Da avancieren die bürokratischen Abläufe á la das simple Suchen nach einem verschwundenen Schriftstück zu groteskem Chaos. Und trotzdem manifestiert sich in diesem Schloss eine ungeheure Fasziniertheit, eben ein Objekt des Verlangens. Die eigentliche Schlossverwaltung, tja, sie erscheint als wandelbares System, die Administration gleicht einem Gott der Moderne. Freilich, es gibt viele Assoziationspunkte zum Schloss und seiner damit verbundenen Verwaltung. Ist es möglicherweise ein theologisches Modell, eine schwarze Satire auf Macht und der Willkür auf Staatsapperate oder könnte das Schloss gar die Welt der Väter darstellen, die zu erobern sich der Sohn vergeblich bemüht? Und was ist mit K.´s, in ihrem Charakter ganz und gar faulen und notgeilen Bediensteten, die ihn immer wieder zu ungeeigneter Stunde stören müssen? Vielleicht Kafkas Form einer Metapher auf den alltäglichen Wahnsinn des Ärgers, für die Sorgen und Probleme einer Person?

Man sieht, "Das Schloss" bietet auf der interpretatorischen Ebene viel Diskussionstoff. Fakt ist jedenfalls, dass sich Kafka nicht nur auf den Konflikt zwischem einem Einzelnen und der Obrigkeit stützt, im tieferen Sinn geht es vielmehr um den Gegensatz zwischen K. und der Masse, hier in Form der Verwaltung des Schlosses, also zwischen Individuum und Gesellschaft. Die Atmosphäre ist dabei entsprechend düster, es vermischen sich surrealistische (keine eindeutigen Ort- und Zeitangaben, sich verselbstständigende materielle Objekte) und expressionistische Bilder, die Dialoge, wenngleich zunehmend ermüdener, sind durch ihre klare Sprache beeindruckend. Obwohl der Roman in seiner Prämisse durchaus bedrückend wirkt, gibt es immer wieder mal hier und mal da skurrile Passagen, die nicht selten ins Komische abgleiten. Abgesehen davon beherbergt "Das Schloss" keine richtigen Spannungsmomente, keine Krimielemente, wie man das womöglich erwartet hätte, nein, nur um eine einzig große Beschreibung einer – dem Leser erscheint sie jedenfalls so – unbegreiflichen Beharrlichkeit. Leider ist "Das Schloss" lediglich ein Fragment, ist daher unvollendet und die Geschichte hört dementsprechend viel zu aprupt auf. Aber auch sonst ist diese kafkaeske Angelegenheit zum Schluss hin sehr lahm und öde. Die immer länger werdenden Gespräche zwischen etwaigen Protagonisten, die immer länger werdenden und ausgiebigen Ansichten K.´s Seele können schon mal schnell zur Langeweile ausarten. Ja, "Das Schloss" hält seine intensive und flüssig zu lesende Wirkung nicht bis zum Schluss durch, stattdessen stagniert die Handlung in einfallsloser Chose, bei dem gerade eine Pointe oder eine Unvorhersehbarkeit von Relevanz gewesen wäre.

Ein weiteres essentielles Stilmittel in der Narration spiegelt sich in dem von Kafka in Vollendung ausgebreiteten Nihilismus wider. Der Roman verzichtet auf echte Schurken, aber auch auf echte Helden, es gibt keine Hoffnung, keine Angst, sei sie emotional oder rational. Es ist ist eine absurde, eine ärmliche Welt, in der die Wahrheit mehrdeutig und die Existenz belanglos erscheint. Einzig und allein das Verlangen nach dem Schloss gibt insbesondere K. einen Sinn zum Weiterleben, quasi sein Lebenskampf ist zugleich als Lebensinhalt konzipiert. Hinzu kommt das sogenannte "Nicht-Weiterkommen", denn K. versucht sich zwar gegen diese allmächtige Institution zu behaupten, gegen diese Übermacht anzukämpfen, doch letzten Endes drehen sich seine Bemühungen und Ermittlungen lediglich im Kreis. Er läuft im Kreis, sein verunsichertes, aber leidenschaftliches Handeln stellt einen Teufelskreis dar, aus dem man nicht mehr herauskommt und der sich in wiederum andere Kreise ineinander verschlingt und so ein Labyrinth ohne Ausweg entsteht.

Fazit:

Letztlich ist zu konstatieren, dass "Das Schloss" das darstellt, was man von Franz Kafka so gut wie immer mehr oder weniger gewohnt ist: Franz Kafka kann man nicht vollends verstehen, man kann ihn nur interpretieren. Und genau in diese Kerbe reiht sich "Das Schloss" nahtlos ein. Es ist ein mehrdimensionaler Roman, voller ausgeklügelter Symbole und Mechanismen, ein Trip ins Surreale, Meta-Literatur auf der einen Seite, eine tragische Parabel auf Moderne und Postmoderne auf der anderen. Ein Roman, der sich jedem Leser individuell erschließt. Aufgrund des Schlussaktes, bei dem sich Kafka heftigst zu verrennen scheint, und großer Längen in den gen Ende ausführlicheren Dialogen, definitiv kein Meisterwerk, aber definitiv lesenswert.

7/10