Story:
Kritik:
Stephen King besitzt kein Handy. Denn Stephen King mag keine Handys. Das wird einem beim Lesen von "Puls" unmissverständlich klar, dienen die kleinen, handlichen Apparaturen doch als totbringende Gegenstände, die Wahnsinn und Chaos verbreiten. Und entfachen ein dystopisches Szenario, das nicht von ungefähr an Altmeister George A. Romero erinnert. King goes Romero. Nur eben nicht ganz so meisterhaft. "Puls" ist nämlich weit davon entfernt, an Kings früheren Glanzleistungen anknüpfen zu können. Der Roman ist mit seiner Oberflächlichkeit kein richtiger King. Der Roman entbehrt sich zudem jeglicher Spannung und jeglicher Feinmotorik. Nein, kein echter King, bei weitem nicht. Nur ein enttäuschendes "The Stand – Das letzte Gefecht"-Plagiat. Dabei beginnt "Puls" durchaus zufriedenstellend. Wenn die erschreckende Handy-Apokalypse auf den noch harmlosen Straßen Bostons seinen Anfang nimmt, ist das typischer King-Bombast, bei dem der Altmeister ein beklemmendes Bild an das nächste reiht. De facto hält er den Leser mit einer ordentlichen Portion Splatter und Ekel bei Laune, der sich aber nichtsdestotrotz durch das gesamte Buch zieht. Ja, hier kommt sie auf, die man dann umso mehr vermissen wird: Endzeitstimmung. Düstere, bedrohliche, kompromisslose Endzeitstimmung, in Sachen Exposition ziemlich beeindruckend geschrieben. Mit aktuellen Klingeltönen transportiert King seine Anti-Handy-Parabel zudem in die Neuzeit. Diese Art von Realismus tut dem Roman auch gut.
Nach diesem furiosen Beginn, der zweifelsohne fesselt und den Leser packt, entwickelt sich die fortlaufende Story als kruder Überlebenskampf, der manchmal so uninspiriert geschildert ist, dass man das Buch am liebsten an die Wand klatschen möchte, geschweige denn noch einen Finger rühren um weiterzulesen. Ab hier wird nur noch gerannt, getötet und geflüchtet. Vor ominösen (zugegebenermaßen lächerlichen) "Zombies" und deren Anführer, einem gewissen "Lumpenmann" - nicht gerade der namenstechnisch kreativste Antagonist in Stephen Kings Ouevre -, dessen Absichten um ein Weiteres konfus bleiben. Daneben gibt es natürlich die obligatorische Frage nach dem warum, dessen Lösung die Aufgabe verschiedener Figuren ist, die mal hier und mal da (peripher) tangiert werden. Richtig gelesen. Überraschenderweise schert sich King diesmal einen regelrechten Dreck um seine Charaktere. Keiner ist wirklich von Interesse, King stützt sich hier auf schrecklich farb- und konturenlose, überraschend eindimensionale Stereotypen, die getötet werden, dann wieder auftauchen, wieder getötet werden und so weiter. Selbst unser "Titelheld" Clayton Ridell beherbergt kein eindeutiges Identifikationspotenzial für den Leser, dafür erscheint er ganz einfach zu blass und ambivalent, um wirkliche Sympathie hervorrufen zu können. Daher bleibt auch seine Suche nach seinem Sohn kalt und berührt einen nicht unbedingt so, wie das mit einer ausgeklügelten Figurenskizzierung möglich gewesen wäre. Nur die Handlung liegt im Fokus, keine tiefgreifende Charakterisierung, schon gar nicht eine glaubwürdige Vergangenheit jedweder Protagonisten, nein. Diese eigentlichen, für King-Verhältnisse gar essentiellen zwischenmenschlichen Beziehungen und Probleme, quasi der Subtext, den King in seinen besten Werken zwischen den Zeilen offeriert, taucht darüber hinaus nur am Rande auf, zu keiner Zeit avanciert "Puls" zum schwergewichtig sozialkritischen Reißer wie etwa bei Romeros Kultfilmen – vielleicht ist dafür auch der Roman zu kurz geraten.
Hinzu kommen Fragen über Fragen. "Puls" stellt am Ende mehr Fragen, viel mehr unnütze Fragen als adäquate Lösungen zu präsentieren. Die Urheber, Gründe und Ziele dieser ganzen Handy-Impuls-Sache bleibt weitestgehend im Dunkeln, sodass man am Ende einen "Aha-Effekt" vergeblich sucht. Stattdessen stützt sich der Autor auf einen regelrecht pointierten, ohne Zweifel mutigen Schluss, der seine Besonderheit aus dem Aprupten bezieht und den letztendlichen Ausgang der Phantasie des Lesers überlässt - eben kein spektakulärer Showdown, wie man das möglicherweise gedacht hätte. Überhaupt ist der Schlussteil ähnlich dem Anfang gelungen. Es sei denn, man schafft es wiederum, den Mittelteil zu überwinden. Warum? Nun, der Mittelteil entpuppt sich allenfalls als unterdurchschnittlich. Zurückzuführen auf den lahmen Storyverlauf – King distanziert sich zunehmend von seinem anfangs noch so starken Thempo -, Längen kündigen sich an, man wird durch mangelnde Ideen nicht mehr mitgerissen und nicht zuletzt wirken die zahlreichen übernatürlichen Mystery-High-Tech-Elemente fehl am Platz. King schreibt und schreibt, richtige Wendungen oder narrative Höhepunkte bekommt er allerdings sogut wie nie herein.
Fazit:
Zugeben, der Roman macht stellenweise, aber nur stellenweise richtigen Spaß. Aufgrund der dürftig herausgearbeiteten Charaktere, die sich in einer stumpfsinnigen und langweiligen Handlung zurecht finden müssen, kommt man trotzdem nicht drumherum, "Puls" als Buch zu bezeichnen, das weit von Kings ehemaligen Sternstunden entfernt ist, sogar sehr weit. Aus diesem Grunde ist "Puls" vor allem eines: nicht lesenswert und für King-Verhältnisse gar ein Debakel. Diese Endzeitvision mit pseudo-philosophischer Message ist sowohl halbherzig, als auch gewollt denn gekonnt.
4/10