Mittwoch, 18. April 2012

Serien: "The Pacific" [USA 2007-2009]


Dokumentierende Kameramänner stürzen sich ins Schlachtengetümmel, stolpern vorbei an Gliedmaßen, fürchterlich entstellten Leichen und dem infernalischen Grauen, sind ganz nah am Soldaten, am Verschleißmaterial; die Kameralinse wird von Blutspritzern, Fleischfetzen und aufwirbelnden Granateneinschlägen verschmiert, wird von zittrigen Händen gehalten, wird beiläufig geschwenkt, notgedrungen mitgeschleppt. Manchmal sieht man nicht viel, manchmal viel zu viel.

Auch die HBO-Miniserie "The Pacific" macht sich der aus subjektiver Sicht ästhetisierten Radikalität der Kriegsdialektik zunutze, die davor in der Serienschwester "Band of Brothers" und im großen Filmbruder "Der Soldat James Ryan" verstörte, weil Leben und Tod Russisch Roulette spielten, während die bis tief in den menschlichen Geist verwurzelte Ohnmächtigkeit des Kindes im Soldaten darüber sinnierte, warum ich hier bin und was ich da eigentliche mache. Dass "The Pacific" – einmal mehr hochbudgetiert produziert von Steven Spielberg und Tom Hanks – nicht an "Band of Brothers" heranreicht (dafür sind die Figuren zu lasch), dürfte nicht die größte aller Angriffsflächen darstellen, ist die Serie doch zweifellos imstande, entscheidende, gewichtigere Qualitäten fernab des proamerikanischen Gestus der auf den Spezialeffekt sich selbst entlarvenden Ryan-Suche aufzuzeigen und damit gegebenfalls ein paar schwächere Makulaturen zu kaschieren.

Mögen die einzelnen Folgen in ihrer Erzähldichte nicht immer jene Souveränität der vorangegangenen adaptieren – "The Pacific" kommt zunächst schwer in Fahrt, bevor man sich erst allmählich darauf einlassen kann; aus dem typischen Strandleben errichtet die Serie zunächst solche Abziehmotive, wie man sie zur Genüge gesehen hat –, so geht es kontextübergreifend auch hier abermals um die Dekonstruktion des angeblichen Glorious War, aus dem mit jedem Dahinscheiden eines jeden Soldatenlebens bestürzende Sinnlosigkeit erwächst. Entlang dreier Einzelschicksale an verschiedenen Fronten beschreibt die Serie ebenso stichpunktprobenartig wie mit beispielloser viehischer Brutalität einen Mikrokosmos im Makrokosmos, umgeben vom Widerspruch und der beißenden Ironie, in einem idyllischen, wunderschönen Dschungel irgendwann hässlich sterben zu müssen. Das ist das zugleich Lähmende wie Fatalistische am hierzulande wenig beachteten Pazifikkrieg unter den Geschichtsinteressierten.

Die drei Protagonisten, allesamt einfache Männer, deren jämmerliche Kriegsvorstellungen von schlechten Filmen kontinuierlich an der Realität zerbrechen, bestehen aus einem ehemaligen Zeitungssportreporter (James Badge Dale), einem angehenden Helden (Jon Seda) und einem mit Herzproblemen gegeißelten Melancholiker (Joseph Mazello). Sie alle eint die gemeinsame Sehnsucht nach der Heimat und der Liebe; etwas Fernes also, was im Krieg kompromisslos ausgepresst wird. Dort bist du froh, wenn du einen weiteren Tag erleben darfst. Dort bist du froh, wenn du einen zusätzlichen Überlebensstrich in dein Tagebuch kritzeln kannst. Dort bist du froh, wenn du lebst. Nur leben, nichts weiter. An der vorbeifliegenden Kugel baut sich im Krieg die allmächtige Hoffnung des Menschen auf Leben auf.

Aller liebevoll gestalteten Ausstattung zum Trotz, die in ihrer zweitweise aus dem Computer stammenden Wucht schlicht mitreißt: "The Pacific" ist vor allem dann am schwächsten, wenn die Basilone- und Leckie-Geschichte (Seda, Dale) nicht ohne ehrenwertes Hans-Zimmer-Pathos des Gefallenen für sein Vaterland auskommt (Basilone), ist dann am schwächsten, wenn die Serie sich zwar ausführlich in Romanzen verstrickt, aber nur das Einmaleins jedweder Beziehungsklischees sehr, sehr abgegriffen, sehr, sehr langatmig verhandelt (beide). Ist dann am schwächsten, wenn sie Schlachten zum überladenen Videospiel überzieht. Hier war "Band of Brothers" ergiebiger, klüger, abwechslungsreicher. Ressourcenschonender.

Dauerhaft beeindruckt dagegen die Sledge-Geschichte (Mazello) inmitten des sich zwischen Spott und Spaß wieder und wieder nie eindeutig positionierenden, tristen Soldatenlebens. Die Geschichte symbolisiert den Wandel des Unschuldigen zum schuldbeladenen Zombie seiner selbst, hin zur bedingungslosen Entfremdung gegenüber allem und jedem. Keine Katharsis, keine Reinigung, keine Erlösung. Auf den starren, verletzlichen, intimen Sledge-Blicken, deren Augen leer in die Ferne schweifen, schlummert die Gewissheit eines Traumas. Nur einmal, in der emotionalen Okinawa-Folge, entdeckt Sledge so etwas wie Mitgefühl. Er nimmt eine (japanische) Frau in den Arm, die im Begriff ist, ihre letzten Atemzüge zu vollziehen, um endlich Rettung im Tod zu erfahren. Davor hatte es Sledge abgelehnt, den Abzug seiner Waffe zu betätigen. Er konnte es nicht. Für einige Sekunden scheint die Stimme des Krieges zu schweigen.

6 | 10