
Dokumentierende Kameramänner stürzen 
sich ins Schlachtengetümmel, stolpern vorbei an Gliedmaßen, fürchterlich
 entstellten Leichen und dem infernalischen Grauen, sind ganz nah am 
Soldaten, am Verschleißmaterial; die Kameralinse wird von Blutspritzern,
 Fleischfetzen und aufwirbelnden Granateneinschlägen verschmiert, wird 
von zittrigen Händen gehalten, wird beiläufig geschwenkt, notgedrungen 
mitgeschleppt. Manchmal sieht man nicht viel, manchmal viel zu viel.
Auch die HBO-Miniserie "The Pacific" macht sich der aus subjektiver Sicht ästhetisierten Radikalität der Kriegsdialektik zunutze, die davor in der Serienschwester "Band of Brothers" und im großen Filmbruder "Der Soldat James Ryan"
 verstörte, weil Leben und Tod Russisch Roulette spielten, während die 
bis tief in den menschlichen Geist verwurzelte Ohnmächtigkeit des Kindes
 im Soldaten darüber sinnierte, warum ich hier bin und was ich da 
eigentliche mache. Dass "The Pacific" – einmal mehr hochbudgetiert produziert von Steven Spielberg und Tom Hanks – nicht an "Band of Brothers"
 heranreicht (dafür sind die Figuren zu lasch), dürfte nicht die größte 
aller Angriffsflächen darstellen, ist die Serie doch zweifellos 
imstande, entscheidende, gewichtigere Qualitäten fernab des 
proamerikanischen Gestus der auf den Spezialeffekt sich selbst 
entlarvenden Ryan-Suche aufzuzeigen und damit gegebenfalls ein paar 
schwächere Makulaturen zu kaschieren.
Mögen die einzelnen Folgen in ihrer Erzähldichte nicht immer jene Souveränität der vorangegangenen adaptieren – "The Pacific"
 kommt zunächst schwer in Fahrt, bevor man sich erst allmählich darauf 
einlassen kann; aus dem typischen Strandleben errichtet die Serie 
zunächst solche Abziehmotive, wie man sie zur Genüge gesehen hat –, so 
geht es kontextübergreifend auch hier abermals um die Dekonstruktion des
 angeblichen Glorious War, aus dem mit jedem Dahinscheiden eines jeden 
Soldatenlebens bestürzende Sinnlosigkeit erwächst. Entlang dreier 
Einzelschicksale an verschiedenen Fronten beschreibt die Serie ebenso 
stichpunktprobenartig wie mit beispielloser viehischer Brutalität einen 
Mikrokosmos im Makrokosmos, umgeben vom Widerspruch und der beißenden 
Ironie, in einem idyllischen, wunderschönen Dschungel irgendwann 
hässlich sterben zu müssen. Das ist das zugleich Lähmende wie 
Fatalistische am hierzulande wenig beachteten Pazifikkrieg unter den 
Geschichtsinteressierten.
Die drei Protagonisten, allesamt 
einfache Männer, deren jämmerliche Kriegsvorstellungen von schlechten 
Filmen kontinuierlich an der Realität zerbrechen, bestehen aus einem 
ehemaligen Zeitungssportreporter (James Badge Dale), einem angehenden 
Helden (Jon Seda) und einem mit Herzproblemen gegeißelten Melancholiker 
(Joseph Mazello). Sie alle eint die gemeinsame Sehnsucht nach der Heimat
 und der Liebe; etwas Fernes also, was im Krieg kompromisslos 
ausgepresst wird. Dort bist du froh, wenn du einen weiteren Tag erleben 
darfst. Dort bist du froh, wenn du einen zusätzlichen Überlebensstrich 
in dein Tagebuch kritzeln kannst. Dort bist du froh, wenn du lebst. Nur 
leben, nichts weiter. An der vorbeifliegenden Kugel baut sich im Krieg 
die allmächtige Hoffnung des Menschen auf Leben auf.
Aller liebevoll gestalteten Ausstattung zum Trotz, die in ihrer zweitweise aus dem Computer stammenden Wucht schlicht mitreißt: "The Pacific"
 ist vor allem dann am schwächsten, wenn die Basilone- und 
Leckie-Geschichte (Seda, Dale) nicht ohne ehrenwertes Hans-Zimmer-Pathos
 des Gefallenen für sein Vaterland auskommt (Basilone), ist dann am 
schwächsten, wenn die Serie sich zwar ausführlich in Romanzen 
verstrickt, aber nur das Einmaleins jedweder Beziehungsklischees sehr, 
sehr abgegriffen, sehr, sehr langatmig verhandelt (beide). Ist dann am 
schwächsten, wenn sie Schlachten zum überladenen Videospiel überzieht. 
Hier war "Band of Brothers" ergiebiger, klüger, abwechslungsreicher. Ressourcenschonender.
Dauerhaft beeindruckt dagegen die 
Sledge-Geschichte (Mazello) inmitten des sich zwischen Spott und Spaß 
wieder und wieder nie eindeutig positionierenden, tristen 
Soldatenlebens. Die Geschichte symbolisiert den Wandel des Unschuldigen 
zum schuldbeladenen Zombie seiner selbst, hin zur bedingungslosen 
Entfremdung gegenüber allem und jedem. Keine Katharsis, keine Reinigung,
 keine Erlösung. Auf den starren, verletzlichen, intimen Sledge-Blicken,
 deren Augen leer in die Ferne schweifen, schlummert die Gewissheit 
eines Traumas. Nur einmal, in der emotionalen Okinawa-Folge, entdeckt 
Sledge so etwas wie Mitgefühl. Er nimmt eine (japanische) Frau in den 
Arm, die im Begriff ist, ihre letzten Atemzüge zu vollziehen, um endlich
 Rettung im Tod zu erfahren. Davor hatte es Sledge abgelehnt, den Abzug 
seiner Waffe zu betätigen. Er konnte es nicht. Für einige Sekunden 
scheint die Stimme des Krieges zu schweigen.
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