Story:
Kritik:
Dan Browns makabre Schnitzeljagd quer durch Rom ist – um das Fazit mal ein klein wenig vorwegzunehmen – eine durchweg fesselnde Angelegenheit. Es sei denn, man schenkt dem Roman nicht immer Glauben, denn er ist letzten Endes mehr Fantasy, mehr Science-Fiction, ganz einfach mehr Fiktion als packende Geschichtsstunde. Das manifestiert sich vor allem in so einigen Dingen, die im Buch als mehr oder weniger unumstößliche Tatsachen hingestellt werden, aber durch eingehende Recherche weder der Wiklichkeit entsprechen, noch historisch belegt sind. Im Gegensatz zu anderen Thrillern dieser Art, die anfangs erstmal einige Seiten als Aufbau brauchen, um so richtig in Fahrt zu kommen, legt "Illuminati" von Anfang an ein hohes, ein beinah unfassbar hohes Thempo vor, das sich im Laufe des Romans noch steigern wird. Dabei arbeitet Brown grundsätzlich immer mit ähnlichen Mitteln. Ein bisschen Weltverschwörung hier, ein bisschen Liebe da, und natürlich ein Schuss okkulte Magie plus dem immer währenden Kampf um die Vorherrschaft. Er verbindet High-Tech mit der sagenumwobenen Bruderschaft der Illuminati, vor der opulenten Kulisse des Vatikans, er verknüpft Mythologie mit Symbologie, er greift zudem die Frage auf, ob Wissenschaft der Religion nicht unähnlich ist – stehen Glaube und Erkenntnis in ewiger Kontroverse, oder ist eine Synthese möglich? Eingebettet in einem wendungsreichen Plot, der von Brown mit einem konstant anhaltenden Spannungsbogen veredelt wird.
Und ja, nicht nur mithilfe des Autors verhältnismäßig einfachem Schreibstil schafft es "Illuminati" fast 700 Seiten lang den Leser in seinen Bann zu ziehen. Es ist das atemberaubende Thempo in erster Linie, eine unvergleichlich dichte Atmosphäre in zweiter, der besondere Kniff, die Handlung innerhalb von 24 Stunden stattfinden zu lassen, in dritter. Hinzu kommen einige glänzende Dialoge, die zwar stellenweise mit zuviel Wissenschaft und Religionsgedöns überfrachtet wirken, eine gewisse Intelligenz kann man ihnen dennoch nicht abstreiten. Lobenswert ebenso die angesprochenen Wendungen, welche die Story zum großen Teil immer wieder in neuem Licht erscheinen lassen. Es scheint, als ob jeder Twist sitzt, jeder Versuch, den Leser in die Irre zu führen, klappt, jede Finte, jedes Rätsel, das an ein weiteres Rätsel aneinander gereiht wird, stimmt. Allen voran dem ganz großen Turn am Ende darf besondere Aufmerksamkeit zuteil werden, ist es Brown doch gelungen, dem Buch einen adäquaten "Aha-Effekt" aufzudrücken, der alles vorher Gelesene ad absurdum führt. Unglaublich auch, wie der Autor die zahlreichen Handlungsstränge, die anfangs zu Recht wirr wirken und einen reichlich dahingeklatschten Eindruck vermitteln, zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügt. Wie er darüber hinaus einige vielleicht abstrus erscheinende Theorien nichtsdestotrotz schlüssig und glaubhaft dem Leser vermittelt. Selbst vor eruptiven Blutbädern und expliziten Morden schreckt Brown nicht zurück, sodass "Illuminati" in dieser Hinsicht ein realistischeres Antlitz und dazu noch das nötige Maß an Härte bekommt.
Doch es nicht alles meisterhaft in "Illuminati". Dan Brown entpuppt sich zwar als unkomplizierter Geschichtenerzähler, dessen Lektüre raffiniert, straight und narrativ stringent geschrieben ist, einfach mit ordentlich Drive angereichert, aber seine wirkliche Schwäche spiegelt sich ebenso in diesem Roman wider: Figurenzeichnung. Egal ob es sich um Browns Held Robert Langdon handelt, um den vernünftig erscheinenden Camerlengo, um den geheimnisvollen "Janus" mit seinem Helfershelfer, oder eben um Vittoria Vetra: Brown versäumt es eindeutig, seinen Charakteren besondere Eigenschaften mit auf den Weg zu geben, womit sie schnell zu langweiligen, ganz einfach öden Stereotypen verkommen, dessen beinah comichaft umrissene Skizzierung stets an der Oberfläche stagniert. Manche weisen gar etliche, ja, kitschige, platte Wesenszüge auf. Ein wenig mehr Tiefgründigkeit hätte da schon mehr oder weniger ausgeholfen. Auch neigt die Geschichte gelegentlich zu schwer unnötigen Haarspaltereien, zu schrecklich lächerlichen Aktionen, allen voran Langdons Sturz gegen Ende aus einem mehere tausend Meter hoch aufsteigenden Helikopter – zwar ohne Fallschirm, dafür aber mit einem anderen Hilfsmittel -, den der Leser nur überleben kann, wenn er seinen Verstand ausschaltet und an entsprechende Wunder glaubt. Solche aberwitzigen, halsbrecherischen und überzogenen attractions findet man auch noch an anderen Stellen zur Genüge. Dick auftragen, sodass sich eine unlogische Unwahrscheinlichkeit an die nächste reiht, - eben typisch amerikanisch - das hat er schon immer beherrscht, Dan Brown.
Fazit:
Letztlich sei zu konstatieren, dass "Illuminati" aus der Masse der 08/15-Thrillerware von der Stange deutlich heraussticht. Dan Brown ist es gelungen, einen schnellen, einen cleveren, einen verblüffenden Roman aufs Papier zu hämmern, der erst durch des Autors fleißige Recherche und großer Phantasie einen zusätzlichen interessanten Touch erhält. Dieser wilde Mix aus Detektivgeschichte, Science-Fiction, historischer Stadtführung und kunstgeschichtlicher Vorlesung macht definitiv Spaß. Doch allzu ernst sollte man ihn nicht nehmen, diesen Roman, der sich manchmal durchaus schrecklich ernst nimmt.
8/10