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Mittwoch, 3. Juli 2013

Spielberg-Retro #12: "A.I. - Künstliche Intelligenz" / "Artificial Intelligence: AI" [USA, GB 2001]


Es ist und bleibt ein hochinteressantes Gedankenexperiment, einen der größten Formalisten des Kinos mit einem der größten Herzschmerz-Romantiker zu kreuzen, Stanley Kubrick mit Steven Spielberg, Kälte mit Wärme. Spielberg, der seit "Unheimliche Begegnung der dritten Art" wieder ein Drehbuch schrieb, werkelte an einem Vermächtnis Kubricks, das sich künstlerisch ambitioniert auf zwei Wegstrecken bewegt. Als Resultat einem kontrastreichen, kühnen Experiment nicht unähnlich, das vieles ausprobiert und kombiniert, ohne eine genaue Form festzulegen, thematisiert der Film im Gewand einer Hommage, mehr noch: einer Herzensangelegenheit, folgerichtig dies und das allenfalls nachlässig und nie genauer dies oder das, was anspruchsvoll scheint.

"A.I. – Künstliche Intelligenz" fliegt im Eiltempo über die inhaltlich fundamentalen Science-Fiction-Fragestellungen – von dem Zusammenleben organischer und mechanischer Lebewesen in einer Dystopie, von der Zweckmäßigkeit einer Liebe, die nicht erwidert werden kann, über die zwischenmenschliche Relevanz künstlicher Intelligenzen bis zum großen Sein und, überhaupt, dem Sinn der Existenz. Angereichert mit literarischen Querverweisen "Pinocchios" und deshalb entschieden mehr der Spielberg-Affinität sagenumwobener, staunenswerter, naiver Märchenfacetten zugeordnet, kokettiert der Film vielmehr mit einer morbiden, futuristischen Gutenachtgeschichte, die besonders im spektakulären Aufgehen eines "Mondes" im Wald (während ein süßer, brummiger Teddy seinem Ziel entgegen holpert) Bilder kreiert, die an den deutschen expressionistischen Stummfilm der 20er Jahre erinnert. 

Was dabei alles Kubrick zugedacht sein soll, die ausgiebig zelebrierten Plansequenzen, die narrative Aktgliederung, das, speziell im ersten Abschnitt des Films, konzentrierte malerische Erzählen in menschlichen Regungen, Blicken, Bewegungen, die anfänglich reduzierte Farbpalette, die ein Gefühl von aseptischer, laborkühler Reinheit aufkommen lässt, die dazu feinabgestimmte, spiegelblanke Lichtsetzung, die vergleichsweise stillen Kamerabilder Janusz Kaminskis sowie die im Suchen begriffene, artifizielle Musik John Williams, die erst nach und nach den opernhaften Kubrick-Strauss-Triumph beimischt: All das wird zunehmend torpediert von der Macht des Spielberg-Pathos, ersatzweise lieber in überbetonten, erwärmten Landschaftsfarben, melodramatische, hysterische Emotionen zu durchleben. 

In seinen schönsten Momenten, zum Beispiel im finalen extraterrestrischen Teil oder gar vor Beginn der familiären Entfremdung, ist das aber ein in seiner romantischen Güte und mütterlichen Herzlichkeit schier erstaunlich inniger Liebesfilm, der zahlreiche obskure, animatronische Stan-Winston-Masken, den industriellen Cyber-Prunk eines sexualisierten Techno-Großstadttreibens (der Tunnel als Phallus) und die Überreste Manhattans, einer versunkenen Zivilisation, die gefangen ist in beständiger Melancholie über das, was war, überkandidelt ausstellt. Das Konzept dieser Welt ist anregend, und zu gern hätte man hiervon mehr erfahren wollen, über die einsame Kundschaft des Gigolos Joe (Jude Law), über den Gigolo selbst, über die Stadt, über die Geschehnisse davor. Wenn allerdings zum Abschluss die Träne der Menschlichkeit fließ, ein Ersatz für die Flamme aus "Schindlers Liste", dann ist sie wieder da, die Spielberg-Magie. Plötzlich und unvermittelt. Genau wie dieses an sich faszinierende, sympathisch hin- und hergerissene Experiment. 

7 | 10

Donnerstag, 13. September 2012

"Timeline" [USA 2003]


Paul Walker beguckt den Hundertjährigen Krieg zwischen den Engländern und Franzosen wie einer, der eine Dauerkarte für jeglichen saftlosen Popcornstreifen im Kinojahr besitzt, aber eines Tages aufgrund eines mörderischen Projektorfehlers "2001: Odyssee im Weltraum" vorgesetzt bekommt. Er guckt dumm aus der Wäsche, gelangweilt, leichenblass. Wo bin ich hier? Was soll das alles? Knochen und Raumschiffe? Sinn? Häh? Und die absolute Katastrophe – das nicht mehr aufhaltbare Gemetzel – kleidet er in hochphilosophische, in prophetische Worte: "Es ist zu spät. Es ist einfach zu spät.". Wenn Blondinen doof wären, Paul Walker wäre die Blondine. Wenn Filme nicht mehr nach der Kraft eines Altmeisters raunen, sondern im Regiestuhl hilflos zusammenklappen, "Timeline" wäre eine dieser vor akuter Altersstarre abgekämpft dreinblickenden Erschöpfungsperioden.

Denn "Timeline" stammt von Richard Donner, und doch wirkt "Timeline" wie jemand, auf den keiner Bock hatte und deswegen lustlos herunterratterte, sehr zum Leidwesen ernstgemeinter Komik. "Timeline" wirkt, mehr noch, wie schlappes Auftragskino, dessen Radarschirm pausenlos blinkt, sobald etwas erscheint, was nicht erscheinen sollte, da es sich besagter Radarschirm zur Aufgabe gemacht hat, die nicht völlig ausgefransten Phänomene anzuzeigen. Weit gefehlt: Hinterhältige und enthusiastische Wissenschaftler, die heimlich Geliebte und die heimlich Liebende, der heimlich Geliebte und der heimlich Liebende, der Sohn eines Professors, der hehre Archäologe, die widerborstige Prinzessin, stümperhafte Militärs sowie ängstliche Dolmetscher gehören zum Abzählreim derer, die in dieser historischen Neugeschichtsschreibung handeln und behandelt werden. Eigentlich ist das zurückhaltend ausgedrückt, vielmehr fliehen sie vor irgendwas vor irgendwem (die Engländer sind's wieder!) irgendwohin und nirgendwohin.

Aus einem Gefängnis entkommen sie zum Beispiel, ein sogenanntes "Gefängnis" – das sei dazugesagt –, aus dem Hobbykletterer durchs Dach entspannt wie bei einer Yoga-Trainingsstunde entschwinden können. Die Komplikationen beim Zeitreisen zügig dem Wurmloch überlassen, weiß Donner auch nichts über die von Michael Crichton tangierten, populärwissenschaftlichen Metaebenen zu berichten, wenn ein Individuum aus seinem freien Willen heraus die Vergangenheit ändert und die Zukunft gezielt zu seinen Gunsten lenkt und womöglich korrumpiert (?). Nicht darüber, wie die Menschen in längst vergangenen Zeitepochen menschlich zueinander waren und wie sich dieser Kreis heute fortsetzt, vervollständigt oder gar schließt.

Anstatt das Thema erst einmal zu behandeln, greift "Timeline" es nur auf, zieht es als dramaturgischen Nachweis hinter sich her, vordergründig mit Schwertern, Pferden und Rüstungen auf die Tube zu drücken, bis der Countdown für die Rückkehr in die laborsterile Gegenwart abgelaufen ist (geht's noch platter, Spannung zu kreieren?). Gut, an "Timeline" ist trotzdem nicht alles scheiße: bestechende Massenszenen im Rahmen einer furiosen Belagerungsschlacht inklusive Griechischem Feuer und Nachtpfeilen, dreieinhalb gewitzte Sprüche, ein generell sehr cooler Szenenwechsel vom Zeitreiseautomat zu den Wäldern Frankreichs des 14. Jahrhunderts und das anlehnungsbedürftige Ende persönlicher Geschichtsschreibung per händchenhaltender Geste. Hach ja.             

4 | 10