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Freitag, 5. Januar 2018

Jahresfavoriten 2017

10. Platz:


"Auguste Rodin"
(Jacques Doillon | F, B, USA)

KRITIK
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9. Platz:


"Die irre Heldentour des Billy Lynn"
("Billy Lynn's Long Halftime Walk", Ang Lee | USA, GB, CHINA)

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8. Platz:


"Baby Driver"
(Edgar Wright | USA, GB)

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7. Platz:


"Elle"
(Paul Verhoeven | F, D)

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6. Platz:


"Tatort: Der rote Schatten"
(Dominik Graf | D)

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5. Platz:


"Silence"
(Martin Scorsese | USA, GB, TAIW)

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4. Platz:


"Blade Runner 2049"
(Denis Villeneuve | USA)

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3. Platz:


"The Salesman"
("Forūšande", Asghar Farhadi | IR)

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2. Platz:


"The Killing of a Sacred Deer"
(Giorgos Lanthimos | IRL, GB)

KRITIK
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1. Platz:


"Logan - The Wolverine"
("Logan", James Mangold | USA)

KRITIK
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Außerhalb jeder Platzierung:


"Twin Peaks: The Return" 
(David Lynch, Mark Frost | USA)

KRITIK(EN)


Knapp gescheitert:
  • "Resident Evil: The Final Chapter" (Paul W. S. Anderson)
  • "Die versunkene Stadt Z" (James Gray)
  • "Der junge Karl Marx" (Raoul Peck)
  • "Fast & Furious 8" (F. Gary Gray)
  • "I Am Not Your Negro" (Raoul Peck)
  • "A Cure for Wellness" (Gore Verbinski)
  • "The Meyerowitz Stories (New and Selected)" (Noah Baumbach)
  • "The Bad Batch" (Ana Lily Amirpour)
  • "Planet der Affen: Survival" (Matt Reeves)
  • "Hitlers Hollywood" (Rüdiger Suchsland)
  • "Personal Shopper" (Olivier Assayas)
  • "Die andere Seite der Hoffnung" (Aki Kaurismäki)

Mittwoch, 2. August 2017

"Baby Driver" [USA, GB 2017]


Als würde Musik die Leinwand streicheln, als würde Musik die Leinwand liebkosen – und sich ihr Protagonist, Kraftfeld, weniger Kraftprotz, darin verirren. Sanft, nicht zu flippig, anschmiegsam, nicht zu aufmerksamkeitssuchend, bejahend, nicht zu schwärmerisch folgt ihm Bill Pope über den Asphalt, ihm, das ist Baby (Ansel Elgort). In diese Welt gehört er nicht. Er versucht, sich über sie hinwegzusetzen, er versucht, sie hinwegzutanzen, ein Schritt nach dem nächsten. Baby ist eine ziemlich schrullige, autistische, anziehend menschenleere Gestalt, die Kopfhörer dauerhaft im Ohr, den Blick wie Bleifuß an ein Ziel geheftet. Allerdings mag es Baby nicht, wenn der "Job" (meist illegal) zu früh oder zu spät startet. Zur falschen Note, zum falschen Klang. Dann wird die Arbeit unrhythmisch, vielleicht auch schlampig ausgeführt. Baby stoppt daraufhin seine Kollegen, hält sie zurück, gibt ihnen ein Zeichen, wann sie bei welchen Lyrics auszusteigen haben. Den Job erledigen. Baby ist Perfektionist, da Komponist, weil Dirigent.

"Baby Driver" genügt sich als, man merkt es, musikalisches Schaulaufen, dem es an Zufälligkeiten mangelt. Edgar Wright, Spezialist dafür, den Mainstream zu beladen (respektive zu überladen), hat jedem Frame, jeder Szene, jeder Geste Plätze zugewiesen, die, mehrdeutig, allesamt sitzen. Ein deshalb "perfekter" Film ist das, bestehend aus einander ergänzenden, kurzatmigen Videoclips, in denen Verfolgungsaction wie Einbruchsstrategien das Band der Dramaturgie straffen. Mechanistischer wird, kann Kino nicht mehr werden – keine Öffnung, kein Überquellen. Wright weiß, dass die "Feier" aus seinen vorherigen Filmen, das Feuer, die Flammen, vor allem das Spontane, abgeklungen ist, ja beängstigend lässiger Routine Platz machte. Bestenfalls gelingen ihm dabei kinetische Momente, die in der Bewegung von Zeitbeschleunigung und Raserei extrovertiert vibrieren. Mancherorts aber will Wright nie loslassen – denn er ist versessen auf (Geschwindigkeits-)Kontrolle, auf die Kontrolle über die Montage, auf den Takt per se.

Den Status eines "Action-Musicals" löst "Baby Driver" folglich höchstens zu Beginn ein. Danach vermengt der Plot Zitate und Figurensketche sichtlich formelhafter. Die Hauptidee der Geschichte hätte auch aus einem John-Frankenheimer-Film oder einem Film von Walter Hill, einem Film von Michael Mann – oder, generell, einem Genrefilm der 70er Jahre herrühren können. Schließlich ist der "letzte Job" nichts, womit man sich brüstet, verweist dieser wiederum auf einen "allerletzten" und dieser zum "ganz großen Coup", der die Katastrophe orchestriert. Ähnlich ergeht es Baby. Die Fänge seines Arbeitgebers Doc (Kevin Spacey kalauert sich grimmig bis zum Schmelzpunkt) kann er nur schwer von sich weisen. Das Arrangement der Crew, in der Baby den "Fahrer" (eben den "Driver") verkörpert, ist amüsant, spritzig, anekdotisch ausufernd, nie zu postmodern. Wright nämlich träufelt der Postmoderne stets einen Schuss Hingabe auf deren Haupt. "Baby Driver" manövriert sich durch eine Wright-Kunstwelt. Aber dies vermag der Film ohne ein Zeichen von Anbiederung zu meistern.

Vorerst. Wie gesagt. Wright kann es nicht dabei bewenden. Wo in den Filmen Frankenheimers, Hills, Manns die moralisch halbseidenen Charaktere insbesondere Abstraktionen waren, die mit ihren Handlungen, Gedanken auf eine Ethik über sie (und die Straße) hinaus schließen ließen, muss Wright Baby psychologisieren, ihm die Chance geben, Mensch zu werden, während der Zuschauer sukzessive eine Coming-of-Age-Bewusstwerdungsschmonzette sieht. Denn Baby verliebt sich. Irgendwann. In eine Kellnerin (Lily James), und es wird klar, dass Baby gar nicht der knallharte Typ ist, der er zu sein schien. Sein Abdriften in den Wellengang der Musik hat einen tragischen Hintergrund, und nebenbei kümmert er sich um seinen tauben Adoptivvater Joseph (CJ Jones). Einige dieser rührseligen Episoden, die Wright zwar sanft herausarbeitet, unterliegen jedoch einem enger geschnürten Korsett, viel zu viel Plot abzuwickeln. Für einen Film, der sich verlieren, aber gleichzeitig verlieben möchte, erreicht diese bodenständige(re) Aussteigerfantasie nicht vollends das gewünschte Resultat.

Der originäre Zugriff, das Kino zu seinen ursprünglichen Ingredienzien – denen der Bewegung, des Bilderstroms, denen choreografierter Wundertütendinge – zu leiten, geht in "Baby Driver" nur dort auf, wo sich die Geschichte traut, nicht mehr Geschichte zu sein. Andernfalls sehen wir einen Protagonisten, der der Chiffre abgeschworen hat. Er kämpft um die Liebe, den Ausstieg, stellt sich den Konsequenzen. Stellt sich dem Vertrauen, das erschüttert wurde. Bonny und Clyde reloaded. "Baby Driver" ist Musik, gleichzeitig Schlager, ein Mixtape (aus Gesagtem), gleichzeitig ein Zusammenschnitt aus Vergangenem und Zukünftigem, der fatalste Fatalität gegen das Engagement, sein Schicksal zu ändern, eintauscht. Ein Zwitterwesen, genau wie Baby, das merklich unrund Kurven schneidet. Wright gelang kein schlechter Film, ihm ist das pumpende Herz anzumerken, für Sonderlinge, ein schnittiges Tempo, die Genreliebe. Am Ende gleichwohl ist die Gewalt vielleicht ein bisschen zu krass, das Mixtape zu vorhersehbar – und die Musik vielleicht ein bisschen zu laut.

6 | 10

Mittwoch, 29. Juli 2015

"Ant-Man" [USA 2015]


Edgar Wright hat sich abgesetzt. Andererseits: Auslöschen wollten sich seine Spuren in "Ant-Man" nicht. Lehrten uns die "Guardians of the Galaxy", dass kratzbürstige, verkultete Durchhalteironie beizeiten zermartern kann, ist "Ant-Man", unabhängig einer ähnlich omnipräsent grellen Humororgie (Michael Peña), stattdessen bestrebt, seine empathischen Wohlfühlcharaktere (nicht mehr) an den Schaum vorm Mund zu verkaufen: Paul Rudd (forsch), Michael Douglas (weltlich) und Evangeline Lilly (eisern) bereichern einander mit pointierter Lust und natürlicher Verletzbarkeit. Zwischen den von liebevollem Quatsch getragenen Edgar-Wright-Sequenzen, psychedelischen Miniaturverzerrungen, wo Größe und Breite umschlagen in eine Kuriositätenschau überdimensionalen Spielzeugs (bis zum aufgeweckten Eisenbahnfinale), erzählt aber auch "Ant-Man" eine zärtliche Erweckungs-Origin-Story nach zusammengeschustertem Strickmuster in redundant erklärenden Schuss-Gegenschuss-Dialogen: ein Lehrer-Schüler-Konzentrat, witzige Hürden, die der Held wider Willen zu nehmen hat, wissenschaftlich-akademische Selbstüberschätzung und einschneidende Schicksalsschläge. Über die abgestempelten Marvel-Parameter hinaus jongliert der Film nicht. Dies war absehbar anhand des Vorberichtmaterials. Und ihm bekommt abermals nicht der manische, längst abgenutzte Zwang, die Avengers in einer metareflexiven Seitenlinie (für eine irrelevante Actionszene) anzuteasern. Genug gemeckert – "Ant-Man" überrascht insofern positiv, als dass er inszenatorischen Überdruss negiert und auch einmal "frei" sein darf, einen lebenswirklichen Typen mit einem lächerlichen Anzug durch bunteste Farben und schrulligste Umgebungsmosaike zu schleusen. Wenn Marvel und Comicbuch "wollen" – nicht "sind".

5 | 10