Was in "Shine a Light" als eingelöstes Versprechen imponiert, sind die angewinkelten und kantigen Körperverkrampfungen Mick Jaggers, der quer über die Bühne (nach Keith Richards der so titulierte Ort des Erwachens) stolpert, tänzelt, ekstatisch flitzt. The Rolling Stones, auch im fortgeschrittenen Alter besingen sie energetisch die Apokalypse des Selbst und den Gegenentwurf einer fröhlichen Lebensbejahung, besingen sie den Sturm in rauen, schmetternden, eingängig tönenden Vokalen, als hätten sie ihre Rebellion nie aufgegeben. Alt gewordene Leichen, die partout nicht abtransportiert werden wollen. Aber Scorsese ohne "Gimme Shelter"? "Goodfellas", "Casino", "The Departed", ohne "Gimme Shelter" würden sie einen Sturm behaupten, aber nicht fundamentieren. "Shine a Light", bei dem Scorsese seine Lieblingsband in prunkvolles, mystisches Scheinwerferlicht zerrt, verzichtet auf "Gimme Shelter". Offenkundig spiegelt der Rückzieher Scorseses, sein musikalisches Markenzeichen beiseite zu legen, die Schwächen dieses ideologisch umstrittenen Konzertmitschnitts: Kein Sturm wütet über "Shine a Light", keine echte Power, kein amüsanter Zufall. Willfährig montierte, dokumentarisch gehaltlose Interview-Schnipsel, ein durch die Vorbereitungen eitel Anweisungen erteilender Regisseur und die hofierten Clintons in Ehrenlogen (!) zeugen von einem künstlerischen Missverständnis. Keiner weiß, was Scorsese erzählen, erreichen, würdigen wollte. Besser ist es dann, wenn die Stones brennend "As Tears Go By" schmachten. Sich einfach auf das Ungekünstelte besinnen.
4 | 10