Affen, Löwen, versammelt im Dschungel flatternder Geldscheine und sakraler Telefonhörer, in Saus und Braus dekadenter Übersättigung, nicht zu bändigen, überhaupt unfassbar, ebenso hungrig wie überschwänglich. Martin Scorseses "The Wolf of Wall Street", dessen abermals mosaikgefestigte Inszenierung wild rotierende Einblicke in Einzelteile und –perspektiven erlaubt, in ein konfuses Durcheinander zwischen Durchschütteln und Durchrütteln, wirkt wie die Perversion jenes paradoxen Mikrokosmos und Geschäfts, in dem Scorsese einst charismatisch-bestialische Designergangster schuf. Jetzt heißt der Gangster Leonardo DiCaprio, sein Slapstick ist unerhört, unerhört nervig, unerhört genial. Im Gedächtnis wird man ihn behalten, seinen Vollrausch, seine Inbrunst, Energie überzeugend entweichen zu lassen. Seit "Die Zeit nach Mitternacht" war ein Scorsese-Film nie lustiger inmitten eines Kampfes mit Telefonkabel, seit "Bringing Out the Dead" nie fiebriger, seit "Aviator" nie extrovertierter, generell nie mehr Rumstochern im Exzess moralischer Fremdscham. Aus der großzügig verstrichenen Wichse, Kotze und Pisse in "The Wolf of Wall Street" – Flugzeuge werden damit verklebt, Großraumbüros, wo auch immer – ist längst rituelle Existenzsicherung geworden, bildlich für das absurde Ganze, in dem wir Geld erwarten, erhalten und, sicher früher oder später, beim Zählen wieder verfluchen.
Ein weitgehend extremer, vulgärer Spaß ist dieses Epos der Geschmacklosigkeit ohne moralisches Anstupsen, wenn seine Bestien, Schleimbeutel und Vollpfosten unter der Ausrede einer Gaudi wüten, sich wälzen und zusammenstoßen; in Abenteuern ungeahnter Idiotie vor der stets majestätisch wabernden, amerikanischen Nationalflagge entstehen Collagen der Oberflächlichkeit, die Scorsese zu unbegrenzten Möglichkeiten eines verrückten Materialismus verknüpft. Aber sein Timing ist nicht mehr First Class, sondern Economy – manches gerät zu lang, anderes zu kurz, und Scorsese verliert in ähnlicher Weise den Boden unter seinen Füßen wie seine aufgedunsenen Bankautomaten. Die Affinität zur Anarchie, sie infiziert "The Wolf of Wall Street" derart irreparabel, dass ein Gefühl des Überdrusses eintritt. Das Ziel, der infantilsten Fußnote, eine, noch eine und noch eine draufzusetzen, gipfelt in jener Penetranz von Redundanz, die, hat man sich einmal daran gewöhnt, langweilig werden kann. Scorsese kehrt zur ausufernden Rise-and-Fall-Tragedy zurück, aber die Metaaussage, der Biss, der unermesslich drängende, obsessiv-paranoide Takt seiner früheren Arbeiten verfliegt mit jedem weiteren Zwang, ebendiese Vergangenheit gewaltsam zu reanimieren. "The Wolf of Wall Street", von erstaunlichen Abgründen ist er durchzogen und eine gewaltige Fallhöhe hält er für die da oben durch die da unten bereit, garantiert zwei Seiten des Geldes.
7 | 10