»DIE GEFÄHRTEN«
»THE FELLOWSHIP OF THE RING«
(USA, NZ 2001; Regie: Peter Jackson; Extended Edition)
Peter Jackson ist wahrlich ein verträumter Geschichtenerzähler – und ein
zu großes Kind. Seine Beschreibungen und Vertiefungen über Enttäuschung
und Vergebung, voller Einsatzbereitschaft vorgetragen, sind Ausdruck
eines Erzählers, in dessen Geschichten man sich fallen lässt. Man ist
ihnen ausgeliefert. Reich an versunkener Unschuld, sentimentalen
Gedanken und idyllischer Beschaulichkeit, dürfte dies die größtmögliche
Aufrichtigkeit sein, dem Kind im Herzen immer einen Platz reserviert zu
haben. Howard Shore malt im ersten Beitrag einer betörenden Flora- und
Fauna-Saga ein lyrisches musikalisches, mit satten Farben ästhetisiertes
Ölbild, so verschwommen wie die Erinnerung, das vom Pathos des
Aufbruchs gesegnet scheint. Der Aufbruch zielt in Richtung
Totalitarismus, der nur von einer demokratisch legitimierten, autonom
denkenden und handelnden Staatengemeinschaft bekämpft werden kann. Es
ist dieser künstlerisch tollkühne Deutungsversuch, den Peter Jackson in
verschwenderischer Pracht unverstellt zelebriert und feinfühlig den
kleinen Dingen kleiner Leute widmet, indem er die fragile Herrlichkeit
im alltäglichen Mittelstand auskostet: Der gefühlstiefe Blick zu einem
lächelnden Gesicht, das altert, obwohl es glücklich ist, ersetzt jede
schwelgerische Landschaftsaufnahme. Der Film braucht seine Zeit für
seine naturalistischen Selbstverständlichkeiten und politischen
Verführbarkeiten, die er in einem kaum pralleren Weltentwurf vertont,
der lehrt: Unser Leben ist nicht immer schlecht. Wir müssen nur ab und
zu den Moment genießen. Ausgiebig.
»DIE ZWEI TÜRME«
»THE TWO TOWERS«
(USA, NZ 2002; Regie: Peter Jackson; Extended Edition)
Um Tolkiens unverfilmbare Vorlage im Mittelstück der Trilogie auf der
Leinwand dramaturgisch nicht nur ausgedehnter, sondern auch
mehrdimensionaler der gegenwärtigen Dimension einer melancholischen
Ungewissheit zu verzahnen, die zeitweilig mitten hinein ins Dunkel
geleitet, zerstückelt Jackson die Geschichte parallel in zwei größere
Stränge und einen kleineren Teilabschnitt. "Die zwei Türme" ist
erzählerisch demzufolge immens mühseliger (die Faramir-Episode), aber
auch psychologisch schizophrener zwischen Vernunft und Unvernunft
angesiedelt. Wenn diese Handlungsfäden sich schlussendlich verknoten,
dann ergibt sich ein verblüffendes Breitbildpanorama allmächtiger
Hoffnung und der Auflehnung gegen all jene Aggressoren, die sich gegen
eine freiheitliche Grundordnung postieren und sich einer (jetzt
gewachsenen) pluralistischen Kameradschaft gegenüberstehen. Dem
Charakter eines Brückenfragments, das den Weg zum gewaltigen
Gesamthintergrund verringert, folgt Jackson dabei. Er fügt Figuren
hinzu, ohne die alten standesgemäß zu erklären; lieber vertieft er sie,
reflektiert ihre Ängste, ihre Bindung und ihr Hadern mit ihrem
Schicksal. Genauso wie der Film kontrastreicher, schwereloser bebildert
ist (Jackson greift energischer und etwas schablonenhafter in die
Trickkiste des Sensationskinos; der omnipräsente Gimli-Humor wird gar
übertrieben bedient), umwirbt er dennoch, gemäß seines Vorgängers,
metaphorischen Romantizismus über die unsterbliche Liebe hin zu
sensibler Elegie. Dass die vergängliche Natur gegen ihre industrielle
Ausrottung zwingender opportuniert, erweitert unterdessen eine in ihrer
Wahrhaftigkeit erdrückend-entzückende Ökoparabel.
»DIE RÜCKKEHR DES KÖNIGS«
»THE RETURN OF THE KING«
(USA, NZ 2003; Regie: Peter Jackson; Extended Edition)
Am Ende aller Dinge stehen sie, die Menschen, die Elben, die Zwerge. Und sind glücklich darüber, dass sie sich haben. Seite an Seite sterben sie in tiefer Freundschaft zueinander. Pessimistische Weltuntergangsstimmung beherrscht dieses epochale "Herr der Ringe"-Finale, es geht noch mehr um die seelischen Schrammen vor und nach der Schlacht. Auch wenn der Heroismus in goldgelben Farbabstufungen idealistisch wirken soll, birgt er doch nur den Tod als Bestimmung. "Die Rückkehr des König" erweist sich insofern als Kriegsmanifest, dessen Grübelei über das Leid in einer von Schönheit und Hässlichkeit bestimmten Szene kulminiert, die das Äquivalent zum Vorgängerfilm abbildet: War es dort ein Gedicht zur Kostbarkeit der (kontinuierlich zerstörten) Natur, singt diesmal ein Hobbit ein Lied. Parallel sterben Soldaten einen bestialischen Tod und der König zerquetscht Tomaten, die symbolische Blutspritzer verursachen. Die körperlich-geistige Metamorphose eines Monsters findet ihre bildnerische Entsprechung gleichfalls in der bedrückenden Anfangssequenz. Jackson gemahnt mit seiner Untotenarmee in einem zusätzlichen makabren Regieinfall an "The Frighteners" und die gewandt getimten Handlungssegmente laufen letztmalig klimaktisch zusammen. Der Neuseeländer kontrolliert überdies ein sadistisches Spiel – die Figuren kann er nicht loslassen. Nein. Das erklärt die unzähligen Versuche. Aber für einige wird die Geschichte weitergehen. Wir spielen schließlich alle die Hauptrolle in unserer eigenen.
Gesamtwertungen: 10 | 10 7.5 | 10 10 | 10