Über Weltenkollisionen und der Wiederherstellung der alten Ordnung
Über 30 Jahre sind vergangen, und über "Apocalypse Now" weht nach wie vor der Mantel der Filmgeschichte. Das wahnsinnigste Werk New Hollywoods mit der wahnsinnigsten Produktionsgeschichte, schlicht und ergreifend eine Bestie, schlicht und ergreifend ein Kriegsfilm, der keiner ist, ein Genrefilm, der nie in die Nähe des Genres rückt, am ehesten ein künstlerischer Bewältigungsprozess, der allen Beteiligten die Kraft raubte. Vielleicht ist "Apocalypse Now" deshalb so kraftvoll, weil er die Widerstandsfähigkeit des Körpers und die Mechanik des Geistes in sich trägt, vielleicht ist "Apocalypse Now" deshalb eine Lehrstunde des Filmemachens, ein Mammutwerk, ein erschöpfender Akt zerstörerischer Energie, so weit sein Horizont, so tief seine Aussagen, so groß und verstörend der Abgrund, an dem der Film zwischen extremer Gegensätzlichkeit taumelt und dies verhandelt wissen will.
"Apocalypse Now" ist anstrengend, und wenn er nicht anstrengend ist,
dann ist er imponierend, und zwar so imponierend, dass jede einzelne
Sekunde Zelluloid in ihren tiefsten Bestandteilen mit der Ohnmächtigkeit
nach dem totalen Chaos angereichert scheint. Eine Weltordnung
zerbricht, der Mensch radikalisiert sich zu seinen archaischen Wurzeln,
weg von der Technik, dem Tastendruck des Tötens, hin zum Werkzeug, der
Klinge des Aufspießens, Zeit und Raum verschieben sich; "Apocalypse Now"
spielt in einem irrationalen, der Chronologie der Ereignisse entrückten
Gefüge, das keinen Anfang und kein Ende kennt. Es kennt nur Inhalte
einer Welt im Rückwärtsgang – Schlick, Matsch, Morast, Napalm,
Vergewaltigung, Mord, abgeschossene Hubschrauber, abgehackte Gliedmaßen,
abgelegte Unschuld, den Horror, die Droge danach. Es flattert, es
schwirrt, es bebt und es zittert, es riecht nach der Qual, etwas dagegen
tun zu müssen.
Und die Bilder des Infernos erst – Wälzen im Blutbett, Surfen im von
Explosionen erschütterten Strand des Feindes, Massakrierung mit Wagner,
Apokalypse mit den Doors. Irgendwie ist die Zeit verloren gegangen, aber
was zählt die Zeit in der Hölle, einer animalischen? Willards Reise
entlang der Halsschlagader des Universums bis zum schwarzen Herzen
seines Verstandes ist mit Blut geschrieben, ihr fehlt jegliche
Orientierung, jegliche innere Bewegung, aber Coppola verrät sein Sujet
nicht, indem er es bedient. Coppola begreift Vietnam als allegorische
Überleitung zu tiefen, existenziellen Schichten des Menschseins, aus
denen sich die verheißungsvolle Verführung und schlussendlich die Heirat
mit dem Bösen manifestiert, angezogen vom gesetzlosen Dschungel,
abgestoßen vom Humanismus der westlichen Welt.
Nach der Brücke – der Do-Lung-Brücke –, die der Film zum letzten Tor
der Zivilisation erklärt, bevor alles in einem vorzeitlichen Matsch aus
psychedelischer Mystik und surrealem Führerkult untergeht und ein
schwarzes Loch am Himmel Ungeheuer gebärt, hat Marlon Brando seinen
ikonischen Auftritt als in der Zeit Reisender, um dahin zu gelangen, wo
er dem ultimativen Grauen ein Stück näher kommt. Coppola filmt ihn im
Schatten, dessen Licht er als Requisite gebraucht. Kurtz wird als Opfer
auf die Schlachtbank geführt, während Willard im gleichen Licht-und
Schattenspiel zum Nachfolger emporgehoben wird. Alle legen ihre Waffen
nieder, vorbei ist es mit dem Krieg. Willard umarmt seinen Partner vom
Patrouillenboot und reißt ihn mit sich. Er zerrt in eine neue Ära, in
der hoffentlich die Waffen schweigen. Unter dem Berg voll Scheiße findet
Coppola einen Hauch von Ausblick für den Frieden in den Generationen
nach der Wiedererrichtung der Neuen Welt.
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