Der "Fluch der Karibik"-Regisseur, seines Zeichens ein, wie man so
schön voller Vorurteile sagt, stilloser Auftragsfilmer ohne Handschrift,
empfiehlt sich mit seinem für seine Verhältnisse ungebräuchlichen "The
Weather Man" als kleiner, bescheidener Autorenfilmer, der durchaus ein
Händchen für ein Indie-Drehbuch hat. Entstanden ist ein kleiner,
bescheidener Spießrutenlauf, so anders, so präzise und so wunderbar als
die Verbinskis, die Kasse machen müssen. Eine tragikomische Dramödie,
eine Selbstfindungsmelancholie, eine mausgraue Ziellosigkeit, eine
anzugversauende Demütigung, die im Zentrum einen Wetterfrosch
beobachtet, der in die prominente Bedeutungslosigkeit abzugleiten droht
und alle Probleme, an die er sich klammert, an sich vorüberziehen sieht,
ohne dass er etwas dagegen machen kann. Er berechnet sein Leben, er
erlernt die besseren Verhaltensweisen mit manischem Eifer, damit er es
von der schiefen Bahn ablenken kann, so wie das Wetter, das er ansagt,
obwohl er zunächst das Unvorhersehbare nicht sieht, das, was sich eben
nicht mit einer Formel erfassen, sondern nur aus Erfahrung erahnen
lässt. Wenn überhaupt. Wie das Wetter eben.
Dieser Typ – herausragend ambivalent unter subtiler Oberfläche
gespielt von Nicholas Cage, in dessen Gesicht sich ein tiefgreifender
Halt nach irgendetwas abzeichnet – gehört zu den erstarrenden, ganz
besonders zu den elendigen, zu den siechenden, wo man genau weiß, dass
die wenigen Späße auf seine Kosten gehen. Und leiden tun wir mit ihm,
und wie wir mit ihm leiden. Er sieht sich als Fast Food, schmeckt für
den Moment, aber nahrhafte Stoffe hat er in sich nicht. Ein trotteliger
Trauerkloß im Erwachsenenleben, wo nichts leicht ist. Sein Leiden ist
alltäglich. Die Tochter übergewichtig und ein Mobbingopfer, der Sohn
Opfer sexueller Nötigung, die geschiedene Frau sauer durch ein
vergessenes Glas Remoulade, der Vater krebskrank, Diagnose: wenige
Monate. Und seine Wetteransagen werden mit einer Wurfattacke Limonade in
XXL quittiert. Niemand meint es gut mit David Spritz (Cage), höchstens
wir, manchmal. Wenn sich Spritz nicht gerade wie ein Bekloppter benimmt.
Auf Spritz prasseln fortwährend so viele Probleme ein, dass er nicht
mehr die guten von den schlechten unterscheiden kann. Und wir mit ihm.
So wie sich das Wetter immer wahllos ändert. Oder Sonne und Regen
kombiniert.
Das Entzückende von "The Weather Man" manifestiert sich nicht nur
dahingehend, dass der Film den Protagonisten zum Gegenstand jener
Allegorie erklärt, die gleichzeitig seinen Job repräsentiert, sondern
dass die Dramaturgie zudem eine Sportart hinzugewinnt, die sein Leben
reflektiert. Umso wohler sich Spritz allmählich fühlt und den Scheiß
endlich hinter zu verlassen versucht, um noch einmal neu in einer neuen
Stadt in einem neuen Job anzufangen (Motto: "Hello, America!"), desto
geübter trifft er mit Pfeil und Bogen ins Schwarze. Solche
Doppeldeutigen gehen mit einer Ironie einher, die das sensible Konzept
bissig kommentiert und oft experimentell aufbricht, so als ob die eine
Szene mit Spritz' wild durcheinander gewürfelten Gedankenstückchen
geflutet wird, die andere sich einer surrealistischen Traumsequenz
bedient. Ein echter Traum fürwahr, authentisiert er doch Spritz'
latente, herbei fantasierte Wunschrealität neben SpongeBob Schwammkopf.
In einer weiteren wunderbar pointiert anzuschauenden Sequenz wendet
sich Spritz bestürzt von seiner Tochter ab, die ihm ihre neue, zu enge
Hose vorstellt. In kurzen Rückblendenfragmenten erinnert sich Spritz
sogleich an Begriffe wie "Kamel-Hufe", mit denen seine Tochter
regelmäßig gehänselt wird. Und dann ist da noch Robert Spritzel,
besonnen verkörpert von Michael Caine, Pulitzerpreisträger, klug,
vorsichtig, weise, aber unheilbar krank, der personifizierte Traum
dessen, was sein Sohn am liebsten sein will. Spritzel gesteht etwas
Essentielles: "Wir müssen einige Dinge loswerden. Wir müssen sie
loswerden! Möglichst noch in diesem Scheißleben. Zu tun gibt es immer
etwas. Du hast Zeit, mein Sohn". Das Wetter würde auch ohne Spritz
zurechtkommen. Das Wetter würde einen Weg finden, so wie es immer einen
unberechenbaren Weg findet und sich kurz danach wieder normalisiert. Wie
David Spritz. Zu wünschen wäre es ihm.
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