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Donnerstag, 4. Oktober 2012

"Romero-Zombies der Neuzeit man, ich hab' jetzt schon... Schiss."


»LAND OF THE DEAD«
»GEORGE A. ROMERO'S LAND OF THE DEAD«
(USA, F, CDN 2005; Director's Cut)

Die da oben herrschen über die da unten. Ein Tyrann lenkt seine Lemminge, und eigentlich trennt schon die Geometrie und Architektur der totalitären Kulisse die Begehrlichkeit von der Subkultur: Ein Wolkenkratzer türmt über den Zeltlagern. Subtilität in der zweigeteilten Seele eines postapokalyptischen Landstriches zu suchen dürfte heikel werden, denn Romero ist während seiner nach Jahrzehnten vorbereiteten Reanimation des Zombies nie subtil unterwegs. Wenn er das Konzept klug bricht – zum Beispiel anhand zweier Sektgläser, die zwei Lebensentwürfe abbilden –, dann entzückt "Land of the Dead" angesichts der fühlbaren Existenzangst, deren Polizeischutz neben einem Graffito der Freiheitsstatue einer grotesken Komödie schmeichelt. Ungeachtet dessen, dass Romero den Menschenfresser organisatorisch begründet, im Führerkult einordnet und infolge mehrerer sensibilisierter Pathosmomente samt Erkennungsmelodie Schlussfolgerungen ziehen lässt, kokettiert das Anbandeln an moderne handwerkliche Stilmittel jedoch mit jenen aufs Gemüt schlagenden Nebenwirkungen des Hollywood-Einheitsbreis – eine Handvoll pupsiger Figuren (Ausnahme: "der kleine Fettsack"), ein stumpfsinniger Plot um Rache, Kampf und Geld, dazu artifizielles CGI. Die sichtlich forcierte Obsession abgenagter Köpfe, zerschossener Leiber und herausgebissener Piercings zementiert Romeros Richtungswechsel: direkter, schneller, unterhaltsamer, aber auch nicht mehr wirklich feingeistig. Am Ende verschmelzen der Mensch und der Zombie vollends. Beide suchen die feuerwerksbegleitende Freiheit jenseits des Zaunes, weil sie vorgeben zu leben.


»DIARY OF THE DEAD«
»GEORGE A. ROMERO'S DIARY OF THE DEAD«
(USA 2007)
 
YouTube, Myspace, Facebook – "Diary of the Dead" ist Romeros Kolumne an den Kick vom Klick, ein Tagebuch der Enthumanisierung, ein nervöses Gefuchtel, erschöpft auf den Beinen wie der Regisseur des Films im Film. Es gibt, konträr zur Vergangenheit, noch mehr zu entdecken, verformt sich doch das Röhrenfernsehgerät zum LCD-TV, das Radio als Informationsmaschine zum internetfähigen Notebook. Der furchtbar analoge Einkaufswagen ist nur ein Symbol unter wenigen, das freimütig zugibt, dass da früher mal etwas war. Sonst hievt Romero die Zombies ohne postmoderne Ironie ins digitale Zeitalter, bewackelt sie mit einer Amateurkamera Schritt auf Tritt zur Wahrheit, die durch ein Stück Glaslinse unverblümt gefiltert wird. Doch was ist Wahrheit und was ist eine Geräuschkulisse an Scheinwahrheiten? Wann dürfen wir hinschauen und wann sollten wir wegschauen? Wann müssen wir helfen? Eine Blondine emanzipiert sich irgendwann, ein Schauspieler spielt seine Mumien-Rolle erst nach dem Tod aufrichtig und ein Zombie-Angriff in grünen Standbildern von Überwachungskameras gesteht dem Film eine formal distanzierte Kraft aus abgehackten Bewegungsfragmenten zu. Der Roadtrip und die Untergangsfantasie bieten inhaltlich nichts, begleiten jedoch das Kino in den letzten Sterberegungen leidenschaftlich. Romero ist zu sehr der Liebende des Genres, als dass er den Tod zulassen könnte. Es muss weitergehen. Alles für die Kunst!


»SURVIVAL OF THE DEAD«
»GEORGE A. ROMERO'S SURVIVAL OF THE DEAD«
(USA, CDN 2009)

Lausige Zeiten bringen lausige Typen hervor. Niemand weiß das besser als George A. Romero, der mit seinem jüngsten Zombie-Magenschlag wieder einen druckvollen Kosmosbeitrag erschuf, in dem ein verwegenes Gespann aus Schönschwätzern und Gutsherren die Toten zu Nutztieren domestizieren, um ihnen beizubringen, das Menschenfleisch ab sofort verbotene Luxusnahrung ist, auch wenn das freundliche Menschenfleisch nach wie vor geröstet werden muss. Dilemma! Mehr in Richtung hinreißendem Ulk und grimmigem Fun-Splatter steuernd, versammelt Romero närrisch grinsend die optimalste Wirkungsstätte der Verlassenheit und Nichtverlassenheit einer Insel, ein Liter wabernde Küstenatmosphäre und hundert Kilo Innereien zu maximaler Konzentration, deren Fingerzeig auf der Charakteristik des Westerns ruht und an der Schnittstelle des Vorgängerfilms eine hintersinnige Ebene vom sympathischen Militär eröffnet. Wenn "Survival of the Dead" etwas Offensichtliches zu erzählen hat, zum Beispiel über eine Zwillingsgeschichte, dann ist er nah am Klischee. Wenn der Film jedoch loslegt, ohne sich umzuschauen, dann streift er putzig wie noch nie im Schaffen Romeros die rücksichtslose Bekämpfung: Leuchtmunition in den Bauch, ein Stock in den Schritt. Da existieren gefangene Postbooten und Reiterinnen, insbesondere aber die Komplettierung der Frauenemanzipation über sechs Filme hinweg. Nun darf die Frau stöhnend masturbieren, trägt einen Männernamen als Rufnamen und hantiert mit schwerem Geschütz. Oh, Baby.   

Gesamtwertungen: 5 | 10     6 | 10     6 | 10     

Montag, 24. September 2012

"Romero-Zombies man, ich hab' jetzt schon... Schiss."


»DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN«
»NIGHT OF THE LIVING DEAD«
(USA 1968)

"Die Nacht der lebenden Toten" ist die erste politische Regiearbeit in der Vita eines rebellisch-umstürzlerischen Kompagnons, der aus seinem Leibe eine verwesende Totgeburt gebar, deren Biss ein Genre infizierte. Das ist ein rustikales Debüt voller "antikommunistischer Hysterie", das ist ein Protest, der Fieber hat, Wunden aufreißt, der weh tut, das ist eine symbolkräftige Zeitgeistreflektion über Jagen, Flüchten und Macht, über das Bonbon, das zum Supermarkt schielt. In Bewegung, dieser Film, immer wieder, in traumwandlerischer, in zittriger Bewegung, die in kannibalischen Praktiken eine eigene originäre Körperästhetik definierte. Menschen rasten in einem Haus, selbstsichere Schwarze, verstörte Frauen und militante Weiße, verbarrikadieren sich, lernen, beten, reden, umschlingen Ein- und Ausgänge, und die Kameraschrägen schneiden ihre Gesichter zu expressionistischen Relikten an Licht und noch mehr Schatten. Den kulturellen Zerfall des Gemeinschaftswesens beschwört Romero in den vielseitigen Mentalitäten hierarchisch geprägter Gruppenorganisationsprozesse gegen ein Wahrzeichen gesellschaftlicher Randexistenz, während sich der Raum der behaupteten Sicherheiten (und zupackender Hände aus der Wand) stetig einengt. Der Regisseur aus Pittsburgh zerkleinert in anatomischer Beharrlichkeit die verstohlenen Anfeindungen jener, die sterben, weil sie überleben, angekommen in völliger Dekonstruktion der Dekonstruktion der Dekonstruktion. Eine Revolution ohne Alternative, eine Selbstzerfleischung ohne Narkose, die unerfüllbare Hoffnung eines Entrechteten. Verängstigte Augen im Glockenspiel erzeugen Leere. 


»ZOMBIE«
»DAWN OF THE DEAD«
(USA 1978; Romero-Cut)
 
Zugleich Kapitalismusschelte wie Konsumohrfeige, eine Zwinker-Zwinker-Satire über die Tortenschlachten des Menschen gegen das Böse, den Eindringlingen. Im Materialismus als Marionette gezogen, verkehrt sich die Rollenauslegung in einem Einkaufszentrum ins Gegenteil: Als Machtmenschen haben sie nun alles, die ehemaligen Sklaven der Regalketten. Sie genehmigen sich den Kaviar, den Champagner und den Luxus der entmaterialisierten Welt, und doch bleiben sie Entfremdete ihrer Erinnerung vom Glücksgefühl des Kaufrausches mit anschließender Bezahlung. "Zombie" vergrößert in Kontrast zur "Nacht der lebenden Toten" einerseits das enge Rückzugsgebiet des Eingesperrtseins, andererseits die geistige Entwicklung seiner Metaphern. Immer noch hungrig, leben sie selbst im halbtoten Zustand ihren Lebensinhalt nach, womit Romero den Menschen näher zum Zombie bindet, als den Zombie zur in der Trivialität gefangenen Fleischeslust. Romeros Entwurf einer halbverrückten Dystopie, die unwiederbringlich implodiert, indem das verrauschte Fernsehbild keine Informationen mehr preisgibt, ist auch eine Aufzählung jener toten Punkte einer Liebesbeziehung, die unter all' dem Falschen und Anrüchigen nicht mehr gedeiht. Der Film steht für Amerikas Hedonismus und Imperialismus, für Herrschaftsmenschen, für unaufhaltsame territoriale Eroberung, die es zulässt, dass der beste Freund stirbt, weil er sterben muss. Nur mit Hilfe der allerletzten Schippe abgeklärter Gruppierung scheint die Zukunft noch nicht verloren. Hoffnung am Himmel rotiert da. "Versuchen wir's."

»ZOMBIE«
»DAWN OF THE DEAD«
(USA 1978; Argento-Cut)

Romero verwies darauf, dass ihm Dario Argentos für den europäischen Markt geschnittene und hierzulande am weitesten verbreitete Fassung des auf Listen beschlagnahmter Filme stets festgedruckten Kaufhaus-Zombiefilms "Dawn of the Dead" nicht gefiel, weil Argento den Stoff im Kern nicht erfasst habe. Wahr oder unwahr: Der Metapher wegen zerbricht sich Argento jedenfalls nicht den Kopf, die Geschwindigkeit zelebriert er hingegen ohne Mittagsschläfchen; seine Vorstellung des politisierten Filmemachens ist eine verwässerte, die lakonisch die Aktion und Exploitation sucht, eine, die wie ein titanisches Donnergrollen über das Wohlfühlgefühl des Shoppings hereinrollt. "Dawn of the Dead" beschleunigt exorbitant, will nach wenigen Augenblicken einkaufen gehen und verschweißt dickflüssigen Savini-Gore mit spannungsgestrickten Ablenkungsmanövern, um jene Biester vor den Gittern der Warenabteilung einzuschließen, die auf die Erde gekommen sind, weil in der Hölle kein Platz mehr ist. In verschwörerischer Verbitterung wie apokalyptischer Undurchdringbarkeit filmt Argento zu jeder Zeit Figuren, die – und das ist der wesentliche Unterschied zu Romero – leider kaum ausstudiert werden, aber mit ihnen gemeinsam eine neue aristokratische Ordnung im Schlaraffenland des freien Marktes erschafft, die verteidigt werden muss, notfalls per Gewalt gegen archaische Ideologien (als Rocker: Splatter-Boy Savini höchstpersönlich). Ein nach allen Seiten peitschender Gobling-Sturm, ein rabiater Actionfilm, dessen Tiefe im Blutmatsch zu bestehen scheint. 


»ZOMBIE 2 - DAS LETZTE KAPITEL«
»DAY OF THE DEAD«
(USA 1985)

Eines der ersten Bilder: ein Kalender. Das letzte Bild: ein Kalender. Zuerst ein Traum. Zuletzt ein Traum. Der Fatalismus gefräßiger Zombies, eingerahmt in menschenleeren Städten, in Impressionen wunderschöner Hässlichkeit, deren Übergang in das Paradies am Strand metaphysisch geklammert wird. Ein Traum eben. Oder doch nicht? "Zombie 2 – Das letzte Kapitel" erweist sich als ambivalente Fortführung. Nicht nur, dass Romero vermehrt das Spöttische in das Vertröstende verkehrt – der Abschluss seiner ersten Trilogie schlägt den Kurs der infernalischsten aller Niedergänge ein –, er komplettiert nun den Zombie zur mit menschlichen Erkennungszeichen durchzogenen, tragischen Gestalt, die lernfähig ist (Fahrstuhl!), wodurch die Behauptung dessen hintergangen wird, dass ein Unterschied von Mensch und Tier existiere. Zum zwischen Dialog und Gore nicht zu jeder Zeit austarierten Bunker-Kammerspiel ausgedehnt, konfrontiert dieser vor allem in den Zombieexperimenten ethisch ergreifende Film die Wissenschaft mit dem Aktionismus, die Demokratie mit der Diktatur als Staatsmahnung, den Humanismus mit der Barbarei, für deren reaktionären, militärischen Kodex Romero durchaus Verachtung übrig hat: Lächerlich, dekonstruktiv ist er, und deshalb muss er per Salutgeste sterben. Ein der Raserei verfallener Tom Savini wässert indes den Strom an ungeheuerlicher Gewalt zum letzten Bild, dem Kalenderbild. In der Orientierungslosigkeit angelangt, verlangt der emanzipierte Mensch sofort nach einer Zeitstruktur. 

Gesamtwertungen: 7 | 10     7 | 10     6 | 10     6 | 10