Mittwoch, 24. August 2016

Jarmusch-Retro #2: "Stranger Than Paradise" [USA, D 1984]


"Strange" geht es zu, aber höchstens im "Paradies". Unglückliche Hundewetten etwa, beißendes Wetter, eine Freiheit im Zerplatzen. Der Traum fernab jeder Gegenwart. Konträr zu "Permanent Vacation" konzentriert sich Jarmusch diesmal auf die Makel und Stolpersteine gewonnener Autonomie, denn "Stranger Than Paradise" belauert eine gefühlvoll verspielte, aneinander gekettete Dreiergruppe (John Lurie, Richard Edson, Eszter Bálint) bei Schlüsselerlebnissen exzentrischer Heimatrecherche. Nach draußen zieht es Jarmusch aber erst viel später, konsequent vom Kalten ins Warme, über "Fernsehkost", kulturelle Sprachbarrieren (dieses herrliche ungarische Hausweib!) und unvermutete Geldpräsente. Zyklische Schwarzblenden zerteilen diesen Scherbenfilm doppelt, während ein grobes, weiches, engelsgleiches Weiß alle Menschen verschluckt, die ihm angehören. Orientierungslos geistern sie durch minimalistische Tableaus feinsinniger, abgeblätterter Handlung: das Dosenbier schlürfen, schweigen, fahren. Nicken. Um Fragen der Identität kreiselt "Stranger Than Paradise" also, ob wir sie einbüßen, wenn wir sie erzwingen und in die Fremde, die "neue Welt", vorstoßen. Stellenweise meint es Jarmusch aber nicht ernst – sein Augenausdruck ist immer ein angewärmter, die Ausdruckslosigkeit Makulatur. Darunter verbleibt vielmehr dieses Maß an innerer Sättigung, das Jarmuschs Werk charakterisiert: das Vorbeisein mit einem tiefen Lächeln anzunehmen, glücklich verletzt von dem zu sein, was gemacht oder, das trifft es eher, nicht gemacht wird.

6 | 10


Originaltext