Unfertig wirkt Marlon Brandos ehrfurchtgebietendes Gesicht hier, ein Betonklotz, breiiger Hautteig, verwaschene Umrisse, ein Artefakt antiker Bildhauerei, wartend auf die endgültige Form. Sein primitiver Vulgärsprech passt gar nicht zu dieser unüberwindlichen Felsenkörperstruktur. Zunächst: kein Name, keine Vergangenheit, keine Zeit. Keine, nun: keine Geschichte. Wir sehen Brando andauernd "verzerrt", hauptsächlich die Gesichtspartien, durch ölige Glasscheiben zum Beispiel. Auf der anderen Seite der Scheibe mutiert er folgerichtig zu einem Objekt des Malers Francis Bacon, organisch nimmer als Lebewesen einordbar, sondern als herausgeschabter, außerirdischer Klumpen während einer Metamorphose. Ohne Persönlichkeit. Ohne Geschichte. "Ist." Einfach brüchig und deformiert, innen wie außen. Um "Geschichten" geht es (auch) in Bertoluccis sexualpathologischem Abhängigkeitsdrama "Der letzte Tango in Paris". Lieben ohne Geschichte? Begehren ohne Gefühl? Handeln ohne Absicht? Brando und Maria Schneider treffen sich passenderweise in einer Enklave der Isolation, abgeschirmt von der Außenwelt, befreit von den Geschichten dieser, die sich einem permanent aufdrängen und den Moment unaufhörlich kontextualisieren müssen. Brando und Schneider entfesseln sich von allen Fesseln in einem spontan-sinnlichen, existenzphilosophischen Werk (Kamera: Vittorio Storaro), das alle Erzählmuster abstreift, um das "Jetzt" provokativ zu rahmen, letztendlich jedoch, wenn die Geschichte und das Gefühl zurückzukehren drohen, wenn der Betonklotz weint, in eine zum Scheitern verurteilte, zersetzende Geschlechtlichkeit mündet.
6.5 | 10