Dienstag, 30. Juni 2009

"Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt" [USA, GB 1979]


Nicht wenige Trailer vermögen auch nach wiederholtem Male zu faszinieren und gleichzeitig zu ängstigen. Einer davon ist der 1979 erschienene Kinotrailer zu Ridley Scotts "Alien" (deutscher Beititel: "Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt"). Obgleich über 30 Jahre auf dem Buckel, ist diese bewegte Vorschau immer noch wirkungsvoll und nebenbei nur ein Aspekt einer effektiven Marketingkampagne. Zu Anfang des Trailers sehen wir ein seltsames eiförmiges Objekt, wie es sich langsam in seinem Umfang entfaltet – selbiges geschieht mit dem Filmtitel, der aus sonderbaren Hieroglyphen, aus futuristischen Strichcodes zu bestehen scheint. Gesprochen wird kein Wort. Der Trailer ist fast tonlos. Einzig und allein schrille elektronische Klänge beherrschen die Soundkulisse,  eine rasante Abfolge von schrecklichen, ja von einfarbigen und dunklen, in Grün, Braun und in Schwarz eingefärbten Bildern bestimmt das Geschehen. So etwas wie ein menschlicher Laut ist nicht zu vernehmen. Der Zuschauer wird förmlich in seinen Sessel gedrückt, unfähig zu begreifen, über was für eine Art Film mit was für einer Handlung dieser Trailer ihm suggeriert. Alles ist geheimnisvoll und mystisch, ungemein mystisch – nur dass diese Science-Fiction wohl eher nicht die märchenhafte eines "Star Wars" sein wird. Absolut nicht. Und dann endlich, nach knapp zwei zermürbenden Minuten, die Erlösung. Denn der Schluss dieses gruseligen Alptraums bahnt sich mit gemächlichem Tempo an. Am Ende des Trailers darf aber nochmal gezittert werden. Dann erscheint ein Spruch, der zu einem der berühmtesten der Filmgeschichte avancieren sollte: "In space no one can hear you scream...".

Die Geburt einer cineastischen Klaustrophobie begann mit einem simplen Drehbuch...

Die Geschichte vom Drehbuch bis zur Produktion ist eine klassische Geschichte, wie sie nur in Hollywood geschehen kann. Um Dan O'Bannons und Ronald Shussetts Idee einer Story mit einem ominösen Wesen zu verstehen, sollte man zunächst einmal das Genre genauer untersuchen. Vor "Alien" war der Weltraum ein weitgehend ziemlich netter Platz, optimistisch und reizvoll, egal welche Wesen welcher Art dieser beherbergte. Die Reise zu fernen Planeten und Sternensystemen waren in den größten Science-Fiction-Filmen wie "Star Trek" oder "Star Wars" de facto aufregende und furchtlose Abenteuer. Doch Drehbuchautor Dan O'Bannon dachte an etwas anderes. Er dachte an ein B-Movie im Sci-Fi-Gewand (ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als man O'Bannon nicht als Co-Regisseur für John Carpenters satirischen "Dark Star" anerkannte, für den O'Bennon ebenfalls das Script beisteuerte), an etwas weitaus Düsteres, Tödlicheres, an sein eigenes Sci-Fi-Projekt, das von Klassikern wie "Der Golem lebt!", "Der Schrecken vom Amazonas" und "Das Ding" seine Hauptinspirationsquellen beziehen sollte – und nicht nur die allein: "In "Alien" steckt ein Leben voller Kinofilme und Bücher. Und als der Film neu war und erst kurze Zeit im Kino lief, spekulierten viele Leute darüber, wo ich die Ideen geklaut hatte. Die meisten dachten, ich hätte sie aus "Der Golem lebt!". In Wahrheit habe ich überall geklaut."[1] O'Bannon wollte lediglich ein Raumschiff, einen Planeten und ein paar Astronauten zur Verfügung haben – und das Wesen, das die Besatzung dezimieren soll. Eine im Grunde genommen ziemlich ausgelutschte Geschichte, die außer einer speziellen Szene (der Geburtsszene, wenngleich die Idee ursprünglich dem Kopf Ronald Shussetts entsprang) nichts vermeintlich Neues bot.


Darüber hinaus dachte Dan O'Bannon an keine Welteneroberer, an strahlende Helden, nein seine Akteure waren hart arbeitende Profis, denen ihr Gehalt und ihre Rückkehr nach Hause wichtiger waren als zu neuen Welten aufzubrechen. Leute wie wir, die plötzlich dem namenlosen Grauen gegebenüberstehen. Leute, mit denen wir uns identifizieren können, auch mit ihren Ängsten. Das macht "Alien" entscheidend greifbarer und realistischer. Ganz im Stile des Science-Fiction-Films der 50er-Jahre wollte O'Bannon einen Film verwirklichen, der den Science-Fiction-Genrefilm wieder auf den Boden zurückholt. Erst mit seinem Partner Ronald Shussett und dessen Idee von einem Hybridmonster, das sich im menschlichen Körper einnistet und sich von dort aus fortpflanzt, gelangte das Projekt ins Rollen: "Wir brauchten etwas Schreckliches, das über einen kitschigen B-Film hinausging. Es musste spektakulär und bizarr sein."[2]

O'Bannon schrieb das Script mit Hilfe vieler Sandwiches als Mahlzeit, um bei Kräften zu bleiben, innerhalb weniger Monate fertig. Zwischenzeitlich gab es mal hier und mal da einige Schreibblockaden, die fertige Arbeit war jedoch alles andere als schlecht. Von Zeit zu Zeit veränderte sich O'Bannons Vision von einem kleinen B-Movie zu einem handfesten A-Movie, immer mehr wurde die Arbeit und Fertigstellung an dem Werk zu einer bedeutenden Aufgabe für alle Beteiligten. Für Dan O'Bannon war es  eine anspruchsvolle Arbeit. Nicht nur dem Zuschauer in knapp zwei Stunden konstante Spannung zu verdeutlichen ist eine hohe Kunst, die nur wenige beherrschen, sondern auch das Gefühl der Bedrohung erfahrbar zu machen, das sich auf den Zuschauer übertragen und sich im Kopf manifestieren soll.

Eine andere Herausforderung war der Filmtitel. O'Bannon wollte keinen trashigen Titel (vorgesehen: "Star Beast" - "Sternenbestie"), einen Titel, den man sofort verwerfen könnte, einen, der gleich auf B-Movie-Gefilde hinweist. Eines Tages schaute er in sein Drehbuch, ging verschiedenste Seiten durch und irgendwann später sprang ihm beim Lesen immer wieder der gleiche Name ins Auge: Alien. Das Alien, der Name für das Wesen, das an Bord des Raumfrachters gelangt, ist immerhin eine Art Hauptakteur. Also nutzte O'Bannon den Namen in zweifacher Hinsicht aus: als Name für das Monster im Film und als Filmtitel.

So gelangte das Drehbuch nach Fertigstellung von Produktionsfirma zu Produktionsfirma. Die Ablehnungen, den Film nicht zu realisieren, häuften sich. O'Bannon und Shussett fanden keinen Abnehmer. Außer der Geburtssequenz war das Script in den Augen der meisten Produzenten zu lächerlich. Bis die beiden Drehbuchautoren aufgrund eines gemeinsamen Freundes (Alan Ladd Jr.) den Weg zur Brandywine Production von Walter Hill, ein Regisseur von "Männerfilmen mit viel Wumms", Gordon Carroll und David Giler fanden, die der Idee eine nicht unerhebliche Kreativität attestierten. Was konnte es Besseres geben als einen astreinen Science-Fiction-Film? Und nach "Star Trek" und "Star Wars" war das Genre ohnehin das zurzeit beliebteste. Also entschlossen sich Hill und Giler den Film zu produzieren. Bevor sie das taten, mussten jedoch noch ein paar Änderungen am Drehbuch vorgenommen werden. Die Geschichte um Roboter Ash (Ian Holm), das entstammt beispielsweise einer Idee Hills und Gilers, die im Script von O'Bannon und Shussett so nicht vorhanden war. Aber auch die Namen der Protagonisten gefielen Walter Hill nicht. Er schrieb sie deshalb um und arbeitete außerdem die Charaktere weiter aus. Es war ihr Verdienst, die ganze Besatzung des Raumschiffs nicht als Klischee oder etwa als bedauernswerte Stereotypen verkommen zu lassen, sondern gaben stattdessen einer Frau (Sigourney Weaver) die Rolle des Helden – nur ein mutiger Schritt unter vielen.


Ridley Scott & H. R. Giger – zwei Visionäre, die "Alien" zum Erfolg formten

Letztendlich repräsentierte Dan O'Bennons und Ronald Shussetts originales Script "nur" das Fundament für den Erfolg des Films. Doch es war Ridley Scott, der "Alien" zum Klassiker machte. Ein Regisseur, der vorher zehn Jahre lang Werbefilmer war und danach, genauer gesagt 1977, seinen ersten Spielfilm "Die Duellisten" aus eigener Tasche finanzierte und in die Tat umsetzte. Zum Großteil wurde "Die Duellisten" sowohl von den Kritikern als auch vom Publikum veritabel aufgenommen. Scotts Debüt konnte sogar beim Filmfestival in Cannes gleichen Jahres auftrumpfen, indem das Werk den Preis für den besten Debütfilm gewann. Und genau da wurden die Produzenten des "Alien"-Films auf ihn aufmerksam. Ungefähr so: "Aus irgendeinem seltsamen Grund sah ein Schlaumeier beim Filmfestival in Cannes "Die Duellisten" und bot mir an, "Alien" zu machen. Das soll mir mal einer erklären. Zu der Zeit entdeckte ich gerade Science-Fiction – vor allem durch "Möbius" und all diese Heavy-Metal-Comics. Ich wollte etwas ganz Neues machen. Ich sprudelte nur so vor Ideen und besaß viel grafisches Material. Jemand schickte mir das "Alien"-Script zum Lesen. Ich las es einmal, in London. Ich war um zehn Uhr morgens fertig. Ich wartete, bis Los Angeles aufwachte, dann rief ich sofort an und sagte: 'Ich mache es.'"[3]

Was Scott an dem Film interessierte, war die Stringenz der Geschichte. Alles war logisch, schnörkellos aufgebaut und zudem mit starken Charakteren besetzt: "Die provozierende Idee des ersten Films war die der sieben kleinen Negerlein, wenn ich das so sagen darf. Sieben Leute in einem dunklen Haus. Sieben in einem Raumschiff. Und es wird alle erwischen. Das hat eine tolle Dynamik. Aber es hängt davon ab, wie man es darstellt. Darauf kommt es an."[4] Trotzdem war mit der Wahl eines passenden Regisseurs (vorgesehen waren unter anderem Dan O'Bannon selbst, Walter Hill und Robert Aldrich) noch lange nicht das Hauptproblem von "Alien" gelöst. Das Hauptproblem bestand darin, den Horror für den Zuschauer in Form der Kulissen sichtbar zu machen. Wie sollte man außerdem die verschiedenen Entwicklungsstadien des Monsters visualisieren? Denn zu dem Zeitpunkt war es bereits klar, dass Scott und sein Team auf einen Stuntman im schwarzen Gummianzug verzichten wollten. Funktionstüchtige CGI gab es noch nicht. Monatelang skizzierte Scott Storyboards ohne erkennbaren Erfolg. Bis ein Mann die Bühne des Geschehens betrat, mit dem sich das Problem in Luft auflösen sollte: H. R. Giger – ein Schweizer Maler und bildender Künstler.


Gigers neosurrealistische Arbeiten beeindruckten früh Dan O'Bannon. Dieser brachte eine Ausgabe von Gigers "Necronomicon" mit und zeigte sie Ridley Scott. Scott war nach Betrachtung des Gemäldes "Necronom IV" endgültig sicher: seinen Mann hatte er. Das ist es. Das war genau das, was sie suchten. Erst später sollte sich herausstellen, dass der Look des Films, der Look, in dem Giger gekonnt Erotik mit Gewalt sowie Mechanisches und Biomechanisches miteinander verknüpft, erheblich zum sexuellen Subtext des Sci-Fictioners beitragen würde, was an anderer Stelle jedoch genauer thematisiert wird. Man hatte demnach ein unorthodoxes Monster, man hatte düstere Umgebungen; de facto hatte sich Scotts größte Herausforderung vorerst erledigt. So kam es (nach einer Budget-Erhöhung von knappen fünf auf knapp acht Millionen US-Dollar), dass der Surrealist aus der Schweiz nicht nur die Entwicklungsetappen des Aliens entwarf (vom Facehugger über den Chestburster bis zum Alien), seine Aufgabe bestand auch darin, das Wrack des Alien-Raumschiffs samt dessen Eier, den sogenannten Spacejockey und die Landschaft des Planeten zu kreieren. Nicht vergessen sollte man auch die Arbeit von den Trickspezialisten Chris Foss, Ron Cobb und Moebius. Ein Dreamteam, das bei der Produktion erstmals zustande kam, und das in erster Linie das Raumschiff Nostromo, dessen Inneneinrichtungen und die Raumanzüge entwarfen (nach Scotts Vorbild Stanley Kubrick und "2001: Odyssee im Weltraum", aber auch "Star Wars" - das langsame Anfliegen des Raumschiffs). H. R. Giger wurde 1980 für seine groteske Kunst mit dem Oscar ausgezeichnet.

Zwischen Ekel & Angst – Reaktionen auf den Film

Nach viermonatiger Drehzeit (Juli 1978 – November 1978) war das Projekt "Alien" abgeschlossen. Ursprünglich hatte die erste Fassung eine Lauflänge von etwa vier Stunden, beruhend auf einem 78-seitigen Drehbuch. Eine weitaus brutalere und beängstigendere Version als die heutige Fassung, nach dessen Sichtung die Exfrau von Alan Ladd Jr. derart traumatisiert war, dass sie anderthalb Tage in ihrem Zimmer blieb. Auch sonst äußerten sich die Reaktionen des Publikums in wildem Schreien und hysterischer Flucht, sobald der Film in einem Kino gezeigt wurde, in dem ein anständiger Ton vorherrschte. Ein Platzanweiser fiel in Ohnmacht, die Leute waren wie hypnotisiert, als sie den Chestburster aus Kanes Brust platzen sahen: "Die Geschäftsleitung fand es furchtbar. Die Leute hatten sich überall übergeben. Wir dachten: 'Das ist spitze.'"[5] Selbst einige Leute verließen ihren ursprünglichen Platz und setzten sich in eine der hintersten Reihen des Kinos, weil sie Angst hatten, so nah vor der Leinwand zu sitzen. Darsteller wie Jack Nicholson und Warren Beatty kreischten wie ein kleines Kind bei jeder spannenden Szene. Auch die gesamte Filmcrew war beeindruckt und gleichermaßen geschockt von dem Film. Nur Dan O'Bannon, Schöpfer der Story und damit des Films; der hat nicht applaudiert, der hat geweint.


Vom Konzept eines B-Movies zum Meilenstein

"Alien" hatte nicht nur durch die ungemein effektive Werbekampagne (darunter das mysteriöse Filmposter sowie die Idee, die Buchstaben des Filmtitels weit auseinander zu designen) beträchtlichen Erfolg. Als der Film seine ersten Aufführungen im Egyptian Theater hatte und an zwei Tagen rund um die Uhr gezeigt wurde, standen die Leute 48 Stunden ununterbrochen Schlange an den Kinokassen. Sie standen um den Block – Sensation und Medienskandal hielten sich konstant die Waage. Einer der ersten Blockbuster wurde geboren. "Alien" avancierte zum Klassiker und gilt heute als einer der unheimlichsten Filme aller Zeiten, der seinen Regisseur (der so ganz nebenbei ein neues Sub-Genre, den "SF-Horror", erschloss) und seine Hauptdarstellerin weltberühmt machte. Das Werk steht darüber hinaus für einen der meistzitierten Filme des Genres, der drei Fortsetzungen nach sich zog und eine unüberschaubare Flut an Büchern, Comics und B-Movie Rip-Offs (unter anderem zahlreiche Ableger des B-Movie-Königs Roger Corman). "Ich glaube, solange keine Spielfilme speziell für IMAX oder Virtual Reality gedreht werden, ist es unmöglich, einen Science-Fiction-Film zu drehen, der so bahnbrechend neu ist."[6] "Es war ein Meilenstein wie "Das Ding" von Howard Hawks. Das ist der erste Film, der mir einfällt, in dem ein Science-Fiction-Element eingesetzt wird, um Angst zu erzeugen. Das war der nächste ultimative Schritt."[7]

Der Bruch mit den Konventionen

In den ersten Minuten von "Alien" passiert bezeichnenderweise erst einmal gar nichts. Langsam schwebt die Kamera (Derek Vanlint) durch den Weltraum, durch die Korridore des Raumschiffs. Von menschlichem Leben ist zunächst keine Spur; das Schiff wird durch Maschinen und Computer gesteuert und kontrolliert. Erst als der Bordcomputer rätselhafte Signale empfängt, erwacht die Crew. Nicht von ungefähr erinnern die ersten Bilder im Film an Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum". Doch "Alien" ist keine Kopie von "2001". Scotts Anfangssequenz lullt den Zuschauer mit sanften Kamerabewegungen und der sparsamen, jedoch effektiv eingesetzten Musik Jerry Goldsmiths  ein, nur um ihn dann in der zweiten Hälfte förmlich zu überrumpeln. Zunächst herrscht ein ruhiges, ein langsames und ein unspektakuläres Erzähltempo, das einerseits nur in gemächlicher Form Fahrt aufnimmt, andererseits aber durchaus einer metaphorischen Bedeutung nachgeht. Denn bereits angesichts der elegischen Einleitung etabliert der Film das All als Nichtlebensraum, in dem die Besatzung nicht nur dem Tiefschlaf frönt, auch steht sie sinnbildlich dafür, dass der Mensch in des Films Zukunftsvision zum überflüssigen Begleitpersonal degradiert wird. Was folgt, sind minimale Dialoge, minimale Bewegungen und minimale Reaktionen der Protagonisten – man könnte fast meinen, dass sich Scott, O'Bennon und Vanlint anfangs mehr für den Raumkreuzer als für seine eigentliche Besatzung interessieren.


"Alien"
- Antithese zu "Star Wars"?

Ridley Scotts Weltraumschocker ist in vielerlei Hinsicht "anders" als seine damalige Science-Fiction-Konkurrenz, angefangen von "Star Trek" über "Star Wars" bis hin zu "Unheimliche Begegnung der dritten Art". Waren diese doch sehr kindgerecht gehalten und befassten sich nur peripher – wenn überhaupt – mit Ängsten, so bot "Alien" seinerzeit einen Extremkontrast. Schon die Sequenzen auf dem Planeten versteinerter Aliens, als die Crew notlanden und das Schiff reparieren muss, repräsentiert in gewisser Weise all das, was als das genaue Gegenteil etwaiger Filme des Genres der 70er-Jahre gilt: "Ich sollte "The Texas Chainsaw Massacre" machen."[8] Nicht nur der düstere Inszenierungsstil und H. R. Gigers Design des Planeten per se trugen dazu bei, auch der abgrundtiefe Pessimismus lässt "Alien" zur absoluten Antithese zum fröhlich-abenteuerlichen, zu George Lucas' klassisch strukturiertem Märchen "Star Wars" mutieren. Hier ist alles menschenfeindlich: der luftleere, endlose Raum (im eiskalten Blaufilter), die fremde Spezies, ja selbst das Raumschiff als solches. Der Mensch steht in diesem Szenario nicht an der Spitze der Nahrungskette. Die Botschaft ist überdeutlich: Verlässt der Mensch die Erde, begibt er sich in einen (Lebens-)Raum, für den er schlichtweg nicht gemacht ist. Scott revolutionierte damit das Aussehen des Sci-Fi-Films: Schweiss, Staub und Öl, statt strahlend-antiseptischer Utopie: "Zum ersten Mal wurde das All als wirklicher Ort gezeigt. Dreckig, fettig, schmuddelig, mit echten Menschen darin. Das Gegenteil von "2001: Odyssee im Weltraum".[9]

Der Chestburster wird geboren

Dem ersten "Alien"-Film liegt eine formale Zweiteilung zugrunde, die auch  in einigen Kubrick-Filmen Anwendung findet. Stellt Scott in der ersten Hälfe (die von Entfremdung, Stille und ständigem Schlafmangel geprägt ist) sein gesamtes Personal vor, stellt er den Alien-Planeten und dessen Eier sowie den Facehugger zur Schau, wird "Alien" in der zweiten Hälfte zum Überlebenskampf stilisiert. Exemplarisch hierfür der Schlüsselmoment, der den zweiten Akt radikal einleitet – die Geburtsszene des Aliens. Kane (John Hurt) ist gerade aus dem Koma erwacht. Zusammen mit seinen restlichen Kollegen nimmt jeder eine Mahlzeit zu sich, ehe der Weg in den Hyperschlaf gefunden wird. Plötzlich wird Kane von krampfhaften Zuckungen befallen. Die Crew versucht vergeblich, ihn zu bändigen. So lange, bis ein schlangenhaftes Wesen mit Gewalt aus seinem Brustkorb platzt.


Es ist die Szene, die bis heute nichts von ihrem Schrecken eingebüßt hat. Quasi das Aushängeschild schlechthin: "Aus psychologischen Gründen fanden Frauen ab einem gewissen Alter, vor allem Frauen zwischen 30 und 50, die Geburtsszene, als das Alien aus dem Brustkorb platzt, sehr abstoßend. Sie fanden es auf einer tiefen, freudianischen Ebene beunruhigend. Sonst hätte der Film wohl noch mehr Erfolg gehabt."[10] Offensichtlich ist, dass Ridley Scott in dem Film die Kunst des Andeutens versteht, der sich darauf verlässt, dass der Film die grausamen Details erst im Kopf in Gänze ausbuchstabiert. Der Zuschauer ergänzt die Puzzleteile in seiner Phantasie, die ihm der Film zuwirft. So ist auch die Geburtsszene bei näherer Betrachtung sehr knapp gehalten und geradezu spröde, ja beinah subtil inszeniert: "Keine anschwellende Musik, keine dramatische Beleuchtung und das Alien ist wieder für wenige Bruchteile zu sehen. Doch gerade die Tatsache, dass hier die Katastrophe völlig unvermittelt eintritt und dokumentarisch-nüchtern festgehalten wird, macht diese Szene so unheimlich."[11]

Danach beginnt der Kampf der Besatzung gegen das übermächtige, jetzt ausgewachsene Monstrum Gestalt anzunehmen (ein metaphysisches Thema, das der Film ebenso verfolgt: die Begegnung mit dem Fremdartigen). Scott beginnt langsam, auf lange Kameraeinstellungen zu verzichten, er erhöt sowohl das Tempo als auch die Spannungsschraube, in dem der Regisseur überraschend wenig vom Alien zeigt und immer wieder auf Bildfetzen, Schatten und einzelne Fragmente zurückgreift. Goldsmiths musikalische Untermalung wird hysterischer im Wechselspiel zwischen langsam und schnell, laut und leise, und peitscht ab jetzt die Handlung voran. Hier zelebrieren Ridley Scott und Dan O'Bannon sie, die Angst vor dem Unbekannten und lassen sie in Form einer aus den schlimmsten Alpträumen emporgestiegenen monströsen, schier unbesiegbaren Kreatur auf Zelluloid bannen. Sie jagen die Crew durch ein Labyrinth der Ausweglosigkeit.

Die Klaustrophobie nimmt zunehmend gewichtigere Züge an. Es gibt eine Reihe von Szenen, die bis zum Zerreißen spannend sind, voller Suspense stecken sie. Beispielsweise die Szene, als Brett (Harry Dean Stanton) der Katze nachruft und man gebannt darauf wartet, dass das Alien erscheint. Oder in dem Captain Dallas (Tom Skerritt) durch den Lüftungsschacht kriecht und die außerirdische Kreatur plötzlich auf dem Radar erscheint und sich Dallas nähert, der sie jedoch nicht sehen kann. Das sind nur zwei jener Augenblicke. Dabei ist man als Zuschauer stets dazu verdammt, eine Rolle der Untätigkeit und Passivität zu spielen. Man wartet häufig auf das große Grauen, nur um im nächsten Augenblick feststellen zu müssen, dass man einmal mehr von der Regie ausgetrickst wurde.

Inszenatorisch atemberaubend ist das letzte Virtel auf der Nostromo: "Lamberts qualvolle Todesschreie, die ohrenbetäubend durch das Lautsprechersystem des Frachters hallen, die verwackelte Handkamera, MOTHERS Warnungen, der Einsatz von Licht und Schatten, gleißender Helligkeit, schwärzester Finsternis, einer flackernden Beleuchtung, viel Dampf und Nebel und extrem penetranter Soundeffekte oberhalb der 100 Dezibel Grenze machen Ripleys letzte Minuten auf dem Schiff zu einem surrealen Inferno und Horrorszenario, das man – einmal gesehen – nie wieder vergessen wird."[12] Einer nach dem anderen fällt dem Monster zum Opfer, bis es nach der Explosion zum ebenfalls vielzitierten kammerspielartigen Versteckspiel zwischen Ellen Ripley (Sigourney Weaver) samt Katze und Alien in einem Raumgleiter kommt. Ein Showdown, der durch den innerhalb weniger Sekunden wieder aufgenommenen Spannungsbogen zu einem der besten aller Zeiten zählt.

Sexuelle Untertöne

"Alien" ist mehr als Versteckspiel. Unter der Oberfläche eines Reißers, der mehr Horror, mehr psychologischer Thriller als alles andere ist, lassen sich verstörende Referenzen sexueller Natur feststellen. Mit H. R. Gigers groteskem Design, der dabei eine Affinität zu männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen offenbart, der in seinen Werken seiner Schwäche für sexualisierte Themen nachgeht, ist schnell der Hauptgrund gefunden, weshalb der Film erst beim näheren Hinschauen sowohl auf der Handlungs- als auch auf der visuellen Ebene viele interessante psychosexuelle Motive beinhaltet. So kann man die Chestburster-Szene auch als Geburt eines Kindes interpretieren, das aus einer bizarren Vergewaltigung hervorging. Wenn der Facehugger aus seinem Ei hervorgeschossen kommt und sich an Kanes Gesicht mithilfe einer Art Hand mit Schwanzfortsatz festklammert, ist das zugleich ein perverser Kuss, eine Art oraler Todeskuss. Und dass sich das Alien ausgerechnet einen Mann ausgesucht hat, ist nicht weiter verwunderlich, dass das Alien Lambert später ausgerechnet mit seinem Schwanz bedroht, ist ebenfalls nicht weiter verwunderlich. Doch es gibt noch mehr zu entdecken: Der Kopf des ausgewachsenen Aliens, ebenso wie der Chestburster erinnern mit ihrer Form an einen erigierten Penis, die vaginalartigen Alien-Eier dagegen an weibliche Geschlechtsorgane.


Subtextmäßig ist hier viel vorhanden, was irgendwo zwischen Gewalt und Sexualmetaphorik anzusiedeln ist. Aufgrund von Gigers Kunst trifft stets das Erotische auf das Abstoßende. Phallussymbole wie der "Stuhl" des Raumschiffpiloten (der Spacejockey) und die penetrierende Zunge des Aliens wechseln sich ab mit gebärmutterartigen Eingängen von Höhlen. Dazu gesellen sich zum einen ein weibliches Computersystem namens "Mutter" (das in gewissem Sinne letztlich die Besatzung, ihre "Kinder", zum Teufel jagen muss), zum anderen das abermals erotisch konnotierte Finale, in der Scott Weaver in einem dünnen Slip, transparentem Hemdlein und natürlich ohne BH (!) gegen das Xenomorph kämpfen lässt. Stets stehen diese wiederkehrenden Symbole in unmittelbarem Zusammenhang mit Verfall und gewaltsamem Tod: "Hier bedient sich der Film sehr geschickt des gerade in der westlichen Gesellschaft immer noch sehr zwiespältigen Verhältnisses zur Sexualität. Denn alle Aufklärung und vermeintliche "Sittenlockerung" hat nichts daran geändert, dass im kollektiven Bewusstsein der Gedanke tief verankert ist, dass "die schönste Sache der Welt" schmutzig und mit dem Makel des unkontrollierten fleischlichen Triebes behaftet ist. "Alien" nährt durch seine Verbindung von Sexualmetaphern mit Tod und Vernichtung diese Ängste.“[13]

Das Alien – ein Biomechanoide

Als Biomechanoide hat H. R. Giger sein selbst erschaffenes Alien bezeichnet. Und ja, jener mysteriöse Organismus – die letzte Inakarnation dieses Wesens – ist ein biomechanischer Alptraum, eine Symbiose aus Fleisch und Metall. Der gesamte Körperbau scheint nur auf eines ausgerichtet zu sein: effizient und schnell zu töten. Das Alien hat in Form von Säure anstatt Blut einen Abwehrmechanismus entwickelt; in seinem Maul gibt es nur einen weiteren Satz Zähne (quasi ein Gebiss im Gebiss). Das Alien vereint nichtsdestotrotz manche Widersprüchlichkeiten. Das Alien mit seinem geschmeidig-drahtigen Körper ist zugleich schleimig und metallen, sexy und tödlich, Mensch und Maschine. Eine Gebär- und Kriegsmaschine. Eine der furchterregensten Kreaturen, die man sich vorstellen kann, und der man im Dunkeln lieber nicht begegnen möchte. Mannshoch mit reptilienartigen Bewegungen. Aus welchen Motiven es tötet, woher es kommt, sind nur zwei Fragen, die man sich stellt, aber nicht beantworten kann. Gerade das Fehlen jeglicher Logik und Rationalität macht es so geheimnisvoll und schrecklich. Im Laufe des Films verschmilzt das Alien immer mehr mit dem Raumschiff. Man könnte fast meinen, dass es endlich zu Hause ist und die Besatzung eher den Fremdkörper darstellt, so perfekt wird es eins mit dem Schiff, mit seinen kalten Metallwänden, die dadurch messerscharfe Krallen und Zähne haben. Die Gefahr scheint omnipräsent. Mit dem Alien lebt und fällt Scotts Schocker. Gigers Design besticht durch Originalität. Nie zuvor war etwas Vergleichbares auf der Leinwand zu sehen: "Für mich steht das Alien für das Unbekannte. Und für eine dunklere und wildere Version von uns selbst."[14]


Weitere Tiefsinnigkeiten

Und dennoch stellt das Alien nicht die einzige Gefahrenquelle für die Crew auf dem Raumschiff dar. Es gibt darüber hinaus diese mystische, gesichts- und namenlose Company, die stets geradezu eine allmächtige Präsenz auszutrahlen scheint, und die nie wirklich genauer thematisiert wird. Ein seltsamer Konzern, ein Konstrukt, das anscheinend in der Zukunft jegliche Belange der Menschen kontrolliert. Als Ripley mittels des Bordcomputers Nachforschungen über das Xenomorph anstellen will, bekommt sie heraus, dass die ganze Mission von Anfang an geplant war, das Alien auf die Erde mitzunehmen. Offensichtlich ist die Besatzung durch Arbeitsverträge geschützt.

Exemplarisch auch die Tatsache, dass Captain Dallas für jede seiner Entscheidungen "Mutter" befragt, die aber nie eine konstruktive Lösung anbieten kann und Dallas daher in den meisten Fällen ratlos zurückbleibt. Die Bedrohung kommt somit logischerweise nicht nur von innen, sie kommt vielmehr von außen. Die inhumane Cooperation ist der erschreckende Grund dafür, dass das menschliche Leben selbst vor seiner eigenen Schöpfung nicht mehr sicher ist. Gesellschaftskritische Fragen wie die skrupellose Wissenschaft (Aliens sollen, obwohl unberechenbar und hoch gefährlich, als Bio-Waffen eingesetzt werden) und skrupellose Politik (die "Helden" werden in eine Mission mit falschen Vorzeichen geschickt und letztlich von den Mächtigen ausgebeutet) treffen auf die Frage der Überlebensfähigkeit der Menscheit, nach ihren ethischen Ressourcen, und was davon noch übrig ist, wenn eine solche Partei an der Spitze der Regierung steht. Vom moralischen Standpunkt aus, schafft es der Konzern dadurch sogar noch "böser" als das Alien selbst zu sein.

Auch der Wissenschaftsoffizier Ash (Ian Holm) strahlt eine nicht unrelevante Bedrohung aus. Er entpuppt sich mit der Zeit als konzerntreuer Androide, der die Aufgabe hat, sich um das fremdartige Wesen zu kümmern. Was möglicherweise aus der restlichen Besatzung wird, ist dabei unerheblich. Sein Kampf gegen Ripley (der sie dem sexuellen Subtext willen natürlich mit einer zusammengerollten Zeitung töten will) ist nicht nur der actionreichste Moment im Film, auch einer der nervenzerreißensten. Letztendlich, kurz bevor Ash sein Leben aushaucht, teilt er der mittlerweile auf drei Leute zusammengeschrumpften Crew mit, dass er das Alien bewundert, seine Perfektion und Skrupellosigkeit: "Ich bewundere seine konzeptionelle Reinheit. Geschaffen, um zu überleben. Kein Gewissen beeinflusst es. Es kennt keine Schuld oder Wahnvorstellungen jeglicher Art."[15]


Emmanzipation der Frauen, schwache Männer

In Sachen Figurenkonstellation tritt einmal mehr des Films Ungewöhnlichkeit zu Tage. "Alien" verweigert dem Zuschauer eigentlich von Anfang an eine Identifikationsfigur. Es gibt keinen klar auszumachenden Hauptdarsteller inmitten des illustren und unorganisiert wirkenden Ensembles, dass angesichts der fundamentalen Bedrohung schnell eine eigene Gruppendynamik entwickelt. Fragt man sich zunächst, dass möglicherweise Captain Dallas die nähere Bezugsperson für den Zuschauer darstellen könnte, erweist sich das in dem Moment als Finte, als Dallas stirbt. Was nun? Jetzt hängt man emotional in der Luft. Mehr und mehr entpuppt sich Ellen Ripley – eine Frau –, die vorher allenfalls nur marginale Auftritte hatte, zur Heldin.

Ridley Scott und Dan O'Bannon orientieren sich innerhalb ihrer Weltraumcrew stark an den Frauen, während die Männer von Haus aus verwildert, schwach, dümmlich, stereotyp und einfältig charakterisiert werden (außer Ash), wodurch sie viel schlechtere Ausgangschancen haben. Scott, O'Bannon und Giger setzen also dem weitestgehend von Männerklischees besetzten Horror-Genre eine erfrischende Betonung des Weiblichen entgegen. Lobenswerterweise verkommt der ganze Cast dabei nicht zum Anhängsel der Special-Effects. Ripley, Dallas, Ash, Brett, Kane, Lambert und Parker – das sind Figuren, die alle bestimmte Charakterzüge aufweisen, die alle Konflikte untereinander zu lösen haben. Keiner wird zum Rohrkrepierer degradiert. Aufgrund der minimalistischen Ausgangslage fällt es einem nicht schwer, sich in diese Protagonisten hineinzuversetzen und mit ihnen mitzufiebern.

Mit Ellen Ripley wurde in "Alien" eine der ersten weiblichen Actionheldinnen geboren – und Sigourney Weaver gelangte durch ihr kraftvolles Schauspiel zu Weltruhm (Ridley Scott hatte sie damals von einigen Leuten empfohlen bekommen, da sie durch ihre Schauspielerei im Theater am Broadway aufgefallen ist), was damals so unerwartet daherkam wie der Look des Films. Doch Ellen Ripley ist keine eindimensionale Kampfamazone, die mit ihrem Flammenwerfer durch die Gegend zieht; Ripley ist in ihrem tiefsten Inneren eine sanfte und sensible Frau, die selbst in Extremsituationen (darunter die ständigen Konfrontationen mit Lambert alias Veronica Cartwright) einen kühlen Kopf bewahrt, die sich beinah verbissen an die Vorschriften hält und sich nicht unterkriegen lässt. Letzten Endes muss sie zwar über sich hinaus wachsen, lässt aber niemals zu, dass ihre Emotionen die Oberhand gewinnen, wodurch sie als einzige mit dem Leben davonkommt: "Im Gegensatz zu anderen Actionheldinnen erkauft nämlich Lt. Ellen Ripley ihren Status nicht über Verleugnung ihrer Weiblichkeit. Hier etablieren die Drehbuchautoren und Regisseur Scott erstmals einen eigenständigen Gegenentwurf einer "starken" Frau, die nicht einfach nur die Kopie eines Mannes darstellt."[16]

 
Eine musikalische Symphonie des Grauens

Die vielen langsamen, fast stummen Szenen des Films, wo nichts passiert, in denen sich die Kamera nur von einem Ort zum anderen bewegt, diese wären ohne zwei Namen so gut wie unmöglich gewesen: Jerry Goldsmith und Lionel Newman. Ein junger Musiker, der sich am Anfang seiner Karriere befand, und einer der großen Dirigenten Hollywoods (dessen Bruder die Twentieth Century Fox-Fanfare schrieb und komponierte), der sich um die Aufnahme des Scores kümmerte. Jerry Goldsmiths Partitur, sie ist eine ganz und gar fantastische Arbeit, bedrohlich, seltsam, aber wunderschön, die einen ständig umgarnt und pausenlos Spannung schafft. Sie vermittelt mit ihren betörenden, oftmals sehr intimen und melodisch-lyrischen Klängen den Lebensnerv einer Gesellschaft in weiter Ferne (hier: der Aliens, wo es auch eine Art Gesellschaftsordnung unter ihnen geben müsste).

Bei näherer Betrachtung fällt vor allem die Musik bei Beendigung des Hyperschlafs auf. Goldsmith verwendete dabei ein Stück des Wiegenlieds (anfangs gegen seinen Willen – überhaupt gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem oftmals sehr eigensinnigen Goldsmith als schwierig), dss er für "Freud" komponiert hatte: "Es war sehr impressionistisch. Hübsch, aber geheimnisvoll. Es passte hervorrragend dazu."[17] Für das geplante Thema für das Alien griff Goldsmith ursprünglich auf Hörner zurück. Ein zwar sehr effektvolles, schräges, ja gruseliges Tuten, das allen Beteiligten jedoch zu aufdringlich war und deshalb aus dem fertigen Film genommen wurde. Auch das musikalisch ausgeklügelte Finale auf der Nostromo ist geprägt durch Goldsmiths Vielseitigkeit, durch kühne Taktwechsel und unregelmäßige Rythmen, was mit einer enormen filmdramatischen Wirkung einhergeht: "Die Herausforderung bei der Filmmusik besteht darin, dass die Musik mit dem Film harmoniert und zugleich ein eigenes Leben hat und für sich spricht. Berühmte Filmmusik von früher wirkt oft fantastisch im Film. Aber für sich genommen hat sie keine Aussagekraft."[18]

Der Director's Cut

Zum 20-jährigen Jubiläum von "Alien" erschien anlässlich der 2003 erschienenen DVD-Box "Alien-Quadrilogy" (mit 9 Discs und allen Filmen in verschiedenen Versionen) der überarbeitete Director's Cut von Regisseur Ridley Scott. Die Bezeichnung Director's Cut ist jedoch nur bedingt richtig, denn Scotts Fassung, die seinen Wünschen voll und ganz entspricht, ist nach wie vor die Kinofassung von 1979. Der einzig und allein zu Marketingzwecken deklarierte Director's Cut wurde in Bild und Ton digital überarbeitet. Zugleich wurden bekannte Szenen verkürzt (an jenen Stellen, als sich die Kamera viel Zeit lässt) oder gleich herausgeschnitten, andere neue, zuvor entfallene Passagen wie die eingesponnenen Crew-Mitglieder in einer Art Nest des Aliens, wiederum hinzugefügt, die allerdings wenig Neues für die eigentliche Handlung beitragen. Somit hat der Director's Cut sogar eine kürzere Laufzeit (111 Minuten) als die Kinofassung (112 Minuten) aufzuweisen. Scott betonte ausdrücklich, dass er den Director's Cut tendenziell eher für eine Art Alternativversion hält, die ein wenig an modernere Sehgewohnheiten angepasst ist und einen leichteren Einstieg in den Film für jüngere Zuschauer ermöglichen soll.


Kurioses aus der Produktion

Der erste Teil der "Alien"-Saga ist zugleich mit so manch kuriosem Vorkommnis in der Produktion verbunden. Um einige Szenen realistischer wirken zu lassen, wurden den Darstellern beispielsweise nur ganz grob die Szenen erklärt und die essentiellen Details weggelassen. So passierte es, dass sie ganz überraschend und völlig unerwartet mit Blut bespritzt wurden (die Geburt des Chestburster rief somit keine geschauspielerten und einstudierten Reaktionen der Akteure hervor - das war realer Ekel und Schock). Des Weiteren wurde der Facehugger von Ridley Scotts Hand bewegt, und für die bei der Obduktion sichtbar werdenden Organe verwendete die Filmcrew Schellfisch, Muscheln und eine Schafsleber. Während der Vorspann von Saul Bass designt wurde (der auch die berühmt-berüchtigten Opening Credits zu Alfred Hitchcocks "Psycho" in die Tat umsetzte), war ursprünglich ein ganz anderes Ende des Films vorgesehen. Dieses beinhaltete, dass Ripley vom Alien in deren Raumgleiter getötet wurde und die Spezies anschließend mit Captain Dallas' Stimme einen Funkspruch an die Erde sendete. Nach einigem Überlegen wurde die Idee jedoch wieder verworfen.

Skurril auch die Gegebenheit, dass das Alien vom 2,18 Meter großen Studenten Bolaji Badejo verkörpert wurde, ebenso wie die vielen Anspielungen auf den Autor Joseph Conrad beziehungsweise dessen Romane. Das Raumschiff Nostromo ist in dieser Hinsicht auch ein Titel eines Romans ebenjenes Schriftstellers. Auch wenn Dan O'Bannon zugab, die Idee zu "Alien" von vielen verschiedenen Medien unterschiedlicher Natur kopiert zu haben, kam die Vermutung auf, dass die Vorlage für den Film offensichtlich von dem Buch "Die Expedition der Space Eagle" von A. E. van Vogt kam. Nach einem daraus resultierenden Rechtsstreit wurden Vogt 50.000 US-Dollar zugesprochen. Die Szenen auf dem Alien-Planeten aus der Sicht des jeweiligen Besatzungsmitgliedes aus dessen Helm wurden außerdem mit einer Amateurkamera Ridley Scotts aufgenommen, als dieser eines Tages über das Setting stolzierte und von dem Planeten Aufnahmen machte. Das Endresultat sah jedoch so glaubwürdig aus, dass die Szenen gleich in den endgültigen Film integriert wurden.


Abgesehen davon kam immer wieder die Frage nach der verlorenen Luftschleusenszene auf, in der das Alien durch ein kleines Loch (so klein wie der Deckel einer Getränkeflasche) hineingepresst wurde. Ferner, ob die Szene nie realisiert wurde, weil das Biest in der ursprünglichen Fassung so umkommen sollte: "Wir konnten sie uns nicht leisten. Außerdem schaffte ich es damals nicht, ohne Computergrafik einen Körper durch ein so kleines Loch zu quetschen. Sie machten es in "Alien" Nummer vier. Er wurde ganz weiß dabei."[19] Eine andere Sache, die sich durchaus abgespielt hat, war die, als Ripley gegen Ende um ihr Leben rennt, um eine Leiter zu erreichen und plötzlich stoppt und zögert, weil sie angeblich ein Kameramann gestoßen hatte: "Ich stand bei diesem Film hinter der Kamera. Adrian Biddle und ich bewegten uns rückwärts und Ripley quer zu uns, dann folgten wir ihr. Wenn Sie scharfe Augen haben, sehen Sie im Korridor einen Elektriker, der einen Lichteffekt macht. Er schwenkte bloß eine schwarze Fahne herum. Und wir stießen mit ihm zusammen."[20]

Ein abschließendes Resümee

Was ist nach dieser Ausarbeitung als Ergebnis, als Fazit festzuhalten? Fakt ist, dass "Alien" filmisch singulär ist. Nicht nur durch die auf Krankheitsmetaphorik operierende und doppelbödige Inszenierung  und der mit halbbewussten (Ur-)Ängsten und Klaustrophobie spielenden Konstruktionsweise, nicht nur durch ein intelligentes Filmmonster für die Ewigkeit, nicht nur durch eine neue Art von Leinwandheldin, nicht nur durch die sorgfältige Übertragung eines klassischen Horrorfilms in einen grandios designten Science-Fiction-Film ist Scotts Schauermär, sein bahnbrechendes Angstepos, in dem er intensiv sein Publikum mit einbezieht, zeitlos und letztendlich das geworden, als was er heute angesehen wird: als ein Wegweiser für sein Genre und darüber hinaus Wegbereiter des Kinos. Auch nach all den Jahrzehnten kommt der Film weit weniger angestaubt daher, als so manch neuere Produktion.

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Anmerkungen 

[1] Dan O'Bannon in: "Alien Evolution" - Dokumentation
[2] Ronald Shussett in: "Alien Evolution" - Dokumentation
[3] Ridley Scott im Rahmen einer Kinovorstellung seines Films
[4] Ridley Scott in: "Die Visualisten: Regie und Design" - Featurette
[5] Terry Rawlings in: "Ein wahr gewordener Alptraum" - Featurette
[6] Dan O'Bannon in: "Alien Evolution" - Dokumentation
[7] Ron Copp in: "Ein wahr gewordener Alptraum" - Featurette
[8] Ridley Scott in: "Die Visualisten: Regie und Design" - Featurette
[9] Sigourney Weaver in: "Alien Evolution" - Dokumentation
[10] Ivor Powell in: "Ein wahr gewordener Alptraum" - Featurette
[11] Daniel Möltner in seiner Filmanalyse aus der Filmzentrale
[12] Florian Friedrich in seiner Kritik aus manbeisstfilm
[13] Daniel Möltner in seiner Filmanalyse aus der Filmzentrale
[14] Sigourney Weaver in: "Alien Evolution" - Dokumentation
[15] Ian Holm alias Ash in: Ridley Scotts "Alien"
[16] Daniel Möltner in seiner Filmanalyse aus der Filmzentrale
[17] Jerry Goldsmith in: "Düstere Zukunft: Musik und Schnitt" - Featurette
[18] Jerry Goldsmith in: "Düstere Zukunft: Musik und Schnitt" - Featurette
[19] Ridley Scott im Rahmen einer Kinovorstellung seines Films
[20] Ridley Scott im Rahmen einer Kinovorstellung seines Films

Quellen

●Audiokommentar von Ridley Scott, Dan O'Bannon, Ronald Shussett, Terry Rawlings, Sigourney Weaver, Tom Skerritt, Veronica Cartwright, Harry Dean Stanton und John Hurt, "Alien" - Alien Quadrilogy Neuauflage, Twentieth Century Fox Film Corporation 2003
"Weltraumbestie: Die Entstehung der Story" - Featurette / Alien Quadrilogy Neuauflage, Twentieth Century Fox Film Corporation 2003, Disc 2
"Die Visualisten: Regie und Design" - Featurette / Alien Quadrilogy Neuauflage, Twentieth Century Fox Film Corporation 2003, Disc 2
"Düstere Zukunft: Musik und Schnitt" - Featurette / Alien Quadrilogy Neuauflage, Twentieth Century Fox Film Corporation 2003, Disc 2
"Ein wahr gewordener Alptraum" - Featurette / Alien Quadrilogy Neuauflage, Twentieth Century Fox Film Corporation 2003, Disc 2
"Alien Evolution" - Dokumentation / Alien Quadrilogy Neuauflage, Twentieth Century Fox Film Corporation 2003, Disc 9
●Ridley Scott beantwortet Fragen / Alien Quadrilogy Neuauflage, Twentieth Century Fox Film Corporation 2003, Disc 9
●Lutz Döring: "Erweckung zum Tod – Eine kritische Untersuchung zu Funktionsweise, Ideologie und Metaphysik der Horror- und Science-Fiction-Filme Alien 1-4" (2005). Würzburg, Königshausen & Neumann 2005.
●Ludwig Gangkofer, Mona Mahmoud und Kathrin Zauner: "Alien: Eine Kultfilmreihe" (2007). Landshut, Reinhard Weber Fachverlag für Filmliteratur 2007