Wer sich dem den Oberflächenrand überwindenden Diskurs um geschlechtliche Gleichberechtigung, juristische Gleichbehandlung und Gender nähern möchte, wird in Felicity Jones ein Gesicht finden. Zunächst leicht überfordert, später sichtlich entflammter spielt Jones die Frauenrechtlerin Ruther Bader Ginsburg. Mimi Leder sieht ihr genauestens zu, wie sie – ringend um akademische Anerkennung – von Männern Schulter an Schulter zerrieben wird. Ein archaisches Symbolbild, das seine Gegenentsprechung finden wird. "Die Berufung" verklebt ein amerikanisch-aktivistisches Hochgefühl zwischen Frau und Freiheit, dem Pathos revolutionären Umtriebs ergibt sich dieser Film wie selbstverständlich. Das konservative Biopic schlechthin vermag Leder aber nicht aufzubrechen – einige Entwicklungen geraten in ihren weihevollen Wendungen ("Gender!") hinreichend künstlich wie schlicht überzuckert. Einen großen Makel trägt "Die Berufung" allerdings nicht davon: Für zwei Stunden erneuert sich das Kino als zupackender Protest, als Systemanalyse, die mit den weniger Privilegierten mitleidet, Hals über Kopf für sie argumentiert sowie sich durchzusetzen imstande ist. Und, klammheimlich, verändern sich die Rollen, die Rolle der Frau, die Rolle des Mannes – Arnie Hammer steht am Herd, ist beiläufig ein Hausmann, der seiner Frau das Haupteinkommen anvertraut. Mimi Leder denkt weibliche wie männliche Stereotypisierungen zusammen. Es führt kein Weg daran vorbei, sich in der (geschlechtsunabhängigen) Anerkennung des anderen als Subjekt seiner Selbstwerdung begreifen zu lernen.
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Montag, 11. März 2019
Mittwoch, 5. Juni 2013
"Heaven's Gate - Das Tor zum Himmel" [USA 1980; Langfassung]
Michael Ciminos Fetisch für die großen Gedanken und Visionen, mit
denen er sich in der Vergangenheit mit ausgelassener Leidenschaft
herumgeschlagen hat, führte ihn im epochenübergreifenden Siedlerepos
"Heaven's Gate" zu einem Maximum an Verfehlung und Verklausulierung, das
er danach nicht mehr überbieten konnte. "Heaven's Gate" war ein
kommerzielles Desaster, ein für Hollywood mythisches Missverständnis.
Heute ist Ciminos schöpferische Leistung erhalten geblieben. Sein Werk,
ein schwelendes, sperriges Erzählstück, voll an überschwänglicher
Emotion und einer Menge Geduld, ähnelt einem Panoramablick quer über das
akkurat nachgestellte Leben in Angst und Armut, das dennoch erfüllt ist
von einem Verständnis tiefer Poesie, während Amerikas über die
Jahrhunderte ausgetragener Nationenkonflikt auf keiner
vertragsgesicherten Harmonie basiert, sondern auf der Xenophobie und
Gewalt Vieler.
Die ebenso opernhafte Monumentalität wie fatalistische
Unumgänglichkeit, mit der Cimino etwa an Sergio Leone, Stanley Kubrick
und, speziell im bleigetränkten Finale, Sam Peckinpah erinnert, steht
für eine Art kosmisches Spielfeld, auf dem sich drei vergleichsweise
unbedeutende, aber mit sich und ihrer Identität hadernde Figuren
einfinden, die zueinander existenziell in Beziehung stehen, heroisch ins
Verderben stürzen und dem klassischen Cimino-Bild der Außenseiter und
Entfremdeten in einer Zeit innerer Widersprüche entsprechen. Rund wirkt
"Heaven's Gate" nicht, eher elliptisch und konfus zusammengewürfelt. Der
dauerbesoffene John Hurt verkommt zur Persiflage ohne Fundament und die
Überlänge zum ständigen Begleiter eines Films, in den man sich
hineinarbeiten muss, weil er von einer Stimmung und Bewegung geleitet
wird.
Reizvoll hierbei: Mehrere Gruppentänze und eine rasante Kutschfahrt
zweier Verliebter dokumentiert Cimino, ein bleibender Ausdruck für die
Unschuld des Moments, wohingegen er die imposantesten Konfrontationen
zwischen zwei feindlich gesinnten Völkern in einen Staubnebel hüllt, der
vom Stampfen der Pferde aufgewirbelt wurde und in denen Silhouetten
einen demokratisch abgestimmten Freiheitskampf austragen. Diese Ästhetik
einer pessimistischen, westlichen Welt im Umsturz und Aufbruch, die im
Dreck geboren wurde – nur gerecht, dass sie ihre künstlerische Bedeutung
wiedererlangt hat.
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