Freitag, 29. Juni 2018

"Good Time" [USA 2017]


Die Großstadt, immer die Großstadt. Er kränkelte – Prostataprobleme – und kutschierte aufgehende Sternchen. Ob in "Cosmopolis" oder in "Maps to the Stars": Für David Cronenberg war Robert Pattinson nicht länger einer, den man süß finden muss. Beflügelt, gelenkig, lebhaft manövrierte er sich durch das Kraftfeld einer zerhackten, ästhetisierten, ökonomischen Zeichenzirkulation. Zum Mann, zu einem Geschäftsmann war er geworden, und aus dem larmoyanten Teenieschwarm erwuchsen maskuline Zwischenabstufungen der Gesetzt-, aber auch der Gereiztheit. Der Robert Pattinson in "Good Time" hat diesmal keinen Anzug an, er fährt keine Limousine, das Haar ist nicht sorgsam geschnitten. Eher zerzaust ist es, später blondiert. Seine Figur Connie Nikas bereist New York für eine Nacht, wie einst Frank Pierce New York für einige Nächte bereiste – getrieben, gespenstig, von Verdichtung zu Verdichtung, von der Meditation zur Glut und wieder zurück. Die neonversifften 80er Jahre, das urbane Kino Michael Manns, das eruptive Kino Walter Hills standen Pate für Benny und Josh Safdie, die zu einem Film fanden, der, indem er sich über die Zeit hinwegsetzt, diese gleichzeitig neu verbaut. "Good Time" funkelt in grellsten Farbspektren, Energiewellen gleich, die ein New York City anleuchten und es zum Vibrieren bringen. In den unscheinbarsten Details – ein Blick in den Kühlschrank, ein Blick in eine fremde Wohnung – wimmelt es von Leben, von Stadtidentität. 

Die Bilderwelten streifen diesbezüglich das Allerdringendste; "Good Time" ist ein säuberlich montierter Film ohne eine Ausschweifung zu viel oder zu wenig. Der vordergründige Plot – und mehr als ein "Plot", ein Signal angedeuteten Erzählens, wird man darin nicht erkennen können – setzt sich aus einem Brüderpaar (Pattinson, Benny Safdie) zusammen, das sich bei dessen letztem Coup, einem Banküberfall, in der Folgeneinschätzung verhebt. Um die Kaution aufzutreiben, flüchtet der eine in die Nacht, während der andere zu überleben gewillt ist. Der Zuschauer heftet sich fortan an die Fersen Connies. Welche Energie, Raserei, welche Geschwindigkeit steckt in "Good Time", wenn Pattinson, sichtbar übermüdet, aufgeputscht und aufgeweicht, einen Raum, einen Lebens- wie Sozialraum, nach dem anderen bezwingt, in dem die Gefahr von einem Klopfen, einem Rufen, einem Bellen ausgeht, immer das große Geld, die große Chance im Sinn. In schwarzfinsteren, lichtgrantigen Versteckspiel- und Suchszenarien, exemplarisch auf einem geschlossenen, vereinsamten Vergnügungsparkgelände, gewinnt "Good Time" eine tranceartige, pochende Sensibilität, die friedlich zum Stillstand kommt: Connies behinderter Bruder Nick löst sich schlussendlich von den Fesseln, mitgezogen zu werden. Er geht aus freiem Willen unter Iggy Pops musikalischem Salz- und Wassergemisch das Therapiezimmer auf und ab. Zeit für eine Erkenntnis in einem sicheren Raum.

6 | 10