Zu Beginn wendet sich der scharfsinnige Zwerg Michael Dunn zu uns, dem Publikum. Vielleicht erkenne sich der ein oder andere in jenem Schiffspersonal, mit dem wir eine fast zweieinhalbstündige Reise antreten, offenbart er. Er hätte auch sagen können: "Endlich haben Sie es geschafft, die erste Schicht Erde abzutragen, um auf diesen Rohdiamanten zu stoßen." Bis vor kurzem spielte "Das Narrenschiff" trotz einer jegliche Naht sprengenden Besetzung keine große Rolle, als der Film endlich das Licht des Bewusstseins auf einer deutschen DVD erblickte. Weil Michael Dunn kleinwüchsig ist, passt es umso lakonischer, dass Stanley Kramer einen reinen, psychologisch höchst raffinierten Schauspielerfilm im Auge hatte, der eine romantisch-utopische Erbauungsfantasie spinnt, zugleich aber die "kleinen", niederträchtigen Frustrationen einer jeden Klassenideologie bloßlegt. Stellenweise nähert sich das "Narrenschiff" zwar dem "Traumschiff": Besitztum, zarte Liebesgeständnisse, ein Hauch Kitsch. Aber, und darauf sei insbesondere in Hinsicht auf Kramers früher erschienenen, breiter angelegten "Das Urteil von Nürnberg" hingewiesen, erforscht der Film die Voraussetzungen im gut situierten Bürgertum, auf welchem Nährboden antisemitische Tendenzen fußten. Als historische Studie eignet sich "Das Narrenschiff" dennoch kaum – zu überzeichnet drehen, beispielsweise, ein urgewaltiger Lee Marvin (eine "Type"), ein absolutistischer José Ferrer sowie ein naiver Heinz Rühmann am Schiffssteuer, wodurch erquicklich die Wellen schäumen.
6 | 10